Die Parkinson-Regel

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Debösi

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Es geht nicht um die Krankheit.

Cyril Northcote Parkinson formulierte 1955 im Economist folgende Regel:
“Work expands so as to fill the time available for its completion.”
Was heißt soviel wie: Du brauchst für ein Projekt genauso so viel Zeit, wie du dafür veranschlagt hast!

Ich hatte das zuerst in Graham Fitchs "Practising the Piano" gelesen. Und mußte gestern schmunzeln, als die Regel in einer ganz anderen Ecke, in einem Workshop über Projektmanagement (Industrie-Forschung und Entwicklung) vorgetragen wurde. Klavierüben und Projektarbeit sind naturgemäß ähnlich.

In der Industrie und beim Klavierüben soll das heißen, sich nicht zu viel Zeit für ein Projekt / Stück einzuräumen, denn genau diese Zeit wird man dafür (ver)brauchen.

Die Frage dürfte für berufsgeplagte Amateure wie für professionelle Instrumentalisten gleichermaßen interessant sein, beide müssen aus der knapp bemessenen Zeit "etwas machen".

Wie ist eure Erfahrung? Wenn ihr ein Stück einstudiert und es bis zum nächsten Klavierunterricht / bis zur Aufführung fertig haben müßt, seid ihr da jemals VOR dem Termin fertiggeworden?
 
Ich denke, zunächst müsste man definieren, was es bedeutet, ein Stück sei fertig.
Denn es kann IMMER noch besser, noch feiner werden, neue Ideen oder Nuancen bekommen etc. Mit jeder Aufführung wird das Stück "fertiger", aber richtig fertig wird es selten.
Wenn es für eine Aufführung vorbereitet wird, könnte man als den ersten "Fertigzeitpunkt" den Moment sehen, ab welchem das Stück theoretisch schon öffentlich gespielt werden könnte. Danach feilt man daran, was noch möglich ist, bis zur tatsächlichen Aufführung.
Bei der Vorbereitung für den nächsten Unterricht geht es darum, was für Ziele stellt man bis dahin. Gelingt es, diese Ziele in einem kürzeren als dem angesetzten Rahmen zu erreichen, könnte man sagen, es ist eher fertig geworden.
 
Das überrascht mich jetzt, deckt sich aber komischerweise mit meinen Erfahrungen. Habe ich nur eine Woche Zeit, bringe ich genausoviel fertig wie in drei Wochen. Also setze ich mir selber, wenn der Unterricht noch in weiterer Ferne liegt, "Deadlines". Das klappt natürlich nicht immer.
Erinnert doch stark an z.B. Diplomarbeit, man fängt immer erst an, wenns heiß unterm A... wird - und schafft es trotzdem, oder gerade deshalb?
 
In der Industrie und beim Klavierüben soll das heißen, sich nicht zu viel Zeit für ein Projekt / Stück einzuräumen, denn genau diese Zeit wird man dafür (ver)brauchen.

Die Frage dürfte für berufsgeplagte Amateure wie für professionelle Instrumentalisten gleichermaßen interessant sein, beide müssen aus der knapp bemessenen Zeit "etwas machen".

Gerade im Amateurbereich sehe ich diese Parallele ehrlich gesagt überhaupt nicht...:denken:

In der Industrie ist Zeit auch immer Geld, und am Ende muss die Bilanz stimmen. Sonst rote Zahlen, drohender Untergang. Das Zeitmanagement ist also ebenso essenziell wie existenziell.

Wenn ein Hobbyist aus purer Liebe zum Instrument und zur Musik freiwillig und ohne einen anderen als (allenfalls) selbstgemachten Druck an Stücken übt, gibt es keinen drohenden Untergang. Höchstens der eigene Ehrgeiz bekommt Dellen.

Ein Stück braucht so lange wie es braucht. Mehr als sein Bestes geben, kann man nicht. :konfus:
 
Ganz so einfach ist es doch nicht. Grade in der Zeit vor einem Konzert bzw. Vorspiel mache ich die Erfahrung, die Wochen vorher so richtig viel zu schaffen, also quasi zu Hochform aufzulaufen, obwohl die Übezeiten relativ gleich sind (mehr natürlich, doch nicht extrem differierend).
Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass das immer so funktionieren könnte, tut es nur leider nicht.
 
"Fertigzeitpunkt" den Moment sehen, ab welchem das Stück theoretisch schon öffentlich gespielt werden könnte.
Diesen Zeitpunkt habe ich gemeint. Natürlich - "fertig", in dem Sinne, dass es nichts mehr zu verbessern gibt, das gibt es in der Musik im Gegensatz zu Industrie-Projekten nie, da ist der Unterschied. (Welchen Witz habe ich gerade in Würzburg gehört: Der kürzeste Pianistenwitz? "Ich kann´s":-)

keinen drohenden Untergang. Höchstens der eigene Ehrgeiz
Na ja, wenn ich mir etwas ernsthaft vorgenommen habe ("Ehrgeiz"), dann ist es schon irgendwie blöd ("Untergang"), wenn ich am Anfang des Unterrichts gestehen muss: :cry2: ... ich hatte keine Zeit zum Üben...:cry2:.

Und übrigens: So schnell gehen wir auch in der Industrie nicht unter, da könnte ich Sachen erzählen :party:
 
Beim Profi gehe ich davon aus, dass er ein Stück nicht "lernt", sondern "einstudiert", und es damit den Charakter eines Projekts mit Liefertermin hat.
Der Amateur jedoch wird regelmäßig an seiner Spieltechnik feilen müssen. Gerade die Motorik braucht nicht nur Zeit, sondern auch Pausen dazwischen.
 
Warum passiert gerade immer so viel, wie in die Zeitung passt? :-D

Ich kenne das Phänomen, würde es aber von der anderen Seite her beschreiben: Ich fülle die Zeit absichtlich aus, die mir zur Verfügung steht. Wenn ich etwas begleiten soll und habe eine Stunde Vorbereitung, fülle ich die Stunde anders als wenn ich eine Woche zur Vorbereitung habe und davon eine Stunde übe.
Wenn ich eine Woche an einem Stück übe und nach zwei Wochen damit in den Klavierunterricht gehe übe ich anders, als wenn ich eine Woche übe und am Ende der Woche in den Unterricht gehe. Am Ende des Übevorgangs muss ich "den Sack zubinden", ich kann kein Übungsschlachtfeld hinterlassen, sonst kann ich das Stück nicht gut vorspielen.

Ähnlich verhält es sich mit Auftritten. Ich kann inzwischen gut einschätzen, wie viel Zeit ich mindestens brauche, um ein Stück vorspielreif auf die Bühne zu bringen. Auch da gibt es verschiedene Möglichkeiten - minimale Vorbereitung, durchschnittliche Vorbereitung, sehr ausführliche Vorbereitung. Je nach Anlass wähle ich aus :lol:
 
Wie ist eure Erfahrung? Wenn ihr ein Stück einstudiert und es bis zum nächsten Klavierunterricht / bis zur Aufführung fertig haben müßt, seid ihr da jemals VOR dem Termin fertiggeworden?
Glücklicherweise "musste" ich noch nie ein Stück fertig haben. Ich übe so viel und so gewissenhaft wie es geht. Wenn es "fertig" ist, dann schön, wenn nicht, dann höre ich im Unterricht auch mitten im Stück auf und sage meinem KL, dass ich noch nicht weiter gekommen bin.

Erinnert doch stark an z.B. Diplomarbeit, man fängt immer erst an, wenns heiß unterm A... wird - und schafft es trotzdem, oder gerade deshalb?
"Man" kann das auch anders machen. Ich habe vom ersten Tag meiner Diplomarbeit an morgens um 9 angefangen, nachmittags um 17 Uhr Feierabend gemacht, am Wochenende hatte ich frei und ich habe drei Tage vor dem Termin abgegeben. Jeder wie er kann und mag.

Ein Stück braucht so lange wie es braucht. Mehr als sein Bestes geben, kann man nicht.
Jub. Mit der Einstellung gehe ich auch ran.

Ich fülle die Zeit absichtlich aus, die mir zur Verfügung steht.
Das klingt sehr plausibel und vernünftig. Machen viele andere in ihrem Job ja auch so. Klassisches ökonomisches Maximal-Prinzip: Aus den gegebenen Ressourcen (hier insbesondere: Zeit) das Maximum rausholen. Bei weniger Zeit müssen dann eben Abstriche bei Qualität und/oder Umfang gemacht werden.

Als Hobby-Pianist darf ich mich über solche ökonomischen Zwänge in der Regel bedenkenlos hinwegsetzen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ich muss das noch präzisieren. Erst entscheide ich, wie viel Zeit mir zur Verfügung stehen soll, und dann fülle ich sie aus. :coolguy:
Natürlich auch nicht immer. Ich genieße es auch oft, einfach loszuüben und zu sehen, wie schnell ich voran komme. Nämlich dann, wenn ich kein unmittelbar vor mir liegendes Ziel (Konzert, Wettbewerb, Prüfung) habe.
 
Jaein. Nicht alle Termine setze ich selbst. Aber ich entscheide, wann ich mit der Vorbereitung für das Ziel an diesem Termin beginne.
 
Du brauchst für ein Projekt genauso so viel Zeit, wie du dafür veranschlagt hast...Workshop über Projektmanagement (Industrie-Forschung und Entwicklung)
Die Typen arbeiten bestimmt nicht in der Software-Branche: da dauert alles immer viel länger.
Und grundsätzlich gilt: Projekte können sich nur dann auf die veranschlagte Zeit ausdehnen, wenn zuviel veranschlagt wurde.
Ähm, Moment, ist die Software-Branche etwa berühmt dafür, daß sie die Parkinson-Regel einsetzt?

Beim Musizieren setze ich mir keine zeitlichen Begrenzungen. Es geht mir schließlich um den Spaß am Musizieren, und nicht um Leistungserbringung.
 
Im Forum tummeln sich Amateure wie Berufsmusiker.

Amateure haben alle Zeit der Welt, die sie sich selbst geben, ein Stück zu erlernen.

Berufsmusiker, die öffentlich auftreten, sind an Termine gebunden. Sie müssen ein Repertoire aufbauen und pflegen. Der Termindruck ist mitunter hoch. Da zählt jede Stunde, die man zur Vorbereitung zur Verfügung hat. In diesem Zusammenhang beschreibt die Parkinson- Regel ein interessantes Phänomen, das natürlich auch für industrielle Produktentwickler (Software, Geräte, Chemie,...) gilt. Nun, warum sollte man nicht voneinander lernen? Denn:
Zwischen den Amateuren, die ohne Druck und frei ihr Hobby ausüben wollen einerseits und den Berufsmusikern andererseits gibt es noch einen Typ Amateur, der wie das Kind unterm Christbaum viele schöne Stücke lernen will, aber gezwungen ist, planvoll vorzugehen, wenn er nicht auf einem Haufen unfertiger Stücke sitzenbleiben will. Fertig heißt „theoretisch vorspielbar“. (Lebenslanges Perfektionieren steht auf einem anderen Blatt).
Also: wie mit der immer zu knappen Zeit umgehen? Insofern beleuchtet die Parkinson-Regel einen interessanten Aspekt.
 
Danke für die Erläuterung, jetzt glaube ich zu verstehen was Du meinst.

wie mit der immer zu knappen Zeit umgehen?

"Also, bei mir ist es so" :lol: : Die längste Zeit brauche ich dafür, das Stück musikalisch zu durchdringen und auswendig zu lernen. Also so, dass ich es von vorn bis hinten ohne Blick in die Noten spielen kann und auch überall zwischendrin einsetzen kann.

Das klappt glücklicherweise immer besser (sollte auch so sein, sonst würde ich es ja umsonst üben:-)), aber ich finde es schwieriger und daher erheblich langwieriger als einfach nur mit Unterstützung von Noten zu spielen. Die konkreten technischen Anforderungen eines Stücks üben sich schnell. Der "musikalische Groschen" muss erst fallen. Auf seine Fallgeschwindigkeit habe ich leider noch keinen wesentlich beschleunigenden Einfluss.

Von daher muss ich passen. Die Parkinson-Regel kann m. E. nicht angewendet werden auf Fälle, wo zunächst gelernt und verstanden werden muss, weil man diese Prozesse erst durchlaufen haben muss, um sich zur Erledigung eines Auftrags zeitliche Limits zu setzen.

Ein Impromptu von Schubert (um mal ein für mich aktuelles Beispiel zu nehmen) spiele ich vom Blatt runter, innerhalb weniger Stunden läuft es (nach Noten) flüssig und ohne Stocken. Bis ich es musikalisch durchdrungen, auswendig gelernt und wirklich "schön" spielen kann, vergeht erheblich mehr Zeit. Nach und nach fallen einem tausenderlei tolle Details auf, man überlegt sich wer weiß wie oft, wie man das Stück "anlegt", welche g***e Wendung man wie beleuchtet, usw.usf.
 

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