Beethoven und Romantik

@ Rolf: Gehört Beethoven denn auch zur Romantik?

hallo,

mit den späten Sonaten (op.101, op.106 [hier besonders der große langsame Satz], op.109, op.110 & op.111) ist Beethoven durchaus in der musikalischen Romantik angelangt.

Merkwürdig hierbei ist, dass sein insgesamt romantisches Spätwerk für viele Rezensenten im 19. Jh. als die wesentliche Quelle komplizierter und oft angefeindeter Musik galt: "Gounod galt als Umstürzler und Verstandesmusik. Gewiß begriffen die Kritiker allmählich, welche Dummheit sie sich vor wenigen Jahren erst geleistet hatten, als sie dem Komponisten der Mireille vorwarfen, Anhänger einer antimelodischen Schule zu sein, beeinflußt von Beethovens späten Quartetten, dieser trüben [sic!] Quelle, aus der die modernen schlechten Komponisten Deutschlands hervorgegeangen sind, die Liszt, Wagner, Schumann (Man fragt sich, wer die guten waren)"
((aus J. Barraque, Debussy)) :D

die Fuge aus op.110 gilt übrigens als Musterbeispiel einer romantischen Fuge, und wo, wenn nicht in der Romantik, sollte man denn op.109 hintun?

Schönberg & Skrjabin hatten nicht atonal angefangen, bewegten sich dann aber aus der Tonalität heraus - Beethoven hat gewiß nicht romantisch angefangen, bewegte sich aber dann aus der Wiener Klassik hinaus.

Gruß, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
@ Rolf: Gehört Beethoven denn auch zur Romantik?

Trotz Rolf's wie immer interessanter Antwort und trotz off-topic-Gefahr würde ich doch dazu sagen, dass das Beispiel Beethovens - wie vieler anderer Komponisten - auch die Grenzen einer zeitlichen oder zeitlich-geographischen Einteilung der Musikgeschichte zeigt. Der Einfluss von Beethoven auf "die Romantiker" ist wohl viel zu komplex als dass man ihn einfach als einen von ihnen bezeichnen kann.
 
trotz off-topic-Gefahr

trotz off-topic-Gefahr würde ich doch dazu sagen, dass das Beispiel Beethovens - wie vieler anderer Komponisten - auch die Grenzen einer zeitlichen oder zeitlich-geographischen Einteilung der Musikgeschichte zeigt. Der Einfluss von Beethoven auf "die Romantiker" ist wohl viel zu komplex als dass man ihn einfach als einen von ihnen bezeichnen kann.

aus off topic Jux nur kahle Daten:
Ludwig van Beethoven 1770-1827
E.T.A. Hoffmann 1776-1822
Carl Maria von Weber 1786-1826

Sonate op.109 1820
Konzertstück für Klavier und Orchester f-Moll 1821
Sonate op.111 1821/22

ulkig... Hoffmann als Literat eindeutig Romantiker, hat als Rezensent Beethoven als Romantiker bezeichnet, war als Komponist allerdings der Wiener Klassik näher als der Romantik

ulkig auch, dass die prominenten späten Sonaten ungefähr zur selben Zeit wie das sehr romantische Konzertstück entstanden sind

die literarische Romantik setzt ungefähr um 1800 ein, die musikalische ungefähr ab 1810 - - Beethovens Spätwerke (Missa solemnis, Sinfonie IX, Sonaten op.101-111, letzte Quartette) sind als Exempel für Großformen nicht nur maßstabsetzend für spätere musikal. Romantiker (Schumann, Mendelssohn, Brahms, auch Liszt & Wagner, weniger Rossini & Verdi) sondern sind auch der musikal. Romantik eher zuzuordnen als einem vagen späten Klassizismus ;) - - gönnen wir doch dem grimmen Ludwig, gegen Ende (als er so richtig auf der Höhe war), nicht nur sehr romantisch komponiert zu haben, sondern manches der Spätromantik vorweggenommen zu haben!

ketzterisch, aber in den Noten sichtbar, ohnehin hörbar: es gibt in op.106-111 einige Stellen, da könnte man Beethoven zum Erfinder von Schumann und Chopin erklären :)

op.101 und Schumanns Klavierkonzert - verräterische Dramaturgie

Gruß, Rolf
 
ulkig... Hoffmann als Literat eindeutig Romantiker, hat als Rezensent Beethoven als Romantiker bezeichnet, war als Komponist allerdings der Wiener Klassik näher als der Romantik

Gruß, Rolf
Aber Hoffmann verstand ja unter romantischer Musik was ganz anderes als wir heute. Für den waren ja auch Haydn und Mozart romantische Komponisten. (Was nicht heißen soll, dass ich Beethoven nicht auch für einen Teilzeitromantiker halte)

lg marcus
 
ketzterisch, aber in den Noten sichtbar, ohnehin hörbar: es gibt in op.106-111 einige Stellen, da könnte man Beethoven zum Erfinder von Schumann und Chopin erklären :)

op.101 und Schumanns Klavierkonzert - verräterische Dramaturgie

Es wäre doch mal interessant einen Faden aufzumachen für Stellen in der Klavierliteratur, wo ein Stil, eine Harmonik o.ä. vorweggenommen wird. Wo der Komponist, wie man immer so schön sagt, zukünftiges vorausahnt :)
Soweit ich weiß, gibt es da bei Chopin z.B. ansatzweise "Quartenharmonik", bei Mozart habe ich von einer fast wagnerianischen Opernstelle gehört uswusf. (Bach müsste doch eine Fundgrube für sowas sein)

Leider fehlt mir der nötige Überblick und das Fachwissen, um mehr als ein paar Anregungen dazu beizutragen.

Wie wär's wenn ein erfahrener Pianist einen kleinen Thread erstellt? :)

lg marcus
 
off-topic

(1)
Es wäre doch mal interessant einen Faden aufzumachen für Stellen in der Klavierliteratur, wo ein Stil, eine Harmonik o.ä. vorweggenommen wird. Wo der Komponist, wie man immer so schön sagt, zukünftiges vorausahnt :)
(...)
(2)
Wie wär's wenn ein erfahrener Pianist einen kleinen Thread erstellt? :)

hallo,

(1)
das wäre sicher ein sehr schönes und interessantes Thema - niemand hindert Dich, ein solches zu initiieren :)

(2)
...das Erstellen eines "Thread" (ich kann mich mit den Anglizismen nicht wirklich anfreunden) bzw. die Berechtigung dazu sollte nicht an Berufs- oder Personengruppen gebunden sein :D

Gruß, Rolf

ps.: im Anhang eine sehr "chopineske" Stelle aus Beethovens op.111, und zwar im 5.-7. Takt - und egal wie das Notenbild aussieht: es ist nicht schwer zu spielen!
 

Anhänge

  • chopineske Stelle in op.111.jpg
    chopineske Stelle in op.111.jpg
    139,1 KB · Aufrufe: 68
hallo,

:) der Vollständigkeit halber in diesem durch Zellteilung oder Abspaltung entstandenen Faden ein Selbstzitat:

"ich kann mich nicht erinnern, dass zumindest ich irgendwo "behauptet" hätte, der komplette Beethoven müsse in der Romantik angesiedelt werden. Ich habe lediglich darauf verwiesen, dass einige seiner Spätwerke stilistisch in die Romantik gehören.

ich erkenne keinen sinnvollen Grund, Beethoven auf ein flach-planes Ettikett wie "Wiener Klassik, sonst nix" zu reduzieren.

spaßeshalber:
mich hat manche stilistische bzw. epochenmäßige Einschätzung bei IMSLP sehr gewundert - bzgl. Beethoven ist dort zu finden:
Sonate op.2 Nr.3 "classic"
Sonate op.53 "romantic"
Sonate op.111 "romantic"
... sicher sind diese Einteilungen nicht der Weisheit letzter Schluß - ich würde die Waldsteinsonate noch nicht zur Romantik zählen: eher wie eine musikalische Variante von Klassizismus (was man nicht mit dem oft mißverstandenen Ettikett "Klassik" verwechseln darf)

auch wenn ich mich wiederhole: Beethoven passt einfach nicht in nur eine einzige Schublade - es sei denn, an der Schublade ist folgender Zettel angeheftet: "genialer Komponist"


und geniale Komponisten können und dürfen durchaus "Entwicklungen" durchmachen, ja das geschieht doch einigen, die an der Wende von einer zur anderen Stilepoche lebten:
- Gluck hat nicht nur streng "barock" komponiert, z.B. in seinem Orpheus klingt manches sehr "klassisch"
- Skrjabin fing als virtuoser "Chopinnachfolger" sehr spätromantisch an, wandelte sich dann zu einem sehr originellen "Neutöner", der sein eigenes atonales System entwickelte
- Schönberg setzte sich ebenfalls anfangs mit Tonalität und spätromantischer Chromatisierung auseinander ("verklärte Nacht"), komponierte auch tonale Lieder, um sich später in Ablehnung gegen die übersteigerte Harmonik der Tristanachfolge zu wenden, und komponierte dann zunächst frei atonal, bis er auch exemplarisch in seinem theoretisch fundierten 12-Ton-System komponierte.

innerhalb der Barockmusik gab es übrigens Gezänk um den "italiänischen Styl" - das hinderte aber weder Bach noch Händel, sowohl diesen als auch den dagegen gestzten Stil einzusetzen und in beiden genial zu komponieren :)

Gruß, Rolf
 

Zurück
Top Bottom