Effizientes Üben leichterer Stücke

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Anton75

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5. Sep. 2021
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Liebe Forumsmitglieder,

sobald man ein gewisses technisches Niveau erreicht hat, gibt es ja eine Menge an lohnender Literatur, die technisch keine echte Herausforderung mehr darstellt. Das wäre z.B. leichtere/mittlere barocke oder klassische Klavier- oder Kammermusik, Klavierbegleitungen usw. Oft ist es dann so, dass einige Passagen vom Blatt gespielt werden können, andere aber doch einer gewissen Vorbereitung und Übung bedürfen. Ich denke z.B. an die Situation, dass man sich mit Freunden ein Kammermusikstück heraussucht, sich das einen Nachmittag anschaut, um dann gemeinsam proben zu können. Es geht also um den Bereich zwischem "vom Blatt spielen können" und "einstudieren müssen".

Mich würden Eure Erfahrungen und Erkenntnisse dazu interessieren:

* Welche Musik ist in dieser Hinsicht besonders leicht oder schwer, und woran merkt man, dass sie für einen geeignet ist?
* Welche Strategien gibt es, sich leichtere Stücke zügig anzueignen?
* Welche pianistischen Fähigkeiten sind hierfür als Grundlage besonders hilfreich und wie kann man seine Fähigkeiten in diesem Bereich systematisch verbessern?
 
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Das ist eine spannende Frage. Wenn Du bereits auf einer Probe bist und Dir gemeinsam mit anderen ein Werk der Kammermusik erarbeiten möchtest, wirst Du kaum Zeit haben, einzelne Passagen zu üben. Meines Erachtens ist für solch eine Situation das Blattspiel entscheidender als Übestrategien, welche ja Zeit und Ruhe erfordern.

Zur 1. Frage: Natürlich kann man das nicht pauschal beantworten, da jedes Werk seine ganz individuellen Schwierigkeiten hat. In der Romantik gibt es natürlich die Tendenz, dass in der Kammermusik das Klavier immer stärker als gleichberechtigter Partner zu den 'Soloinstrumenten' auftritt. Das kann so weit führen, dass das Soloinstrument eine wunderbar gesangliche Melodie hat, während das Klavier "Sechzehntelstürme" für die Atmosphäre entfachen muss.
Im Barock haben wir häufig die Situation, dass das Klavier als basso continuo dem Soloinstrument untergeordnet ist. Die Klavierstimme besteht dann vor allem aus einer harmonischen Begleitung (linke Hand = Bass, rechte Hand = Akkorde). (Natürlich gibt es auch hier ebensoviele Ausnahmen!)

Zur 2. und 3. Frage: Diese Fragen hängen miteinander zusammen. Für das Blattspiel sind 'internalisierte Vokabeln' sehr wichtig. Das sind musikalische Bausteine, die Du bereits abgespeichert hast und auf die Du beim Blattspiel zugreifen kannst. Dazu gehören z.B.:
1. Tonarten und Tonleitern: Für das Blattspiel ist eine absolute Sicherheit in den Tonarten wichtig. 2# sollten Dich ebensowenig herausfordern wie 5b. Tonleitern vergängenwärtigen einem sehr gut den Tonvorrat. Wenn Du die Tonleiter des gesamten Quintenzirkel sicher beherrschst, fällt Dir irgendwann nicht mehr ein, in As-Dur ein D zu spielen (es sei denn, es steht dort ein Auflösungszeichen.) Außerdem kannst Du Tonleitern für Läufe sehr gut nutzen.
2. Akkorde: Wenn Du mit der Theorie der Akkorde und Akkordumkehrungen vertraut bist und diese in allen Tonarten sicher spielen kannst, hast Du große Vorteile beim Blattspiel. Du beginnst dann Töne zu Akkorden zu gruppieren - vielleicht ähnlich wie bei Buchstaben und Wörtern. Außerdem finden deine Finger die Akkordgriffe viel leichter.
3. Kadenzen und Sequenzen: In der Musik zwischen 1600 und 1900 spielen Kadenzen und Sequenzen eine wichtige Rolle. Beides sind gewissermaßen standardisierte Akkordverbindungen, die stückübergreifend häufig wiederkehren. Du siehst dann zum Beispiel einen Bassverlauf am Ende einer Phrase (wahrscheinlich eine Kadenz?) und kannst schon fast erraten, was die Oberstimmen machen.

Natürlich hilft Dir eine geschmeidige Technik, besser vom Blatt zu spielen. Beim Blattspiel ist musiktheoretisches Wissen sehr wichtig, denn so kannst Du mit wenigen Blicken auf das Ganze schließen. Vielleicht noch einmal der Vergleich zum Lesen: Auch hier musst Du nicht die einzelnen Buchstaben entziffern. Es reichen Dir pro Zeile vielleicht 4-5 Blicke aus und Du hast den vorliegenden Satz begriffen.

Ich hoffe, meine Antwort war hilfreich. Ansonsten stehe ich gerne für Rückfragen zur Verfügung.
 

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