Eure Erfahrung - Das Gehör

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backe

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Musik und die Schwingungen der Luft.

Ich möchte das ein oder andere Stück über das Gehör lernen.

Am Beispiel von:
Y Todavia La Quiero - Joe Henderson (Chick Corea am Klavier)



Der Bass bewegt sich: fis-cis-fis, e-h-fis, d-a-fis

Doch wie komme ich nun weiter? Ich höre das Stück ständig und sitze dabei am Klavier und versuche zumindest z.B. die Melodie des Saxophonisten (Joe Henderson) nach zu spielen.
Ich erwarte nicht, das es einfach klappt, mein Gehör ist wohl sehr ungebildet. Ich kann zwar in etwa die Lage auf Anhieb einordnen, allerdings hörts schnell bei Akkorden auf (auf die Parts von Chick Corea bezogen).

Ich möchte die Noten nicht nachschauen, denn mein Auge und Hirn können das schon ganz gut, aber es geht mir hier um mein Gehör und Hirn. Und dem Zusammenspiel fehlt es ganz klar an Training.

Habt ihr Tips für das generelle Vorgehen? Sollte ich mir Notizen machen, also eine eigene Transkription anfangen?
 
ich weiss nicht wie gut dein gehör entwickelt ist, aber ein tipp von mir:

lad dir dieses programm runter:

Download Transcribe!

dann lade das youtube video als mp3 runter, hier:

KeepVid: Download and save any video from Youtube, Dailymotion, Metacafe, iFilm and more!


stell die mp3 ins programm.

jetzt kommt der lustige teil.
nehmen wir an du willst das saxophon heraushören.
geh zu der stelle an der das sax einsetzt und versuch die noten rauszuhören (nicht zuviele!), am besten wär eine kurze melodische phrase - meinem vernehmen nach könnt man sich auf ein oder zwei sekunden beschränken. versuch die phrase, oder besser motiv, zu singen die er da spielt. wenn es zu schnell ist, verlangsam das tempo auf 70%. wenn das auch noch zu schnell ist, verlangsam es auf tempo 50% (kannst es auch auf tempo 35% oder sogar 25%).
wenn das absolut nicht funktioniert, konzentrier dich dann bitte zuerst auf das raushören einzelner noten indem du die einzelnen noten versuchst zu singen - das wär dann eine art intervall-training, bspw. singst du dann zwei noten, dann singst du die nächste, dann verbindest du diese drei noten.
je nachdem wie gut und weit du bist, ich kann das nicht beurteilen, kann das seeehr langwierig sein.
optimal wärs, man hört sich ein kurzes motiv an, verlangsamt es, und versucht es nachzusingen.

das klavier vergisst du vorerst mal, das kommt erst nachdem du alles schön sauber intoniert singen kannst.
aufschreiben kann auch später kommen.
es kann sein dass man es nicht nachsingen kann, weil die ohren und stimme einfach noch nicht so weit sind, dann wärs zumindest gut und wichtig, dass du die noten richtig rausgehört hast.
ich hab bei meinen ersten versuchen auch nicht wirklich gesungen, singen können, sondern nur die noten rausgehört am klavier überprüft und dann notiert.
wie gesagt, optimal wär nachsingen und später dann erst ans klavier gehen/aufs notenpapier.

das prinzip dahinter ist ja einfach. du singst das nach was der joe henderson spielt, eins zu eins.
wenn man das noch nie gemacht hat, dauert das wochen und monate bis man fortschritte merkt, aber wenn du es täglich machst, wirds immer besser und du wünschst dir du hättest früher damit begonnen :)

akkorde sind noch schwerer, aber auch da, ich weiss nicht wo du stehst.
nimm einen akkord, loop in in transcribe, verlangsam das tempo, und hör die einzelnen noten raus. versuch zuerst die bassnote des klaviers rauszuhören und die topnote, also oberste note, das dazwischen machst du nachher.
wichtig ist dabei, dass du rausfindest welche akkordqualität er da spielt. chick corea und joe henderson, da kann man sich exotischere akkorde vorstellen, ist also für den anfang schwer, besser wär was leichteres. aber ich hab die aufnahme jetzt noch nicht genau angehört und was akkorde raushören betrifft, da fehlts bei mir auch noch an übung.
wenn du den willen aufbringst und den ehrgeiz, dir zu sagen, ich will jetzt diesen einen beschissenen akkord da raushören, dann schaffst du das auch, und wenn nicht, hats dir trotzdem mittel und langfristig sehr viel gebracht weil sich deine ohren automatisch verbessern. ich bin teilweise über mehrere tage hinweg an ein paar akkorden gesessen. wenn man ihn wirklich "fischen" will, machts dir auch nix aus, mal eine halbe stunde oder sogar stunde an ein zwei oder drei akkorden zu sitzen

wenn du damit wirklich weiterkommen willst, musst du dir aber darüber im klaren sein dass du einen teil deiner übezeit die du normal am klavier verbringst, abzwicken musst. ich hab teilweise 50% meiner übezeit mit transkription verbracht.
 
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Danke, für deine Antwort!
 
Hi,

@adatschio: Tolle Beschreibung und klasse, dass du beschreibst, wie mühsam das Transkribieren ist.
Mir ging es in den Anfängen genauso. Meistens liest man ja von Leuten, die das schon perfekt können (und vergessen haben, dass sie es auch erst gelernt haben) und dann wundert man sich, warum man das selber nicht hinkriegt.

Prinzipiell würde ich noch sagen, dass man auch erstmal systematischer vorgehen kann. Also mit einfacheren Dingen/Stücken beginnen und dann steigern. Allerdings kenne ich das, dass man von einem bestimmten Stück begeistert ist und das dann unbedingt raushören will. Da ist dann die Motivation sehr hoch.

Zum systematischen Üben kann man auch sehr gut Gehörbildungs-Programme benutzen. Mit denen kann man zB mit leichten (kurzen) Melodie-Diktaten beginnen. Mittels MIDI kann man das auch durch verschiedene Instrumente/Klänge spielen lassen. Das sorgt für Unabhängigkeit vom Klavierklang. Gut ist jedenfalls wenn man versucht möglichst gleich grössere Phrasen, statt einzelne Töne zu erkennen. Mit dem Singen hab ich's nicht so. Man kann die vorgespielten Melodien auch gleich auf dem Instrument nachspielen.

Das Transcribe-Programm ist auf alle Fälle sehr gut geeignet, das mit echten Stücken zu machen.

Bei den Akkorden würde ich auch erstmal mit den Grundlagen beginnen. Also zB zuerst in verschiedenen Lagen/Voicings lernen ob Moll- oder Dur-Akkord oder welche Zusatztöne (7, 9, etc.) drin sind.

Bei den Akkorden gibt es, glaube ich, 2 unterschiedliche Erkennungs-Ansätze:
1.) Man hört den Akkord als ein Klanggebilde (wie eine Farbe) und erkennt anhand seiner Klangeigenschaften seine Akkord-Qualitäten.
2.) Man trennt den Klang gedanklich in einzelne Töne, erkennt dann jeden einzelnen Ton und baut daraus den Akkord wieder auf.

Je nach Situation ist die eine oder andere Methode besser.

Gruß
 
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ja, das singen. ich singe gerne und man entwickelt dann spezifischere methoden die für einen selbst funktionieren. ich finde ja, dass das transkribieren eine relativ persönliche sache ist, das eigentlich obwohl man nix anderes macht als kopiert.

was mir bei den akkorden in letzter zeit geholfen hat, ist wenn man von der bassnote (am besten auf den bass hören) einen akkord arpeggiert raufsingt. da rastet dann oft ein klang ein, also wenn der klavierist einen akkord mit großer terz spielt, dann lässt sich für mich schwer ein mollarpeggio raufsingen oder raushören.
 
Vielen Dank für das Mitteilen eurer Erfahrungen, adatschio und Bachopin!

Eine Frage hätte ich nur an adatschio:
Ich hab mir das Programm Transcribe! heruntergeladen (und herzhaft bei der Veränderung der Tonlagen und der Geschwindigkeit gelacht, als ich mir einen wissenschaftlichen Text zu Gemüte geführt habe), das Problem bei dem Programm scheint nur zu sein, dass es nur 31 Tage genutzt werden kann? Das steht zumindest da, sobald man es installiert hat.
Was mache ich nach den 31 Tagen? Erneut herunterladen, was wahrscheinlich nicht funktionieren dürfte?!

MfG Thomas
 
amazing slow downer geht auch noch.

da gehts nach ablauf der probezeit weiter, is aber eine begrenzung von beginn weg eine zeitliche begrenzung drin.

dagegen kannst folgendes tun:

das stück mit bspw audacity verlängern - indem man bspw das ganze stück kopiert und am ende nochmal dranhängt sodass sich die länge verdoppelt, dann nutzt man in amazing slow downer die volle zeitliche begrenzung aus.
oder es so schneiden, dass man die meist spezifische stelle ganz drin hat, wenn das gewünschte solo bspw irgendwo in der mitte ist.
bisl kreativ sein.

ich wusste gar nicht dass man in audacity dinge verlangsamen kann.

was noch gesagt werden kann ist, dass man in amazing slow downer die möglichkeit hat die tonart zu verändern wenn man es transponieren will.
 
Hi,

eine echte freie Alternative ist das Programm BestPractice. Es ist dem Transcribe sehr ähnlich. Leider wird es nicht mehr weiter gepflegt. Siehe hier:
BestPractice, an open-source audio time-stretching tool for Windows

Für grosse Transkribtions-Projekte (ganze Stücke) ist auch Cubase sehr gut geeignet. Damit hatte ich schon einen Bläser-Marsch transkribiert. Das gute ist, man kann aufgrund der Tempospur- und Hitpoint-Technologie von Cubase komplett im musikalischen Raum von Takten und Beats des Stücks arbeiten, auch mit einer reinen Audio-Aufnahme. Das heisst man kann sich zB bestimmte Takte oder Beats des Stückes raussuchen, sich auf die konzentrieren und die wiederholen und/oder verlangsamen. Man kann dann auch die erkannten Teile als Midispur parallel zur Audio-Aufnahme abspielen und damit sehr gut das Ergebnis kontrollieren.

Das Non-Plus-Ultra fürs Transkribieren müsste eigentlich der Melodyne Editor sein:
celemony_ :: Melodyne editor

Dieses Programm erkennt auch in komplexen polyphonen Stücken die einzelnen Stimmen und stellt sie als Noteninformation dar. Ich wollte dieses Programm immer schon mal praktisch ausprobieren und wäre an Erfahrung damit von anderen sehr interessiert.
Man kann sogar nach der Erkennung einzelne Noten in der polyphonen Audio-Aufnahme zB in der Tonhöhe verändern und zB aus einem Dur- ein Moll-Stück machen. Die Zeitschrift Keys hat das einmal für eine Klavieraufnahme getestet und es hat laut deren Bericht funktioniert. Wahnsinn!

Gruß
 
ja, tolle Programme, das klappt aber trotzdem nicht einfach so:



sieht so einfach aus ;-) Einfach super! :-) aber die Haltung am Flügel muss doch auch jemand kritisieren... und die Finger ... tze :D
Ich glaube es liegt daran, dass ich keinen Bassisten und Schlagzeuger neben dem Klavier stehen habe. Welche andere Erklärung soll es bitte sonst noch geben...
 
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aber die Haltung am Flügel muss doch auch jemand kritisieren... und die Finger ... tze :D

Nö, warum?

Hier musiziert jemand auf allerhöchstem Niveau, nur eine Handvoll Jazzpianisten kann (konnte) überhaupt so hart swingen wie Monty.

Das einzige, was auffällt, ist, daß Monty sein Gesicht unnötig anspannt, hier sind Lockerheitsreserven vorhanden.

Wie man völlig relaxt und dabei supervirtuos spielt, hat Oscar Peterson musterhaft gezeigt.

LG,
Hasenbein
 
Es war nur eine kleine Anspielung auf einen Thread im Beginner-Unterforum, in dem gefragt wurde mit welchem Winkel die Finger auf die Tasten treffen sollen.

Falls es jemanden interessiert, es sind immer noch 23,44° !
 
hasenbein,

kann es sein, dass du einen sehr klassischen, sozusagen prä-bop, begriff von swing hast?
 
Hä? Was isn das für ne Frage?

Es gibt nun mal Pianisten, die swingen eher sanft (Hank Jones, Fred Hersch...), welche, die auf ganz eigenartige Weise swingen (Monk, Cecil Taylor...), welche, die gar nicht swingen (Willi K. aus Kleinkleckersdorf)... jeder hat seine eigene Art zu swingen.

Aber ein paar gibt es, die swingen HART, da ist einfach die unfaßbare Drive-Energie am Start. Oscar Peterson, Monty Alexander, Kenny Kirkland, Benny Green, Joey Calderazzo, Wynton Kelly...

Das hat mit ner bestimmten Stilistik oder einer bestimmten Epoche herzlich wenig zu tun. Und auch nicht mit einer Präferenz, daß das eine "besser" oder das andere "schlechter" sei.

LG,
Hasenbein
 
das war nicht als angriff gemeint.

trotzdem werd ich jetz persönlich: )

du präferierst schon leute die eher hart swingen?
die frage ist natürlich nicht auf besser oder schlechter bezogen.
ich intressier mich nur für dr hasenbein, ich les nämlich gern deine beiträge und würd gern wissen welche jazz pianisten dir so gefallen.

lg
 
neues von der front

ich hab jetzt die letzten wochen mehr oder weniger täglich ~15min changes versucht rauszuhören.

d.h. ich pickte mir eine aufnahme eines standards raus den ich lernen wollte (z.b. green dolphin street) und hab da zuerst auf die basslinie geachtet - notiert/gesungen/am klavier überprüft, die reihenfolge war immer höchst unterschiedlich.
anfangs wars schwer da ich dem bass nie so richtig zugehört hatte. das tempo is ja nicht das problem, eher schon diese teilweise sehr tiefen frequenzen bzw. nicht so optimalen aufnahmequalitäten, also dieser mix.
der clou an der sache: anfänglich, bei der vorstellung des themas durch den solisten/das ensemble, spielt der bass auf schlag 1 eines taktes fast immer den grundton (oder max. die 5, also quinte) des jeweiligen akkordes. das einzige problem das ich hatte, und noch immer hab, sind diese verflixten halbtaktigen wechsel, wenn denn welche vorkommen. teilweise gehts schon, teilweise eben nicht.
ich hab das allerdings nicht selbst rausgefunden muss ich sagen, das mit dem "auf schlag 1 kommt beim vorstellen des themas der grundton(quinte)", sondern hab das zufällig wo nachgelesen.

akkordqualitäten kann man auch raushören, erfordert aber ein bisschen genauers analysieren, d.h. welche töne spielt er noch ausser dem grundton/der quinte in dem jeweiligen takt, oder indem man einen zusätzlichen chorus raushört (und dann noch einen, und noch..), denn der bass spielt ja - vereinfacht ausgedrückt - die changes aus

ich geh aber zu guter letzt immer zum dazugehörigen leadsheet und überprüfe. manchmal lieg ich falsch, manchmal das leadsheet -- was manchmal an der band selbst liegt, die andere oder reharmonisierte changes verwendet. oder an demjenigen der die transkription angefertigt hat.
 
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Hi adatschio,

genau auch meine Erfahrung.

Mit der Basslinie, zB auch nur vereinfacht, nur auf der 1, anzufangen ist immer gut. Dadurch werden die Gruntöne/Akkorde schnell klar.

Auch bei halbtaktigen oder 1/4 taktigen Wechsel (bei Standards) wird der Bass mit hoher Wahrscheinlichkeit in dieser Reihenfolge entweder Grundton, Quinte, Terz, Septime spielen. Ausser es sind chromatische Übergangs/Annäherungstöne an den nächsten Akkord (wieder an Grunton, Quinte, Terz) dabei, was auch nicht unwahrscheinlich ist.

Bei den Akkordqualitäten/Optionstöne ist meine Methode, wenn der Grundakkord schon bekannt ist, was ja nicht so schwierig ist, einfach in einer Wiederholschleife, die verschiedenen möglichen Optionstöne (b/maj7, b/#9, b/#13) ausprobieren und zur Aufnahme dazu spielen. Man merkt dabei schnell welche Töne passen und welche sehr dissonant sind.

So kann man übrigens auch, wenn's mal schwierig ist, Dur oder Moll erkennen. Einfach nur die grosse oder kleine Terz dazu spielen. Man wird schnell hören was passt. ;-)
Ausser es ist ein offener, unbestimmter Akkordgeschlechtteil (nur 5, sus4 ...). Aber auch das sollte man dann hören.

Gruß
 
ich finde dazu den amazing slow downer auch klasse, das teil wird auch vom algorithmus her immer besser. bei mir läufts auf nem ipod touch, echt praktisch beim üben. damit konnte ich sogar birds berüchtigten night in tunisia break note für note raushören (der wahnsinn, wie genau das gespielt ist, merkt man erst bei halbem tempo). nur leider nocht nicht im originaltempo nachspielen (-8=

basstöne und changes find ich bei alten aufnahmen aus der bebop zeit auch echt schwierig, der equalizer kann da ein bisschen helfen.
 

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