Bentley Klavier

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26. Apr. 2008
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Selten, aber doch komme ich zu äußerst billig hergestellten englischen Klavieren aus den 1970er, 80er Jahren. So manche Einsparungen lassen sich ja noch irgendwie erklären. Aber warum man den Langsteg werkseitig komplett durchgeschnitten hat bleibt mir ein Rätsel.:rolleyes: Da spart man wirklich nichts und tonlich wird dabei so viel zerstört...

IMG_1174.JPG


LG
Michael
 
OT - diese immer so beliebten Vergleiche Klaviere - Autos - Bentley.. .. ..

Bentley - ei jei jei.. .. Beim Autoschrauber meines Vertrauens stand gestern ein relativ neues Bentley-Continental-GT-Coupé: W12-Zylinder-Motor. VW-Phaeton-Technik und viele Audi-Spielzeuge unter der interessanten Motorhaube.

Ein leichter Unfallschaden vorn links. Kotflügel verbeult, Scheinwerfer defekt, und die Kunststoff-Schürze gerissen.

Eigentlich nichts richtig schlimmes, nichtmal die Airbags hatten gezündet - nur Blech bissl verbogen.

Er bat mich um Schätzung, was dieser Spaß koste - kleiner Test unter Autofexen..

Ich: na ca. 8.000 werden da wohl im Pott sein...

Er: grinst über alle vier Backen.

Da sagte mir der Schrauber: allein der Kotflügel koste als Blech-Rohling 3.500 Euro. Muss dann noch lackiert werden.. Der Kostenvoranschlag zur Reparatur dieses kleinen Unfallschadens belaufe sich auf rundheraus 40.000 Euro.

Kotflügel.. da nimmt man doch für so furchtbar viel Geld besser einen Konzertflügel..

= = =

On topic: macht das denn wirklich so viel aus im Klang, wenn der Steg mal nicht durchläuft? Schwingungsübertragung kann doch der Resonanzboden auch allein..?. Oder?

Das Foto sieht aber wirklich eigenartig aus - als sei da bei der Planung etwas schiefgegangen, und als habe man da nachträglich einen faulen Kompromiss verbuddelt.

Ich habe in meiner Kiste auch einen geteilten Steg - der Basssteg geht extra. Kann mich aber hier über den Klang so gar nicht beklagen.. ;-)
 
...macht das denn wirklich so viel aus im Klang, wenn der Steg mal nicht durchläuft? Schwingungsübertragung kann doch der Resonanzboden auch allein..?. Oder?

Das Foto sieht aber wirklich eigenartig aus - als sei da bei der Planung etwas schiefgegangen, und als habe man da nachträglich einen faulen Kompromiss verbuddelt.

Ich habe in meiner Kiste auch einen geteilten Steg - der Basssteg geht extra. Kann mich aber hier über den Klang so gar nicht beklagen.. ;-)

Der Resonanzboden überträgt natürlich die Schwingungen. Schwingungen werden aber auch seitlich durch den starren Steg weiter getragen und so verteilt sich alles gleichmäßiger. Der homogene, tragende Klang jedes einzelnen Tones wird maßgeblich davon beeinflusst. Die Randbereiche in der Mittellage (Spreitzentöne) sind immer etwas unterbelichtet, wenn der Steg geschwächt wird. Das ist bautechnisch oft nötig. Ist es zuviel, fallen Töne schneller ab und dem ist mit Intonieren oft kaum beizukommen.

Jedes Klavier und fast alle Flügel haben den Langsteg und den Basssteg geteilt. Wir betrachten hier aber auch Randbereiche des Bodens mit sehr langen Saiten. Da spielt das keine klangliche (Haupt)rolle. Nur bei einigen Modellen von Steinway und vielleicht Nachbauten gibt es eine starre Verbindung zwischen Basssteg und Langsteg. Dies hilft dem Übergang zum Bass und lässt die Randsaiten des Langsteges und auch des gesamten Basses noch deutlicher und tragender hervor treten. Ich habe aber bei keinem Hersteller den Langsteg geteilt gesehen, sozusagen fast in der Mitte des Resonanzbodens, weil das klanglicher Humbug ist.

LG
Michael
 
Das möchte ich korrigieren:
Ein kombinierter Bass- und Langsteg war früher bei Klavieren wie Flügeln weit verbreitet.
Stichwort: Geradsaitige Instrumente. z.B. Broadwood

Das stimmt. Aber das waren dann oft Krücken bezüglich des freien Schwingens insbesondere im Bass. Der Resonanzboden saß bezgllich der tiefsten Basstöne einfach viel zu fest, zu nah an der Seitenwand.

Wozu sonst hatte damals 1862 der Meister Bechstein so listige, aber doch letztlich schratige Sachen gemacht wie den Bassbauch, der eine Unterbrechung der Basswand erforderte mitsamt einer Spreize, die die Spannungen aufnahm? Nur um dem Bass freies Schwingen zu geben! Die Idee war sicherlich gold - nur die Ausführung mau..

Das sind doch genau diese Fummeleien, die den alten, nicht überkreuzten Flügel heutzutage (gegen das brillante Steinway-Yamaha-Klangideal..) zu so Krücken machen..

Nicht ausprobiert bisher allerdings ist ein Geradsaiter, der sowohl rechts wie auch links reichlich Schwingungsplatz ließe, weil der Resoboden wesentlich breiter gebaut wäre, als es rein von der Skalierung der Harfe erforderlich wäre... Was heute mit einer sauber designten Platte kein Problem wäre.

Nur damals war man nicht soweit.. erst Onkel Theo S aus BS hatte so lange genadenlos herumexerimentiert, bis er in seinem neuen Lieblingsspielzeug, der Gießerei in Queens auf Long Island ab 1872 eine Gussmischung verarbeitete, die die doppelte Zugfestigkeit des damaligen Graugusses GG 25 aufwies - auch das aber ist heute kein Thema mehr.. Man muss sich mal überlegen, dass Theo den "american pitch" möglich machte: das A auf 457 Hertz brutal hochzustimmen. Das ging, ohne Probleme. Die Harfe eines Centennial D hält mehr als 30 Tonnen Zug aus. Und der Stimmstock auch.

Die Altvorderen in Frankreich derer Pleyel und Erard, die sich von Broadwood und Steinway hatten abhängen lassen um 1860 herum, hatten ja AUCH recht, dass das schlaue, erstmals im großen Guss gemanagte Overstringing an Flügeln von Henry Steinway junior so seine klaren Nachteile hat(te) - eben im Verlust der Prägnanz, der Klarheit, der sauberen Trennung der Töne, die ein Geradsaiter liefern kann.

Weil nun mit Kreuzbesaitung alles ineinander, übereinander läuft..

Es müsste sich ein Klavierbauer finden, der bei 88er Tasten-Klaviaturbreite den Resonanzboden (mindestens bassseitig) mal um 20-30cm breiter baute - wie den Imperial z.B. ... - und die ganze Chose testhalber schlicht wieder mal "geradsaitig" - nein: schon durchaus gefächert, aber nicht überkreuzt.

Besser noch also einen ultrabreiten Flügel (220?) der die Saitenfelder auch fächert wie die Kreuzsaiter - nur nicht in zwei Ebenen, sondern in einer.. mit einem großen kräftigen Rahmen darüber.

Ich könnte mir denken, dass da der Fachwelt erst die Ohren und dann die Augen aufgingen.. ob der Klarheit, der Sauberkeit des Klanges.

Kosten..?.. Pah. Ich wette: Gekauft würde das dann, wenn es richtig gut klingt, einzigartig, von den Reichen und Mächtigen wie besessen.

(...nur mit den ca. 25.000 in 130 Jahren ausgelieferten D-Konzertflügeln könnte es dann eng werden...

Nein, Idee: die sind dann alle für engagierte Amateure. Die Konzertsäle müssen sich dann alle den neuen super sauberen breiten Geradsaiter E-320 kaufen.)

:D

NB OT DAS wäre dann das echte Bentley-Klavier.
 
Selten, aber doch komme ich zu äußerst billig hergestellten englischen Klavieren aus den 1970er, 80er Jahren. So manche Einsparungen lassen sich ja noch irgendwie erklären. Aber warum man den Langsteg werkseitig komplett durchgeschnitten hat bleibt mir ein Rätsel.:rolleyes: Da spart man wirklich nichts und tonlich wird dabei so viel zerstört...

IMG_1174.JPG

Hat halt nimmer durch die Plattenstrebe gepaßt :D

Viele Grüße

Styx
 
Stimmt, KBM ich hätte dazuschreiben sollen "heute"

Jedenfalls war der fatale Schnitt nicht das einzige Opfer der Klavierbauer an dem Bentley ;-)

Hier sieht man, dass der Steg nur auf der klingenden Seite der Saiten gestochen wurde und auf der anderen Seite bloß abgefast. Durch diese sinnfreie Billigtechnik wird sichergestellt, dass Surren und Säuseln entsteht sobald der Bodendruck etwas nachlässt. Hätte der Konstrukteur gewollt, dass nur abgefast wird, wären die Stifte in eine Reihe platziert worden und die Schablonen dementspechend anders ausgefallen. Außerdem deuten die "überflüssigen" Anhangstifte darauf hin, dass die Konstruktion für Einzelösen und Umhängesaiten ausgelegt war. Einzelösenaufhängung ist etwas aufwändiger...

Anh%C3%A4ngestift.JPG
 
Krücken bezüglich des freien Schwingens insbesondere im Bass. Der Resonanzboden ... zu nah an der Seitenwand.

Bei meinem 240er Kaps-Gradsaiter von ca. 1850/60 ist die Auflage des Resonanzbodens in Bereich des Bass-Stegs an der Langwand als 'freischwingende' Leiste ausgebildet, um eben diesen Mangel zu mildern.


Zitat von Wiedereinaussteiger;:
die ganze Chose testhalber schlicht wieder mal "geradsaitig" - nein: schon durchaus gefächert, aber nicht überkreuzt.


Ist so oder ähnlich schon eine ganze Weile in Vorbereitung siehe unter Modell 408 :p

Klavins Pianos - The New Generation of Concert Grand Piano

Grüße
Toni
 
Die Mechanik ist ebenfalls einen Blick wert...

Es gibt keine Kasimirfütterungen in den Plastikkapseln, keine Dämpferstellschrauben um nachzuregulieren, keine Hammernussplättchen, und wenn irgendetwas klappert hat man viel zu tun...

D%C3%A4mpfertangente.JPG


...auch der Hammernußunterlagefilz fehlt.

Nuss.JPG
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Oh, meine arme Cousine hat auf einem Bentley spielen müssen.
Kein Wunder, dass sie zur Blockflöte gewechselt hat... :D

Es grüßt
Die Drahtkommode
 

Ist die ganze Mechanik zu weit weg von den Saiten montiert?
 

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