Dokumentiert ihr eure Fehler / Übungen zu den Stücken?

  • Ersteller des Themas Gast14130
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Was das Dokumentieren angeht: ich mache inzwischen sehr ausführliche Listen mit den Dingen, die es zu verbessern gibt. Ich verstehe nicht, warum oben davon abgeraten wird. Für mich ist es absolut notwendig, zu wissen, welche Probleme ich genau anpacken und abarbeiten muss. Das ist nicht nur effektiv (man übt genau das Problem und nicht irgendwie drumherum), sondern auch zeitsparend.

Genau diese Erfahrung habe ich auch gemacht.

Und jene, dass es im deutschen Kulturraum im Gegensatz zum angelsächsischen keine Fehlerkultur gibt.
Fehler sind peinlich und werden hier versteckt. Leute behaupten allen Ernstes sie machen keine Fehler.
Das ist schlicht falsch. Jeder macht Fehler.

Sie zu verstecken, zu verheimlichen und zu verniedlichen verstärkt sie nur und verunmöglicht daraus zu lernen.

Die aktive Auseinandersetzung und damit die Eingestehung der eigenen Schwächen ist die Voraussetzung für Verbesserung.

Das kann man schon bei Sokrates nachlesen.

Wie sagt ein altes Sprichwort: "Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung"
 
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Was das Dokumentieren angeht: ich mache inzwischen sehr ausführliche Listen mit den Dingen, die es zu verbessern gibt. Ich verstehe nicht, warum oben davon abgeraten wird. Für mich ist es absolut notwendig, zu wissen, welche Probleme ich genau anpacken und abarbeiten muss. Das ist nicht nur effektiv (man übt genau das Problem und nicht irgendwie drumherum), sondern auch zeitsparend. Dabei nutze ich Exel-Tabellen, da sich mit der Zeit die Eintragungen auch ändern.
Was meiner Meinung nach allerdings sinnvoll ist, ist die positive Art der Formulierung zu wählen, also nicht: "Takt 5, Note e ist zu laut", sondern "Takt 5, Note e schön in die Phrase einfügen".

Hmm, also das waere mir zu buerokratisch: Exel-Tabellen!! Ich habe aber doch geschrieben, dasz ich beim Abhoeren aufgenommener Stuecke durchaus Eintraege in den Notentext vornehme. Allerdings kaeme ich nie auf die Idee, irgendwo "Takt 23, e leiser" hinzuschreiben. Fuer mich waere so etwas ueberhaupt nicht zielfuehrend, da es meiner Meinung nach nicht um Ton x leiser, Ton y lauter geht, sondern nur darum, irgendeine Phrase, ja irgendein Stueck sinnvoll zu gestalten. Dabei richtet sich die Lautstaerke, Tonqualitaet usw. danach, was darum herum passiert. Wenn ich zufaellig den Anfang anders "gestalte" und sei es nur auf Grund eines Fehlers, musz ich alles andere danach ausrichten.

Letztlich sind meine Eintragungen also Gedaechtnishilfen und beschraenken sich auf Anstreichungen und Bemerkungen wie "Phrase", "Artikulation", "Rhythmus (stabil)", "Puls" usw.. Dies bedeutet, dasz ich beim Ueben an diesen Stellen besonders auf diese Gestaltungsmerkmale achte. Zusaetzlich kommen crescendo-, decrescendo-Gabeln bzw. die klassischen Lautstaerkebezeichnungen bzw. Umkreisungen wichtiger Noten zum Einsatz. Sonst noch interpretierende Stichworte wie "Hoehepunkt", "Katastrophe", "leicht", "elegant".
Technisch Hinweise schreibe ich eher selten in die Noten, es kommt aber vor, z.B. "Handgelenk durchlaessig". Trotzdem probiere ich viel, wie es technisch am leichtesten funktioniert. Aber ich schreibe es nicht auf.

Eine Exeldokumentation, wie Du sie beschreibst, waere fuer mich nicht der richtige Weg. Erstens will ich keine "gebastelte" Interpretation, bei der ich immer gleich spiele, das koennte ich gar nicht. Zweitens laese ich eine separate Dokumentation nicht mehr (ich will es in den Noten). Drittens lerne ich keine Bewegungen oder Tastenbilder bewuszt auswendig. Bewuszt lerne ich z.B. den harmonischen Verlauf auswendig, die "Architektur" des Stueckes, die Linien verschiedener Stimmen. Das Verrueckte ist, dasz ich manchmal selbst nicht weisz, welchen Fingersatz ich nehme, ohne es konkret auszuprobieren. Legt ihr das wirklich alles vorher fest? Triller mit 2-3 oder 2-4 oder Fingersaetze bei einfachen Baszlinien z.B. bei Scarlatti usw.? Natuerlich habe ich meine festen Fingersaetze vor allem bei schweren Stellen, wo sie sich automatisch einschleifen, allerdings mit gewissen kleinen Freiheiten bei "leichten Stellen".

Jannis
 
Und jene, dass es im deutschen Kulturraum im Gegensatz zum angelsächsischen keine Fehlerkultur gibt.
Fehler sind peinlich und werden hier versteckt. Leute behaupten allen Ernstes sie machen keine Fehler.
Das ist schlicht falsch. Jeder macht Fehler.

Ich verstehe jetzt nicht ganz, was das mit Fehlerkultur zu tun haben soll. Fehlerkultur ist fuer mich, z.B. zugeben zu koennen, dasz man eine falsche Entscheidung getroffen hat, aus welchen Gruenden auch immer, und das in Zukunft besser machen will.
Ueben hat fuer mich aber (wenn man die musikalische Gestaltung betrachtet) sehr viel mit ausprobieren zu tun. Da gibt es keinen "Fehler" nur ein gut, ueberzeugend, poetisch, zauberhaft, oder eben langweilig etc.. Aber ist es ein "Fehler" ein Stueck langweilig zu spielen? Ich glaube, dasz ich doch irgendwie anders uebe: Ich beschaeftige mich mit dem Stueck, gehe auf Entdeckungsreise darin und freue mich am graduell besseren Erfassen des "Sinnes" bis es mir oefter gelingt eine fuer mich im Moment schluessige Interpretation zu kreieren. Fehler sind fuer mich eher einfach Notenfehler.
Wahrscheinlich nehme ich Klavierspielen gar nicht so ernst wie ihr, sondern als das, was das Wort sagt, als "Spiel". :-D

Jannis
 
Ueben hat fuer mich aber (wenn man die musikalische Gestaltung betrachtet) sehr viel mit ausprobieren zu tun. Da gibt es keinen "Fehler" nur ein gut, ueberzeugend, poetisch, zauberhaft, oder eben langweilig etc.. Aber ist es ein "Fehler" ein Stueck langweilig zu spielen? Ich

In deinem Beispiel wäre es ein Fehler wenn du das Stück nicht langweilig spielen willst.

Ein Fehler ist für mich eine Abweichung vom vorgestellten Klang zum erreichten.

Naturgemäß sind das unter Umständen keine objektiven Fehler sondern subjektive, da ja der vorgestellte Klang bei jedem anders ist.
Der Begriff Fehler ist in diesem Kontext vielleicht ein wenig unsauber.
 
Es gibt aber nicht "die einzig moegliche Klangvorstellung". Beim Ueben probiere ich tatsaechlich verschiedene Moeglichkeiten aus. Auszerdem wurde mir immer empfohlen, auch Zufaelle auszunuetzen. Genau das tue ich: Durch Zufall komme ich dann darauf, dasz es noch poetischer/ueberraschender usw. ist, wenn man dieses oder jenes Gestaltungsdetail aendert. Ich werde nie genau in nur einer Weise in einem Konzert spielen, das kann ich gar nicht.
Vielleicht meinst Du mit
Ein Fehler ist für mich eine Abweichung vom vorgestellten Klang zum erreichten.
natuerlich einfach eine Abweichung zum fuer den naechsten Ton/Akkord vorgestellten Klang. Natuerlich, je besser man das Stueck beherrscht, desto besser gelingt die Verwirklichung eines unmittelbar vorgestellten Klanges. Aber was machst Du, wenn das Klavier, die Akustik ganz anders reagieren? Dann kannst Du das Stueck nicht exakt wie daheim spielen.
Also, so ganz verstehe ich eure Vorgehensweise nicht. Es gibt natuerlich seltene Faelle, wo ich sogar korrigierte Noten in die Partitur schreibe. Z.B. hatte ich jetzt den Fall, dasz Noten in Scarlattisonaten einfach falsch waren, oder dasz man sehr viele Vorschlaege hat, die alle anders gespielt werden muessen. Das trage ich dann auch einmal ein. Aber "Fehler dokumentieren in Exeltabellen" klingt nach: "Am 20.1. schon wieder ais statt a gespielt." Und das bringt es jedenfalls fuer mich nun wirklich nicht. Ich trage das zu Spielende ein, uebe es ein und spiele es dann doch nicht staendig falsch! Auszerdem ist es fuer mich wichtig, dasz die Eintragungen in den Noten gemacht werden.
Am ehesten interessant waere die Dokumentation einer Metronomzahl bzw. eine Aufnahme. Das mache ich nicht konsequent, koennte aber nuetzlich sein, wenn man nach laengerer Zeit das Stueck wieder "aufwaermt".
Jannis
 
Aber was machst Du, wenn das Klavier, die Akustik ganz anders reagieren? Dann kannst Du das Stueck nicht exakt wie daheim spielen.
Also, so ganz verstehe ich eure Vorgehensweise nicht.

Es geht nicht darum ein fertige Klangvorstellung 100% zu reproduzieren, natürlich ist das flexibel.
Mangelnde Flexibilität oder statische, leblose Interpretation ist genauso ein Fehler.

Aber das hat gar nichts damit zu tun ob ich die Dinge an denen ich mir vornehme weiter zu arbeiten notiere oder nicht.

Darum geht es:
Verstecke und beschönige oder ärgere ich mich über die Dinge die im nie endenden Prozess der Erarbeitung noch nicht gefallen, oder arbeite ich mit diesen aktiv, interessiert und produktiv. Sie aufzuschreiben ist ein Akt aktiver Auseinandersetzung.
 
Allerdings kaeme ich nie auf die Idee, irgendwo "Takt 23, e leiser" hinzuschreiben. Fuer mich waere so etwas ueberhaupt nicht zielfuehrend, da es meiner Meinung nach nicht um Ton x leiser, Ton y lauter geht, sondern nur darum, irgendeine Phrase, ja irgendein Stueck sinnvoll zu gestalten. Dabei richtet sich die Lautstaerke, Tonqualitaet usw. danach, was darum herum passiert. Wenn ich zufaellig den Anfang anders "gestalte" und sei es nur auf Grund eines Fehlers, musz ich alles andere danach ausrichten.

Letztlich sind meine Eintragungen also Gedaechtnishilfen und beschraenken sich auf Anstreichungen und Bemerkungen wie "Phrase", "Artikulation", "Rhythmus (stabil)", "Puls" usw.

Ich hatte doch bei meinem ersten Post erwähnt, dass ich die Dinge positiv formulieren würde und mit musikalischem Sinngehalt. Natürlich ist jedes Mal deine Interpretation anders, aber dein Verständnis und Gestaltungswille muss absolut sicher sein.

Ich habe gerade mal eine Tabelle zu einem Stück von neulich aufgemacht, da steht z.B: folgendes drin


4 Farbwechsel, Stimmführungen klarer
12 mehr vom Bass aus führen
15 cresc, größer zsf
16 tiefes as ruhiger anschlagen

Ich hoffe, für etwas Klarheit gesorgt zu haben.

PS.: solche Eintragungen im Notentext (es wären sehr viele und dauernd neue bzw. alte nicht mehr) sind einfach unübersichtlich. Exeltabellen lassen sich editieren, sauber ausdrucken und abarbeiten :-)

Du hast mir doch selbst mal zu Beethoven Op. 81a so eine wunderbare Liste mit Verbesserungen geschrieben, das war auch sehr hilfreich und übersichtlich

LG, Joh
 
Du hast mir doch selbst mal zu Beethoven Op. 81a so eine wunderbare Liste mit Verbesserungen geschrieben, das war auch sehr hilfreich und übersichtlich
Das stimmt natuerlich, allerdings mache ich solche Listen nicht fuer mich selbst. Dafuer gibt es verschiedene Gruende: erstens arbeite ich wahrscheinlich im Unterschied zu Dir mit einem Lehrer, d.h. "es gibt jemanden, der solche Listen fuer mich macht", allerdings in Form von Unterricht, zweitens hasse ich Exel prinzipiell (Entschuldigung) und eine Liste schaue ich mir nie wieder an, drittens habe ich fuer solche Aenderungswuensche ein erstaunlich gutes Gedaechtnis, viertens aendert sich, was ich aendern will, staendig, fuenftens finde ich eingetragene crescendo-Gabeln, staccato Punkte, Boegen viel einfacher und suggestiver als eine Beschreibung in Worten und sechstens laeszt sich vieles nicht in Worten ausdruecken, auszer so allgemein wie "poetischer", aber was bitte heiszt das schon?
Ich haette auch liebend gern mit Dir einfach eine Stunde an Les Adieux geprobt als das alles formuliert.
Was meinen Lehrer betrifft, so hat er die Gabe mir Dinge verstaendlich zu machen, von denen ich nicht einmal wuszte, dasz man sie verstehen kann. Manchmal verstehe ich gar nicht, wie er das eigentlich macht, aber die Diskussion der Komposition (damit meine ich auch das Vor- und Mitsingen des Lehrers!) bewirkt oft eine Verbesserung meiner Interpretation. Manchmal geht es natuerlich auch sehr ins Detail, auch ins Bewegungsdetail. Diese Beschaeftigung ist aber so einpraegsam, dasz ich es nicht aufschreiben musz, solang ich an dem Stueck wirklich arbeite (ob ich es nach Jahren noch weisz, ist eine andere Frage, aber auch da bleibt erstaunlich viel haengen). Ich halte es fuer mich fuer essentiell, dasz jemand mit mir regelmaeszig probt. Ich bin ja hoechstens im Stadium eines Studienanfaengers (eigentlich nicht einmal das).

Also je mehr ich darueber nachdenke, desto eher glaube ich, dasz ich schon deswegen solchen Listen wenig Bedeutung beimesse, weil ich nicht an die Moeglichkeit einer genauen verbalen Beschreibung dessen glaube, was ich erreichen will. Deswegen halten sich auch meine Eintragungen in den Noten in Grenzen und ich denke, dasz meine damalige Liste fuer op.81a in dieser Hinsicht sehr mangelhaft und nur eine Notloesung war. Ich will das "Vorsingen, vorstampfen, vorgrimassieren, dirigieren, tanzen". Wie soll ich das in eine Liste quetschen? Mir bringt das wenig.

Jannis
 

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