Brillanter vs. dumpfer Klang

Leut,was diskutiert Ihr? Geht raus und spielt! Es gibt genug brillante Klaviere, neu und gebraucht. Brillianz am Flügel festzumachen, ist lächerlich. Wenn das Budget begrenzt ist, wird wohl Yamaha die Marke sein, die die höchsten "Erfolgschancen" bietet. Aber DAS Klavier muss man dann immer noch finden!
 
Das richtige Klavier kommt zu Dir. Das kann man nicht erzwingen - aber die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen, indem man möglichst viel anspielt. Irgendwann machts Herz "bumbedibumm" - und Du weißt: "Das isses!".
 
Klangverhalten in Worte zu fassen scheint immer schwierig und auch recht subjektiv zu sein. Was für manchen dumpf erscheint, empfinden andere als warm. Brillanz kann begeistern, aber auch als schrill und aufdringlich empfunden werden. Und ... so fort.

Ich habe bei meiner Suche nach "meinem" Klavier auch die gängigen Seilers probiert. Vom Johannes über den Eduard bis zum Seiler Primus. Dabei kann ich nur vom Gegenteil berichten. Für mich war das Johannes jenes mit dem brillantesten Klang, die Brillanz nahm dann nach oben hin deutlich ab. Aber ... das Johannes war für mich übertrieben brillant, zu modisch und der Klang insgesamt viel zu konstant. Das Eduard dagegen kompromissbereiter, nicht ganz so aufdringlich, um nicht zu sagen: Nicht ganz so digi-mäßig. Und das Seiler Primus klang beim ersten Eindruck tatsächlich eher dumpf, fast erschreckend. Das war ganz am Anfang meiner Suche!

Als ich später das Seiler Primus wieder traf, klang es plötzlich nicht mehr so dumpf. Eher verhalten, in den Mitten sehr warm, die hohen Lagen angenehm unschrill, aber die Bässe für meinen Geschmack zu zurückhaltend und gedämpft. Also der Eindruck schon etwas differenzierter, nicht einfach nur "dumpf" wie anfangs. Und nachdem ich viel Zeit hatte mit allen zu spielen, kam ich dahinter, dass ich mit dem Primus Klänge formen konnte, während die Kollegen mit Vornamen für mich wenig formbar waren - um das jetzt mal rein auf den Klang zu beschränken und Spielbarkeit außen vor zu lassen.

Im Verlauf meiner Suche habe ich ziemlich viele Markenpianos unter meinen Fingern gehabt. Immer mit dem Glück, dass jeder Händler meinte, ich soll in aller Ruhe probieren, solange ich Lust habe und auf jeden Fall immer "mindestens einmal darüber schlafen". Was ich mit allen Seilers, Sauters, Schimmels, Yamahas, Kawais und Rönischs tat, die mich auch geduldig ließen. Und ich entschuldige mich bei allen Marken, die ich aufzuzählen vergaß.

Ganz wenige sind beim ersten Anspielen aus der Auswahl gefallen. Die meisten haben eine zweite und eine dritte Chance bekommen. Dabei sind immer ein paar Tage zwischen den Versuchen verstrichen. Bei vielen davon hat sich der Klang für meine Ohren nach einigen Besuchen doch deutlich geändert. Wie sich auch mein Empfinden, wie Klaviere klingen können und sollen, während dieser Tour deutlich verändert hat. Wahrscheinlich übertrieben, aber ich denke doch, dass sich mein Gehör dafür ein wenig geschärft hat.

Letztlich half aber alles nichts, DAS Klavier war einfach nicht dabei. Keine Liebe auf den ersten oder zweiten Blick. Schöne Klaviere, aber keins davon MEINS.

In meiner großen Ungeduld - jetzt suche ich schon lange, will endlich haben - hätte ich mich eigentlich für einen Kompromiss entschieden gehabt. Wäre ich nicht über ein Klavier gestolpert. Kein schwarzer Hochglanzlack, über 90 Jahre alt, keine perfekte Tastatur, aber ... der Klang ... ein Tor in eine andere Welt ... Liebe aufs erste Hören ... MEINS!

Vernünftig geblieben, einen Tag darüber geschlafen, nochmal probiert, noch einmal drei Vernunfttage eingeschoben, von diesem Klavier geträumt, gekauft und glücklich damit.

Ich kann also, wie viele andere hier, nur empfehlen, sich sehr viel Zeit zu nehmen, viel zu probieren und viel Geduld mit zu bringen. Mit etwas Glück (das braucht es wohl auch) ist man dann bei dem EINEN Klavier angelangt. Und kann sich, wie in meinem Fall, vielleicht sogar einige Tausender ersparen.

Gerade wenn man vom Digi umsteigt und nur dieses eine Klavier aus der Klavierstunde kennt, braucht es halt einige Zeit, bis sich die Ohren langsam für die doch große Klangwelt der verschiedenen Klaviere öffnen. Diese Zeit sollte man sich gönnen und das auch als großen Spaß betrachten ... auch wenn es schwerfallen mag ;)
 
Gerade wenn man vom Digi umsteigt und nur dieses eine Klavier aus der Klavierstunde kennt, braucht es halt einige Zeit, bis sich die Ohren langsam für die doch große Klangwelt der verschiedenen Klaviere öffnen. Diese Zeit sollte man sich gönnen und das auch als großen Spaß betrachten ... auch wenn es schwerfallen mag
DAS kann man gar nicht genug hervorheben! Danke, Hanss
 
Moinsen, an deiner Stelle würde ich ein preiswertes Markenklavier gebraucht kaufen bei einem Händler und im Gegenzug mit ihm aushandeln, bzw in Erfahrung bringen ob er es dir nach einer gewissen zeit wieder abnimmt...

Weil du kannst das wahrscheinlich noch nach 6 Wochen nicht beurteilen was brilliant, dumpf, warm, kühl, schmal, breit, singend, klinisch klingt......
Deshalb ein preiswertes Instrument, damit du erstmal den Anschlag hast und eine Mechanik mit der man Klavierspielen lernen kann, und du von den Diggis wegkommst...
Der Fluch und Segen beim Klavierspielen ist leider, das man als Musiklaie nicht wirklich lernt, wie Klänge "singen" können, da man nie lernen muss erst einen Ton zu bilden und diesen dann auch als solchen wahrzunehmen, ich will ja nichts vorgreifen, vielleicht bist ja musikalisch schon vorbelastet. Ich kann es nur aus meinem Standpunkt erzählen, da ich das auch durch habe, also kein Fachrat, da ich selbst solch ein Laie bin... Aber preiswerte Ibach Klaviere oder Gotrian Steinweg klingen schon ganz schön. Und pass beim Vergleich immer auf die Klavierhöhe auf.... Höhere klingen in der Regel "voller" aber die werden dahingehend auch exhorbitant teurer.

Achso was den Preis angeht... Mehr als 3000€ würde ich erstmal nicht ausgeben + - ein paar Groschen :)

lg Lustknabe
 
Den Tip finde ich gut und sehr nachvollziehnbar, sich zum ersten akustischen instrument erstmal mit einem gebrauchten Klaviere lowcost, in der Kante 500-1500 Euro anzufreunden, dann eine Zeitlang das Gehör an akustischen Instrumenten zu schulen..

...und DANN - in zwei oder fünf Jahren - nochmals loszuziehen, dann mit Erspartem und einer wesentlich genaueren Vorstellung, welchen Klang man will.

(NB OT insofern war meine eigene erste Klavierkauferfahrung der helle Wahnsinn, nach ca. 30 Jahren einer nie näher beguckten "Drahtkommode" dann einfach loszulaufen, und schon nach dem zweiten Klavierladen mit einem Konzertflügel heimzugehen.. Wahnsinn. Ein <smack> wieder mal an die Clavio-Community fürs Ratgeben, und speziell ein dicker <smack> an den Klaviermacher, dessen Rat mich mutig machte.

NB OTT Der Lebenswahlspruch von Berthold Beitz:

Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.
(Perikles, alt griechischer Strategos)

NB OTTT Konkreter, hier: Frei bleibe ich, wenn ich nicht in Unkunde oder Halbkunde gleich mein ganzes Portemonnaie in eine erstaugenscheinlich gute Klimperkiste donnere, sondern noch kräftig was in petto halte, bis ich GENAU weiß, was ich will. (Das habe ich damals falsch gemacht, ewwer ett hätt emmr noch jooot jejange, kölschet Jrundjesetz, Parregraff acht oder so..)

NB OTTTT Ich würde mich aber zum Klavierkauf niemals aufs Kölsche Grundgesetz verlassen :D

Es gibt zwar dumpfe Klaviere, aber dumpf ist ein Fehler. Man sollte unterscheiden zwischen "brillanten" (obertonreichen) Klavieren und "warmen" bzw. grundtönigen Klavieren, die nicht so reich an Obertönen sind.

Zudem ist es ein Unterschied, ob ich mich in einer Klavierhandlung mit einem Klavier auseinandersetze, oder in meinem eigenen Wohnzimmer... ... Reflexionsflächen, Dämpfung im Raum, Teppiche, Abstrahlflächen, Fenster.. und und und und und...

Zudem ist es ein Unterschied, ob ich - angesichts sonstiger Klaviere in Musikschulen, beim Lehrer etc. - meist nur "hart gespielte" Klaviere sehe, höre - und im Unterschied dazu in einem Klavierladen u.U. nur Klaviere, deren Hammerköpfe frisch, rein, weich sind..
 
Danke für diesen Thread!

Ich fange ja auch gerade an zu "suchen" (bzw. ich warte, dass ein Klavier mich findet ;) ).

Meine Frage hierzu ist: Inwieweit lässt sich die Klangfarbe (also "brillant vs. dumpf") durch Intonierung verändern?

Nehmen wir an, es gäbe ein Klavier, dass von seinem musikalischen Charakter schön klingt, das man aber gern noch ein wenig strahlender oder obertöniger hätte (oder umgekehrt) - in welchem Maße kann man das beeinflussen? (durch einen Fachmenschen, natürlich)
 
Hallo Baratt,

jedes Klavier hat einen gewissen Bereich, in welchem sich der Klang durch Intonieren verändern lässt. Dieser Bereich ist allerdings sehr klein. Überschreitet man die Grenzen von diesem Bereich, so zerstört man mitunter den gesamten Charakter des Instrumentes.
Beispiel: Aus dem recht brillanten Klang eines Steinways wird man nie den Klang eines warmen Blüthners machen können, ohne dass dabei der Charakter "stirbt".

Andersrum kann man kein Instrument, auch keinen Steinway beliebig "scharf" bzw. hart intonieren. Das Ergebnis wird immer ein unangenehm rauer und klirrender Klang sein.
 

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