Betonung der Stimmen einer Fuge

  • Ersteller des Themas elli
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Ich glaube, hier werden zwei Bücher von Siglind Bruhn vermischt. Es gibt
-J.S. Bachs Wohltemperiertes Klavier, Analyse und Gestaltung. Das habe ich und empfinde es als recht objektiv und zurückhaltend in seinen Aussagen, es geht mehr um strukturelle Analysen. Man finde den Volltext unter http://edition-gorz.de/bruhn4.html
-Die Kunst musikalischer Gestaltung am Klavier. Gestaltungskriterien und Gestaltungsmittel in Bach’scher und klassischer Klaviermusik. Das kenne ich nicht, kann mir aber vorstellen, daß da mehr angreifbare Aussagen gemacht werden.

Oder soll ich, @mick, ersteres vernichten? War nicht ganz billig ... (Ich weiß, daß der Preis kein Qualitätskriterium für Bücher ist.)
 
Der Kommentar meines Lehrers bezog sich auf die englischspracheige Ausgabe "J. S. Bach's Well-Tempered Clavier: In-depth Analysis and Interpretation".

Ich weiß nicht, ob die sich inhaltlich von der deutschen Ausgabe unterscheidet. Ich habe das Buch übrigens nicht verbrannt. ;-)

Viel gelernt habe ich daraus aber auch nicht, denn die "objektiven" Teile des Buches - Anzahl der Themeneinsätze einer Fuge, harmonische und rhythmische Strukturen - liegen ohnehin auf der Hand. Die erkennt jeder mühelos beim ersten Durchspielen.

Die subjektiven Schlussfolgerungen, die die Autorin daraus zieht, werden dann oft als gesicherte Wahrheit dargestellt, obwohl sie sich in keiner Weise an historischen Quellen belegen lassen. Gerade die Vorschläge zur Artikulation sind oft fragwürdig und so beschaffen, dass sie an barocken Tasteninstrumenten gar nicht funktioniert hätten. Man kann natürlich ignorieren, dass Betonungen auf dem Cembalo nur durch Längen verdeutlicht werden können, wenn man Bach auf dem modernen Flügel spielt. Andererseits - wäre es nicht sinnvoll, mal nachzusehen und nachzulesen, wie Bach für dynamische Instrumente (vor allem Streicher) komponiert hat und wie auf diesen Instrumenten artikuliert wurde? Dazu gibt es ja etliche Quellen, die aber gar nicht ausgewertet wurden.

Und auch, was Frau Bruhns über die Ausführungen von Ornamenten schreibt, ist nirgendwo belegt. Versucht man, die Behauptungen beispielsweise an dem fundierten Kompendium von Isolde Ahlgrimm zu verifizieren, erlebt man sein blaues Wunder und fragt sich, woher Frau Bruhns ihre Weisheiten wohl hat.
 
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Danke für die Kommentare.
die "objektiven" Teile des Buches - Anzahl der Themeneinsätze einer Fuge, harmonische und rhythmische Strukturen - liegen ohnehin auf der Hand. Die erkennt jeder mühelos beim ersten Durchspielen.

Auch das muß man (besser: mußte ich) erstmal lernen, zuerst ist eine Fuge auch nur ein Haufen Noten. Da finde ich es schön, die eigene Befunde mit einer fremden Darstellung vergleichen zu können. Irgendwo wird auch gesagt, das alles gut ist, wenn man das Buch nach ein paar eigenen Analysen nicht mehr wirklich braucht.
 
Die subjektiven Schlussfolgerungen, die die Autorin daraus zieht, werden dann oft als gesicherte Wahrheit dargestellt, obwohl sie sich in keiner Weise an historischen Quellen belegen lassen. Gerade die Vorschläge zur Artikulation sind oft fragwürdig und so beschaffen, dass sie an barocken Tasteninstrumenten gar nicht funktioniert hätten. Man kann natürlich ignorieren, dass Betonungen auf dem Cembalo nur durch Längen verdeutlicht werden können, wenn man Bach auf dem modernen Flügel spielt. Andererseits - wäre es nicht sinnvoll, mal nachzusehen und nachzulesen, wie Bach für dynamische Instrumente (vor allem Streicher) komponiert hat und wie auf diesen Instrumenten artikuliert wurde? Dazu gibt es ja etliche Quellen, die aber gar nicht ausgewertet wurden.
Ich glaube, die Frage einer modernen Bachinterpretation auf dem Flügel ist nicht daran zu bemessen, ob die Ausführung mit Tasteninstrumenten im Barock möglich gewesen wäre, sondern ob die Musik immanent eine Dynamik , Agogik und Artikulation eines Flügels herausfordert. Und da kommt doch gerade das Zeitmoment zum Tragen, ein gesungenes Sopran im Barock wird auch anders artikuliert, dynamisiert haben, als es heute für angenehm empfunden wird.

Es geht also nicht darum ob Frau Bruhn und andere (Czernys Ausgabe vom WTK ist bitteschön auch mit Dynamik versehen) richtig oder falsch liegen, sondern ob es der Musik dient, ein weiteres Moment der Musik herausgearbeitet werden kann - die man ohne technische Möglichkeiten sich sonst innerlich vorgestellt hätte. Und das weitere Moment der gefühlten Musik und damit verbundener Abschweifungen (Vorstellungen von fließendem Meer, Waldesrauschen u.ä.) ist eine Frage ob man sie zulässt und ausdrückt, wobei im Barock die Musik vielleicht doch viel mehr als Kunst an sich gemeint war, die keiner weiteren Vorstellung bedarf. Man bewundert die Kunst der Fuge, die "tollkühne" Art hier ein Webmuster nach Regeln zu schaffen und lauscht dem Klang, aber nicht dem, was der Klang evoziiert - bzw. wir heute sind ja darauf gedrillt, hinter der Musik immer eine Stimmung, ein Bild, ein Gefühl zu suchen.

Man höre nur mal die Fantasie BWV 903 oben von mir gepostet, der Unterschied von ihrem Vortrag zu dem von Schiff ist immens und zeigt direkt deren unterschiedliche Auffassung von dieser Musik.
 

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