Empfundene Tonhöhe abhängig von der Lautstärke?

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17. Aug. 2009
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Hallo,

Ich habe seit langer Zeit eine Beobachtung gemacht, die einige von euch vielleicht auch kennen: ein Ton hört sich tiefer an, wenn er laut (also wirklich laut) auf's Ohr trifft.

Am Beispiel der Stimmgabel: wenn ich sie leise antippe und ein Stück weit vom Ohr halte, oder wenn ich den Stiel der schwingenden Stimmgabel auf meinen Wangenknochen drücke, höre ich mein altbekanntes a'. Wenn ich sie aber stark anschlage und dann unmittelbar ans Ohr halte, oder wenn ich den Stiel der schwingenden Stimmgabel auf den Knorpel des Ohres halte und den Gehörkanal so verschließe (Achtung beim Nachahmen: sehr laut!), dann nehme ich ein "pitch bend" wahr. Manchmal empfinde ich sogar zusätzlich noch andere Töne nebenher, z.B. ca. ein f'. Je nach Lautstärke zieht sich das "pitch bend" schätzungsweise bis zu einem Viertelton hinunter.

Vermutlich liegt das an der Anatomie des Ohres... Denn wirklich verändern tut sich die Tonhöhe ja nicht. Ich vermute, es kommen im Innenohr bei solch starken Schwingungen auch die benachbarten Häärchen in Resonanz, so dass das Gehirn einen etwas tieferen Ton registriert.

Meine Frage ist nun: wann nehme ich die "richtige" Tonhöhe wahr? Etwa nur bei einem unendlich leisen Ton? ;)

Eher praktisch gefragt: wie sollte man am sinnvollsten seine Stimmgabel belauschen?

Gut gestimmten Gruß,
Mark
 
In der Tat verändert sich die Tonhöhe der Stimmgabel. Das liegt einfach an der Verformung beim Schwingen. Die Tonhöhe pendelt sich aber nach kurzer Zeit ein, und das ist dann korrekt. Wenn die Gabel sich nicht einpendelt, ist sie einfach schlecht.

Wenn du die Stimmgabel sehr schnell an dein Ohr bewegst, hörst du außerdem einen Dopplereffekt, aber das könnte sehr gefährlich sein, es muß nämlich außerordentlich schnell sein.
 
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Hallo Guendola,

Du hast mich missverstanden. Ich rede weder von dem eigentlichen Ton, der bei starkem Anschlag etwas anders ist und sich dann einpendelt, noch rede ich vom Dopplereffekt (wobei der Ton dann höher werden müsste, wenn ich die Gabel zum Ohr hinbewege!)

Der Effekt, den ich beobachte, tritt auch ein, nachdem die Tonhöhe der Stimmgabel sich schon längst stabilisiert hat. Halte ich sie ca. 5 bis 10 cm vom Ohr entfernt, so ist der Ton ganz normal und stabil. Bewege ich sie nun direkt ans Ohr, oder verschließe das Ohr und drücke den Stiel auf den Ohrknorpel, so geht der wahrgenommene Ton runter. Wenn ich die Gabel wieder wegnehme, ist der Ton wieder der originale.

Die Gabel kann ja nichts davon "wissen", wie weit sie von meinem Ohr entfernt ist. Daher muss der Effekt im Ohr selber liegen, nicht an der Gabel.

Der Dopplereffekt kommt garantiert nicht in Frage. Während ich den Effekt (tieferen Ton) beobachte, ist die Gabel im konstanten Abstand zu meinem Ohr.

Ich werde mal sehen, ob ich im Netz etwas dazu finden kann.

Ciao,
Mark
 
Hallo,

Ich habe jetzt etwas nachgelesen. Das von mir beschriebene Phänomen ist bekannt und fällt in den Bereich der sog. Psycho-Akkustik, also die Wahrnehmung von Klängen.

Bei Frequenzen unter ca. 2 kHz empfindet das menschliche Ohr mit zunehmender Lautstärke (aber gleichbleibender Frequenz!) einen immer tiefer werdenden Ton. Bei Frequenzen oberhalb 2 kHz empfindet es mit zunehmender Lautstärke (aber gleichbleibender Frequenz!) einen höher werdenden Ton.

Es handelt sich hier um empfundene Verschiebungen von bis zu 30 Cents, wenn der Schalldruck von 60 auf 90 dB erhöht wird.

Siehe z.B. hier (englische Seite) :
http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/hbase/sound/pitch.html

Effect of Loudness Changes on Perceived Pitch

A high pitch (>2kHz) will be perceived to be getting higher if its loudness is increased, whereas a low pitch (<2kHz) will be perceived to be going lower with increased loudness. Sometimes called "Stevens's rule" after an early investigator, this psychoacoustic effect has been extensively investigated.

With an increase of sound intensity from 60 to 90 decibels, Terhardt * found that the pitch of a 6kHz pure tone was perceived to rise over 30 cents. A 200 Hz tone was found to drop about 20 cents in perceived pitch over the same intensity change.

Studies with the sounds of musical instruments show less perceived pitch change with increasing intensity. Rossing ** reports a perceived pitch change of around 17 cents for a change from 65 dB to 95 dB. This perceived change can be upward or downward, depending upon which harmonics are predominant. For example, if the majority of the intensity comes from harmonics which are above 2 kHz, the perceived pitch shift will be upward.

* Terhardt, E., "Calculating Virtual Pitch", Hearing Research 1, 155 (1979)
** Rossing, Thomas D., The Science of Sound 2nd Ed, Addison-Wesley 1990, Chapter 7

Ein anderes Beispiel für Psycho-Akkustik ist das sog. "missing fundamental" (abwesender Grundton), wo das menschliche Ohr/Gehirn in eine Mischung von Obertönen den (abwesenden!) Grundton hinein-interpretiert. Dies Phänomen wird beim Telefon verwendet. Das Telefon ist eigentlich gar nicht in der Lage, Frequenzen unter 300 Hz zu übertragen. Der Grundton eine Männerstimme wird also nicht übertragen, sondern im Ohr/Gehirn aus den Obertönen "rekonstruiert".

Man unterscheidet in der Psycho-Akkustik zwischen den physikalischen Eigenschaften eines Klanges und den empfundenen Eigenschaften:
(1) Frequenz vs. Tonhöhe
(2) Amplitude/Intensität/Schalldruck (dB) vs. Lautstärke (Phon)
(3) Frequenzspektrum vs. Timbre
(4) Frequenzdauer vs. Tonlänge

Zu (2): das Verhältnis ist nicht konstant, sondern hängt von der Frequenz ab:
400px-Lindos1.svg.png

(Quelle Wikipedia, "Equal-loudness contour")

Weitere Quelle:
Harvey Fletcher - Loudness, pitch and the timbre of musical tones and their relation to the intensity, the frequency and the overtone structure, Journal of the Acoustic Society of America, 6 (2) (1934), 59-69.

Also, ich find's faszinierend... Sehe schon meinen nächsten Bücherkauf.

Und ich bin beruhigt, dass mir mein Ohr hier nichts Abnormales vormacht.;)

Ciao,
Mark
 
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Oh, das ist mir neu. Ich kannte nur den "Einpendeleffekt" bei Stimmgabeln.

Hat man das so zu verstehen, daß Schwingungen mit 2khz am wenigsten in der empfundenen Lautstärke zunehmen, sodaß bei einem "tieferen" Spektrum der Anteil an den langsameren und bei einem "höhreren" der Anteil an den schnelleren Frequenzen deutlicher wahrgenommen wird und im Resultat ein tieferer bzw. höherer Grundton empfunden wird?

Sinusschwingungen müßten dann gleichmäßig sein und die Grenzfrequenz von 2 Khz könnte von der Konstruktion des Ohrs abhängig sein.

Der Dopplereffekt war nur ein Scherz :D

Aber angesichts dieses Effektes müßte man die Stimmgabel mit dem gleichen Abstand hören, den man zu dem stimmenden Instrument hat.
 
Hat man das so zu verstehen, daß Schwingungen mit 2khz am wenigsten in der empfundenen Lautstärke zunehmen, sodaß bei einem "tieferen" Spektrum der Anteil an den langsameren und bei einem "höhreren" der Anteil an den schnelleren Frequenzen deutlicher wahrgenommen wird und im Resultat ein tieferer bzw. höherer Grundton empfunden wird?

Hmmm, ich muss zugeben, dass ich deine Fragestellung jetzt nicht ganz verstehe. Fakt ist aber, dass das Ohr um ca. 2 kHz am empfindlichsten ist, sprich, dass die empfundene Lautstärke (Phon) für einen gewissen Schalldruck (dB) bei 2 bis 3 kHz am höchsten ist. Bei 50 dB Schalldruck, z.B., empfindet das Ohr einen 100 Hz Ton mit ca. 20 Phon, aber einen 3 kHz Ton schon mit ca. 50 Phon.

WIE es nun genau dazu kommt, dass sich die wahrgenommene Frequenz bei ansteigender Lautstärke / Schalldruck ändert, dazu steht in den obigen Quellen nichts direktes. Denn sie reden ja nur über wahrgenommene Lautstärke.

Aah, ich glaube, ich verstehe deine Frage. Bei 2 bis 3 kHz liegt das komplette wahrnehmbare Lautstärkespektrum (0 bis 100 Phon) über ca. 105 dB Schalldruck verteilt. Bei 100 Hz, dahingegen, liegt es über nur ca. 80 dB verteilt. Einen gewissen Anstieg im Schalldruck (z.B. +20 dB) nimmt das Ohr also im Bereich 2 bis 3 kHz am wenigsten wahr.

Insofern könnte deine Antwort tatsächlich ein Hinweis sein, wenn es sich um ein breites Spektrum von Frequenzen handelt.

Nur: das erklärt noch immer nicht, warum selbst ein reiner (Sinus-) Ton von z.B. 200 Hz sich bei 90 dB TIEFER anhört als bei 60 dB. Der hat ja gar keine hochfrequenten und niederfrequenten Anteile!

Und das war ja sozusagen meine Eingangsfrage - hier eben etwas präzisiert.

Aber angesichts dieses Effektes müßte man die Stimmgabel mit dem gleichen Abstand hören, den man zu dem stimmenden Instrument hat.

Nein, nicht mit dem gleichen Abstand, sondern mit dem gleichen Schalldruck / Lautstärke!

[Scherzmodus ein]
Dann muss ich also mein Klavier vor der Fortissimopassage erstmal hochstimmen, weil es sich im ff tiefer anhört. :rolleyes:
[Scherzmodus aus]

Ciao,
Mark
 
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Hallo Guendola,

Du hast mich missverstanden. Ich rede weder von dem eigentlichen Ton, der bei starkem Anschlag etwas anders ist und sich dann einpendelt, noch rede ich vom Dopplereffekt (wobei der Ton dann höher werden müsste, wenn ich die Gabel zum Ohr hinbewege!)

Der Effekt, den ich beobachte, tritt auch ein, nachdem die Tonhöhe der Stimmgabel sich schon längst stabilisiert hat. Halte ich sie ca. 5 bis 10 cm vom Ohr entfernt, so ist der Ton ganz normal und stabil. Bewege ich sie nun direkt ans Ohr, oder verschließe das Ohr und drücke den Stiel auf den Ohrknorpel, so geht der wahrgenommene Ton runter. Wenn ich die Gabel wieder wegnehme, ist der Ton wieder der originale.

Die Gabel kann ja nichts davon "wissen", wie weit sie von meinem Ohr entfernt ist. Daher muss der Effekt im Ohr selber liegen, nicht an der Gabel.

Der Dopplereffekt kommt garantiert nicht in Frage. Während ich den Effekt (tieferen Ton) beobachte, ist die Gabel im konstanten Abstand zu meinem Ohr.

Ich werde mal sehen, ob ich im Netz etwas dazu finden kann.

Ciao,
Mark


Ich höre das auch so wie Klimperer. Es handelt sich um einen Bruchteil eines Halbtones.
 
Gauf,

ich habe jetzt flüchtig reingelesen.
Begriffen nix, oder so.
Morgen, wenn der Geist frisch ist, versuche ich zu verstehen.
Heute frage ich, "was habt ihr denn getrunken?"

Gauf! :017:
 

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