Durch detailliertes Üben alles kaputt machen.

Ich denke, da merkt man auch, dass die Geisteswissenschaften viel stärker im Elfenbeinturm verhaftet sind als die Naturwissenschaften. Und es kommt vielleicht auch eine gewisse altertümliche Technikfeindlichkeit dazu

Du lieber Himmel. Sowas hätte ich jetzt von Dir nicht erwartet. Glaubst du wirklich, daß wir im Skriptorium sitzen und mit Eisengallustinte auf Folianten kritzeln? Also für jetzt ganz flott nur ein Stichwort: Digital Humanities (ja, auch dazu gibt es einen dt. WP-Artikel, der allerdings nicht gut ist). Und - laut ertönt mein wehgeschrei / denn ich fühl mich schuldenfrei / - ich habe schon Ende der 80er Jahre zusammen mit Amsterdamer Freunden ein Projekt zur (halb)automatischen morphosyntaktischen Analyse lateinischer Texte aufgebaut, und kann z.B. Dir immer noch im Schlaf ein SQL-Skript hinschreiben, an dem die Mausklicker, die heute aus EDV-Kursen hervorgehen, einen halben Tag lang mit drop und drag und ächz und stöhn herumpfuschen. Ende der Aufwallung, Grüße in Deinen Elfenbeinturm.

Friedrich
 
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Übrigens ist das Bartokzitat ohne Kontext irreführend (aber das würde jetzt zu weit wegführen)
und kann leicht mißverstanden werden, insofern ist dem Verfasser des DE-Version Artikels
in mehrfacher Hinsicht auf die Finger zu klopfen [...]

Um nur dieses Beispiel aufzugreifen: Das Bartók-Zitat gehört in den Abschnitt
"Rezeptionsgeschichte" und bedarf auch dort der Kommentierung: Es sagt wenig
über Liszt (oder auch Chopin) und viel über die Probleme des frühen Bartók aus,
der gerade dabei war, sich von Liszt als einem übermächtigen Vorbild zu lösen.
Außerdem war für Bartók in Liszt die Fehlrezeption städtischer Gebrauchsmusik
als angeblich authentisch-ungarischer Volksmusik geradezu personifiziert -
in einer Zeit, in der Kodály und er die echte Bauernmusik entdeckt hatten.
Wie soll man diesen Sachverhalt im Wikipedia-Artikel darstellen?
Entweder gar nicht - oder in dieser unerbetenen Ausführlichkeit.

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P.P.S. Nee, bei näherer Überlegung hat der Hinweis auf den Elfenbeinturm schon einen recht großen Anteil an Ernst. Die akademische Welt hat tatsächlich ein Problem der Kommunikation mit dem Rest der Gesellschaft. Das ist eben auch der Grund, warum die Fachgesellschaften immer wieder auf Öffentlichkeitsarbeit hinweisen und es auch finanzielle Förderung dafür gibt.

Liebe Nica,

aber um das Problem zu lösen, hilft doch Wikipedia nicht weiter, oder meinst du doch? Zumindest in der deutschsprachigen Version (und wer liest von der deutschen Normalbevölkerung schon die englische). Da müssen doch andere Wege gefunden werden. In der Musik sind es z.B. neue Konzepte der Konzertgestaltung/-vermittlung und die Breitenförderung. Leider qualitätsmäßig auch nicht immer mit Erfolg.

Im Kontext der Gesamtdiskussion möchte ich nochmal sagen, dass die Dummheit der Menschen für mich in solchen Dingen einfach kein Argument ist.
(......)
Aber wenn es um den Umgang mit Wissensresourcen geht, führt die Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einer Welt, die ich nicht so toll finde.

Eben deshalb finde ich WP (deutschsprachig) nicht gut. Das wäre ja dann ein kleinster gemeinsamer Nenner und das kann doch nicht sein! Viele wissen auch nicht, wie WP zustande kommt und denken, es sei ein den etablierten Lexika gleichwertiges, wenn nicht überlegenes Lexikon. Das sieht man doch auch an Dreiklang, der so gedacht hat. Das muss man m.E. aber einbeziehen, wenn man WP betrachtet und bewertet. Du sprichst von mangelnder Kommunikation. Bei guter Kommunikation muss man immer auch den Empfänger im Kopf haben.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich würde gerne nochmal auf zwei Punkte zurückkommen, die letztlich nicht geklärt wurden:

1) "In der Musik der Romantik rückt das gefühlsmäßige Empfinden des Menschen besonders in den Mittelpunkt"

2) "Musik basiert letztendlich auf Schall, den Menschen erzeugen, hören, miteinander teilen, und der sie emotional bewegt und anspricht"

Auch wenn der Begriff "Musik" schichtenweise umkleidet wird, und zurecht schließlich in anderen Kontexten gebraucht wird, wie "Die Musik des 18. Jahrhunderts", "Die Musik Beethovens", "Musik komponieren" etc.

Sind diese beiden Aussagen oben als fachlich falsch zu betrachten? Mir geht es nicht darum, daß man zur Musik der Romantik sicher ganze Bücher schreiben kann, nur um diese Kernaussage oben.
 
(1) Literatur besteht überwiegend aus Texten
(2) der Mensch ist ein Lebewesen

sind diese beiden Aussagen falsch?

;);):D:D
 
Ach Leute.

Über diejenigen, die hier Wikipedia so kritisieren, kann ich nur den Kopf schütteln.

Natürlich steht in Wikipedia - neben sehr, sehr viel Richtigem und Nützlichem - auch Bullshit. Darüber braucht man nicht zu diskutieren.

Aber:

1) findet man, so man danach sucht, selbstverständlich auch in Brockhaus, MGG etc. fragwürdige Stellen; nur sind das so dicke Wälzer, die von so wenigen gelesen werden, daß das ungleich unwahrscheinlicher ist.
Bei Wikipedia ist der Vorteil ja gerade, daß viel mehr Menschen (also auch solche, die nicht obige Printwerke besitzen oder in die Bibliothek gehen) sie lesen und somit potentiell Kontrollfunktion (und zwar zeitnah, im Unterschied zu Printwerken, die nur alle paar Jahre neu rauskommen und dann aber sicherlich aufgrund der Kosten nur von einer Handvoll Leute in der aktualisierten Version gekauft werden!) ausüben können.

2) sind das Problem nicht die Unsinnstexte im Internet, sondern die zu große Zahl von leichtgläubigen, unkritischen Menschen.

3) gibt es wesentlich bedeutendere Lügen / Falschinformationen, über die man sich aufregen sollte statt über so einen läppischen schlecht geschriebenen Wikipedia-Artikel - z.B. das, was uns Politik und Wirtschaft tagtäglich auftischen.

LG,
Hasenbein
 
Ganz allgemein in Bezug auf die laufende Diskussion, möchte ich ebenfalls gerne nochmal betonen: beim Arbeiten mit Information, gleichwelcher Art, und aus welcher Quelle, muß man immer seinen Verstand, sein Wissen und seine Erfahrung einsetzen.

Umgang, Verarbeitung, Nutzung, Extraktion und Darstellung von Information sind keine einfachen Dinge.

Aber, ich freue mich, daß außer Schlagworten wie "Wikipedia ist Schrott", oder auch dem Gegenteil "WP ist klasse" (von mir dereinst vertreten), jetzt einmal in Sachen Musik und Linguistik, und Neurowissenschaften detailiertere Aussagen getroffen wurden.

Wir stellen fest, daß bei fachspezifischen Themen die englische WP weit besser abschneidet.

Was wir noch gar nicht untersucht haben, ist, ob WP als "Lexikon für jedermann" tauglich ist, wenigstens als guter Sitchwortlieferant. Dieser Aufgabe gingen bisher mehrere Studien nach, mit durchweg positiven Ergebnissen.
 
Lieber Dreiklang,

(1) im Generalbaßzeitalter (vulgo: Barock) ist "das gefühlsmäßige Empfinden des Menschen
besonders in den Mittelpunkt" gerückt, um Deine Formulierung aufzugreifen - das war
zwei Stilepochen früher.

In der Romantik - wenn man versuchen will, das in wenigen Worten zu umreißen -
ging es um etwas ganz anderes: um einen Versuch, nachdem sich die Vernunftidee
(zumindest in der Wahrnehmung diesseits des Rheins) durch die Greuel der französischen
Revolution kompromittiert hatte, eine die Vernunft übersteigende Gegenwelt
aufzubauen, womit die Schönen Künste in direkte Konkurrenz zur Religion traten.
Bei der Intensivierung des Ausdrucks ging es also um viel mehr als nur darum,
Affekte nacherlebbar zu machen, wie es im Barock die Aufgabe von Madrigal und Oper
gewesen ist.

(2) Ein Notentext ist nicht an seine Realisierung gebunden, um als etwas sinnvoll Gestaltetes
wahrgenommen zu werden (dazu reicht die Lektüre). Also ist der Notentext die Musik,
seine Realisierung eine ihrer möglichen akustischen Vergegenwärtigungen.

Handgranate,

Gomez

.
 
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(1) Literatur besteht überwiegend aus Texten

Das würde ich so sagen, ja. Allerdings sind wir hier in einem Klavierforum, wo wir auch gern mal von "schwieriger Literatur" im Sinne von Partituren sprechen.


Uneingeschränkt richtig.


Ich würde sagen, sie sind zutreffend ;)

(zu 2) könnte man noch anfügen, daß in gewissen Filmen über Zombies oder Vampire der Mensch ein Zwischenstadium zwischen belebter und toter Materie einnimmt ;) )
 
ob sie aber auch ausreichend sind?
...abgesehen von Bildern besteht die Bildzeitung ebenfalls überwiegend aus Texten, und das sture Panzernashorn ist auch ein Lebewesen... :D

also Weisheiten wie Musik ist Schall erklären zunächst mal ebenso viel oder wenig, wie die zugegebenermaßen satirischen beiden Beispielsätze ;):D
 
Das ist übrigens keine Glaubensfrage! Die Qualität der wissenschaftlichen Artikel der englischsprachigen Wikipedia zeigt, dass es funktioniert.
...würde es überall so funktionieren, gäbe es keine Witzeleien über Tante Wiki ;);)

bzgl. der engl.spr. Wikipedia: besteht die nur und ausschließlich aus wissenschaftlichen Artikeln?
 
Lieber Gomez,

Lieber Dreiklang,

(1) im Generalbaßzeitalter (vulgo: Barock) ist "das gefühlsmäßige Empfinden des Menschen (...)

vielen Dank. Trotzdem: hoffentlich kann ich sehr schnell die gedankliche Assoziation "Guillotine, rollende Köpfe" etc., mit meinen Lieblings-Klavierkonzerten, wieder verdrängen...

(2) Ein Notentext ist nicht an seine Realisierung gebunden, um als etwas sinnvoll Gestaltetes wahrgenommen zu werden (dazu reicht die Lektüre). Also ist der Notentext die Musik, seine Realisierung eine ihrer möglichen akustischen Vergegenwärtigungen.

Dem stimme ich zu. Dennoch fühle ich mich persönlich damit etwas unwohl, in "Papier" "Musik" im eigentlichen Sinne zu sehen. Auch wenn jemand unter der Dusche eine Arie schmettert, Straßenmusiker, an denen man vorbeigeht, das, was in Discos passiert, das, was man in Filmen zuweilen hören kann, all das ist "Musik", so wie ich diesen Begriff in der Welt verstehen würde. Etwas "vor allem akustisch Orientiertes und Wahrnehmbares".

Es entsteht kein Schaden, wenn ich persönlich wohl lieber von "Partitur" als von "Musik" sprechen werde. Selbst der Begriff "Komposition" ist m.E. zweideutig: es gibt Kompositionen, die diesen Namen verdienen, und nicht als Partitur vorliegen.

Herzliche Grüße.
 
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ob sie aber auch ausreichend sind?
...abgesehen von Bildern besteht die Bildzeitung ebenfalls überwiegend aus Texten, und das sture Panzernashorn ist auch ein Lebewesen... :D

also Weisheiten wie Musik ist Schall erklären zunächst mal ebenso viel oder wenig, wie die zugegebenermaßen satirischen beiden Beispielsätze ;):D

Das ist richtig, und ein Grundproblem der Simplifikation: sie läßt Aspekte weg, und reduziert auf einen "möglichst gut passenden" allgemeinen Kern.

Das ist ebenso ein Grundproblem der Kommunikation: sich einerseits kurz fassen, andererseits möglichst gut das erklären, was man meint.

Je nach Anforderung und Intention, gilt es immer, ein Gleichgewicht zwischen Ausführlichkeit und Prägnanz zu finden.
 
.bzgl. der engl.spr. Wikipedia: besteht die nur und ausschließlich aus wissenschaftlichen Artikeln?

rolf, zum Glück trifft das weder auf die englische noch die deutsche WP zu. Auch wenn das wenig schmeichelhaft ist: in meiner Jugend habe ich gern Micky-Maus Lustige Taschenbücher gelesen. Und irgendwann habe ich im deutschen WP mal nachgelesen, über alle Figuren, deren Verwandtschaftsbeziehungen, Geschichte usf.

So etwas ist lustig und kurzweilig, bisweilen. Ich empfinde es als "Infotainment".

Und laßt uns bitte eines nicht vergessen: zuviel Information ist ein eher nachrangiges Problem in der Welt.

Problematisch wirds doch, wenn Information beschnitten wird, oder einfach nicht abrufbar ist bzw. nicht zur Verfügung steht - Beispiele in der Welt dafür gibt es zuhauf, ich nenne jetzt keine.

WP ermöglicht mir ein "Zappen" durch die verschiedensten wissenschaftlichen Bereiche, bequem, und schnell. Man lernt hier und da etwas hinzu, das eine oder andere bleibt hängen, interessant und amüsant ist es allemal. Und: nicht jedes Wort in Wikipedia ist grober Unfug und Unsinn.
 
Das ist übrigens keine Glaubensfrage! Die Qualität der wissenschaftlichen Artikel der englischsprachigen Wikipedia zeigt, dass es funktioniert. Wikipedia ist für viele Leute der erste Anlaufpunkt bei der Annährung an ein unbekanntes Thema. Es ist nicht die einzige Ressource und soll das auch nicht sein. Aber eines der Ziele von Öffentlichkeitsarbeit ist es, möglichst viele Menschen zu erreichen, und da ist Wikipedia unschlagbar.

Liebe Nica,

ich verstehe aber eines nicht: worüber wir gerade reden, ist doch dieses Problem:

Die akademische Welt hat tatsächlich ein Problem der Kommunikation mit dem Rest der Gesellschaft.

Nun meinst du, dass WP (englischspr.) dieses Problem löse bzw. zur Lösung sinnvoll sei. WP ist demnach ein Ort, an dem Fachleute und Laien aufeinander treffen und so die akademische Welt Laien zugänglich gemacht wird, oder?

Was ich nicht verstehe, ist, warum dann nicht die akademische Welt ein kostenloses Online-Portal schafft, wo nur Fachleute Artikel schreiben dürfen und mit ihrem Namen öffentlich genannt werden. So könnte Wissen allen zugänglich gemacht werden, die Qualität wäre wirklich professionell und eine Verbesserung und die damit verbundenen Grabenkämpfe, die Gomez erwähnte, nicht mehr nötig. Warum also nicht gleich professionell?

Liebe Grüße

chiarina
 
Und laßt uns bitte eines nicht vergessen: zuviel Information ist ein eher nachrangiges Problem in der Welt.

Lieber Dreiklang

Überfluss an Information finde ich problematisch, sofern sie aus Rohdaten besteht, deren Wert ich nicht beurteilen kann.
Erst aus zuverlässig- und von der Intention und Qualifikation einschätzbar verdichteten Rohdaten wird Wissen.
Und erst aus aus Wissen, Erfahrung und ständiger Reflexion wird persönliche Bildung.

... aber insofern gebe ich dir recht:
Mangel an Bildung ist problematischer als das Überangebot an Information.:D


Lieber Gruß, NewOldie
 
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