Bechstein Concert 8 Nachhall/Nachschwingen

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Crescendo

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3. Feb. 2013
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Liebe Clavionistinnen und Clavionisten

Seit knapp 3 Wochen bin ich stolzer und glücklicher Besitzer eines C. Bechstein Concert 8 (Wie es dazu kam, ist im Vorestellungsforum nachzulesen.). Vorher habe ich 35 Jahre lang (mehr und zeitweise auch sehr viel weniger intensiv) auf einem 114er Ühlmann Klavier (Ungarn) gespielt. Schon beim Händler ist mir aufgefallen, dass das Bechstein einen leichten Nachhall respektive Nachschwingung hat - nicht störend, aber doch deutlich wahrnehmbar. Da der Händler versprochen hatte, das Klavier vor Auslieferung zu regulieren, habe ich dem weiter keine Bedeutung zugemessen. Ich ging davon aus, dass die Dämpfung nicht optimal eingestellt sei und das Phänomen nach Regulierung verschwinden würde. Nun da das Klavier in unserem Musikzimmer steht, ist es immer noch deutlich wahrnehmbar. Bestimmt ist es so, dass man bei einem neuen Instrument unwillkürlich noch genauer hinhört. Allerdings ist mir beim Ühlmann ein solcher Nachhall (ca. 10 Sekunden, ganz leise) nie aufgefallen. Nachdem ich mich beim Klavierhändler erkundigt habe, hat er mir noch gleichentags einen Klaviertechniker vorbeigeschickt - super Service - der gemeint hat, ein leichtes Nachschwingen sei bei diesem Klangvolumen normal, wenn es mich wirklich störe, könne man aber grössere Dämpferfilze einbauen. Auf jeden Fall ist es so, dass die Dämpferfilze korrekt aufliegen (drückt man eine Basssaite, kommt der Filz mit, der Filz hat also einen gewissen Druck).

Nun meine Frage an Bechstein Concert 8 Besitzer, oder an Leute die Erfahrung mit grösseren Klavieren (131cm) oder Flügeln haben: Schwingen diese Instrumente immer noch etwas nach - so ca. 10 Sekunden, bis sich die akustischen Komponenten beruhigt haben?

Vielen Dank für Eure Antworten + Liebe Grüsse aus der verschneiten Schweiz

Crescendo
 
Ich denke, das gehört zum Bechstein-Charakter und ist gewollt.
Man könnte den Nachhall etwas eindämmen und ein Filzband in die Saiten wickeln, aber damit würde man wohl nicht nur den Nachhall wegdämpfen.
Ich hab mich einfach dran gewöhnt mit der Zeit. :)
 
Die Frage ist wirklich interessant. Ich habe zwar nur ein 118er C. Bechstein aber dieser "Nachhall" ist hier auch gegeben (im Diskant länger als im Bass). Ohne an den Worten von Megahoschi zu zweifeln:-).: Ist das typisch für Bechstein und würde man ihn durch das beschriebene Prozedere mit den Filzen beseitigen können ohne dass die Klangfarbe verändert werden würde?

LG
Christian
 
Im Diskant sind nun mal einige Saiten nicht gedämpft... wenn nun das Klavier sauber gestimmt ist, schwingen diese Saiten automatisch mit, wenn irgendwo ein Tönchen gespielt wird... ebenso logisch, dass sie auch dann weiterschwingen, wenn der Ursprungston abgedämpft wird. Da hilft auch kein eingeflochtenes Filzband... ausser man verzichtet einfach auf den gesamten Diskant und entfernt die ungedämpften Saiten :D
LG Georg
PS: Bei höherwertigen Klavieren ist der Effekt oft stärker, weil die Ausklingzeit meist auch eine viel längere ist als bei Kleinklavieren...
 
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Nun meine Frage an Bechstein Concert 8 Besitzer, oder an Leute die Erfahrung mit grösseren Klavieren (131cm) oder Flügeln haben: Schwingen diese Instrumente immer noch etwas nach - so ca. 10 Sekunden, bis sich die akustischen Komponenten beruhigt haben?

Vielen Dank für Eure Antworten + Liebe Grüsse aus der verschneiten Schweiz

Crescendo

Mein Klavier ist kein Bechstein. Es ist ein über hundert Jahre altes wiener Klavier, so ca 1,30m Hoch und klingt auch leise nach.

Gruß cm
 
Vielen Dank für die Erläuterung Georg, das verstehe selbst ich als reiner Tastendrücker und Klavierbaulaie. Auf den Diskant möchte ich nicht verzichten, dafür liebe ich ihn zu sehr bei meinem Klavier:-).

LG
Christian
 
PS: Bei höherwertigen Klavieren ist der Effekt oft stärker, weil die Ausklingzeit meist auch eine viel längere ist als bei Kleinklavieren...

@Crescendo
Zwar bin ich alles andere als eine Fachfrau diesbezüglich, aber das sehe ich ebenso. Anstatt bei einem so schönen Instrument an irgendwelche Kastrationen des Klanges mittel Filz zu denken, was naheliegend sein mag, würde ich mir erst mal über die Raumakustik vor Ort Gedanken machen und diese auf Herz und Nieren überprüfen. Wie war diese im Klavierladen im Vergleich zum eigenen Raum? Dort hast Du den Nachklang als weniger, bzw. nicht störend empfunden, wie ich las, oder? Warst Du einfach zu verliebt, blind und taub? Könnte ich verstehen! Oder stellt sich jetzt bei Dir die Nachkauf-Depression ein? Dann mach Dir nichts draus, einfach weiterspielen, das gibt sich, ist ein bekanntes Phänomen.

Ich schreibe Dir, weil ich soeben wieder einmal festgestellt habe, dass mein alter kleiner Wiener Flügel, der offenbar heute aus klimatischen oder sonstigen kosmischen Gründen nicht gut kling, nur durch das Öffnen der Tür zum Flur plötzlich zum reinen Klangwunder mutierte (ich liebe Übertreibungen;)). Umgekehrt geht auch.

Außerdem: Der Schritt vom 114er Ühlmann Klavier zum Bechstein Concert ist allgemein riesig. Ich nehme mal an, dass ersteres sich nicht durch außergewöhnliches Klangvolumen auszeichnete, sondern eher ein echt braver Kumpel war. Eine solche Umgewöhnung braucht Wochen... Mit zu engen Schuhen aber, bis man Hühneraugen bekommt, sollte man nicht rumlaufen.

Ich wünsche Dir eine recht baldige Lösung für Dein Problem.
Seniora
 
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Liebe Clavionistinnen und Clavionisten

Vielen Dank für die hilfreichen Antworten! Ich bin beruhigt, es ist wohl wirklich so wie ich es mir gedacht habe: Wo mehr Resonanz drin ist, resoniert auch mehr und länger - oder so ähnlich.

@Seniora
Liebe Seniora,
Jetzt habe ich fast ein schlechtes Gewissen, dass Du Dir solche Sorgen machst! Es hat mich nur interessiert ob dieses Phänomen bei anderen Klavieren auch vorkommt. Störend ist es ja nicht, für mich nur zu Beginn ungewohnt - aber ich geniess ja sogar den Nachklang in vollen Zügen! (Es gibt manchmal sogar Momente :( - da übertrifft der Nachklang das vorher gespielte.)

Bei aller Liebe war ich bestimmt weder blind noch taub (vor allem taub wäre wahrlich suboptimal beim Klavierkauf;)), das bestätigt mir jeder einzelne Ton den ich auf diesem Instrument anspielen darf! Und nein, eine Nachkauf-Depression stellt sich bestimmt nicht ein: Die Freude wächst, vor allem wenn mich das Instrument mit einem Regenbogen verschiedener Klangfarben belohnt. Zwar denke ich hie und da noch mit einiger Rührung an meinen braven Kumpel Ühlmann und wie es ihm wohl ergeht, ob er wohl ein neues Zuhause findet... (Hey Seniora, kannst Du Gefühle lesen? Das mit dem alten Kumpel trifft den Nagel voll auf den Kopf, ich hätte keine so treffenden Worte gefunden!)

So, und bevor ich noch ganz sentimental werde, mache ich mich jetzt ans Klavier und versuche den Klangfarben-Regenbogen zur Entfaltung zu bringen!

Liebe Grüsse

Crescendo
 
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Ich schreibe Dir, weil ich soeben wieder einmal festgestellt habe, dass mein alter kleiner Wiener Flügel, der offenbar heute aus klimatischen oder sonstigen kosmischen Gründen nicht gut kling, nur durch das Öffnen der Tür zum Flur plötzlich zum reinen Klangwunder mutierte (ich liebe Übertreibungen;)). Umgekehrt geht auch.
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Wahrscheinlich sank die Temperatur und stieg die Luftfeuchtigkeit durch das Öffnen der Tür. (Zwischen 45% und 55% rel.LF. ändert sich der Klang deutlich hörbar von 'naja', über 'ok' und 'gut' bis 'sehr gut'- zumindest bei meinem Wiener Flügelchen.)

Gruß cm
 

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Genau, die Temperatur sinkt, die LF aber auch! Theoretisch passt das gar nicht, ich bin etwas verwirrt. Die Klangphänomene durch veränderte LF wie von Dir beschrieben kann ich jedoch voll bestätigen. Als ich dies irgendwann im Forum einmal ansprach, hielt man das offensichtlich für esoterischen Nonsens. Aber vielleicht gilt das nur für solche Sensibelchen wie Wiener Flügelchen ;). Die leben eben richtig mit uns. Freut mich, dass Du auch einen hast.
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Es gibt eine einfache Erklärung dafür.
Die relative Luftfeuchtigkeit gibt an, zu wieviel Prozent die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist. Die Aufnahmefähigkeit der Luft ist vom Druck und von der Temperatur abhängig. Der maximale Gewichtsanteil des Wasserdampfes liegt bei 20° Lufttemperatur bei ca. 14,7g/kg oder anders ausgedrückt, bei ca. 17,7g/m³. Bei 50% rF sind das 7,35g/kg (8,85g/m³). Bei einer Lufttemperatur von 22°C liegt bei voller Sättigung der Gewichtsanteil des Wasserdampfes bei ca. 16,7g/kg (19,94g/m³). Bei 50% rF ist es die Hälfte davon.

Weil die Luft bei einer höheren Temperatur mehr Wasserdampf aufnehmen kann, steigt die rel. LF, wenn in einem geschlossenen Raum die Temperatur sinkt.

Woran ich jedoch nicht gedacht hatte, abgelenkt von der Erinnerung an die Wahrnehmung eines besseren Klanges bei höherer rF, ist die Möglichkeit dass durch das Öffnen einer Türe, kühlere, trockenere Luft einströmt. Diese erwärmt sich und wird dadurch, relativ gesehen, noch trockener. Der Wasserdampf in der Luft verteilt sich in der gesamten, jetzt im Raum befindlichen Luft und wird somit, relativ gesehen, geringer sein als vor dem öffnen der Türe.

Bin ich froh, dass Du die geänderte Akustik erwähnt hast. Die Bedingungen bezüglich rel. LF sind möglicherweise schlechter als vor dem Öffnen der Türe.
Aber sicher nicht die relative.
Da stellt sich mir die Frage: Was ist wichtig für guten Klang. Feuchte Luft oder relativ feuchte Luft?
Zu beachten ist die relative Luftfeuchtigkeit.
Holz ist hygroskopisch, es nimmt Feuchtigkeit aus der Umgebung auf und gibt sie wieder ab. Es wird sich auf eine gleichmäßige Feuchtigkeit (relative Gleichgewichtsfeuchte) einstellen, die von der Umgebungstemperatur und -feuchtigkeit abhängig ist. (ca. 8 - 10% Holzfeuchtigkeit bei 40 - 50% rel. Luftfeuchtigkeit.)
Holz dehnt sich aus wenn es Feuchtigkeit aufnimmt und schrumpft wenn es trocknet.

Eventuell ändern sich dadurch Spannungsverhältnisse im Gehäuse und im Resonanzboden. Das vermute ich als Ursache für die Änderung des Klanges.

Grüße
cm
 
Mal ganz laienhaft physikalisiert: Wasser ist ein besserer Schallleiter als Luft. Luft mit mehr Wasser drinne also folglich ebenso - im Vergleich zu Luft mit weniger Wasser drinne . ist es so einfach? Ich glaube es fast...
 
In dem Fall freue ich mich schon auf das erste Unterwasser-Konzert. :)
Womöglich liegt es gar nicht am Holz sondern an uns; das Trommelfell funktioniert durch feuchte Luft gut geschmiert einfach besser?

Am Ende haben auf jeden Fall Recht:
Klavierbauermeister und HoeHue
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mal ganz laienhaft physikalisiert: Wasser ist ein besserer Schallleiter als Luft. Luft mit mehr Wasser drinne also folglich ebenso - im Vergleich zu Luft mit weniger Wasser drinne . ist es so einfach? Ich glaube es fast...

Nein, leider völlig daneben.

Du überträgst die Schallleitungseigenschaften von flüssigem Wasser auf Wasserdampf. Das ist ziemlich sinnfrei. ;)

@ Caligulaminix:

Relative Luftfeuchte hat nichts mit der "Aufnahmefähigkeit" von Luft für Wasserdampf zu tun. Das ist die klassische Erklärung, die oft für Laien verwendet wird, aber leider falsch.

Das Prinzip der rLF trifft genauso auf Wasserdampf in anderen Gasen (oder sogar in einem Vakuum!) zu. Es geht, in aller Kürze, um das Gleichgewicht zwischen flüssigem Wasser und Wasserdampf. Je höher die Temperatur (des flüssigen Wassers), desto höher ist die Verdampfungsrate an der Oberfläche, desto mehr Wasserdampf geht in die Umgebung, bevor das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Gleichgewicht ( = Sättigung bzw. 100% rLF) besteht dort, wo Verdampfungsrate und Kondensationsrate an der Oberfläche vom Wasser gleich sind.

Relative Luftfeuchte wird nun definiert als Dampfdruck relativ zum Dampfdruck bei Sättigung.

Das hat wiegesagt mit "Haltevermögen" der Luft nichts zu tun, sondern trifft genauso auf ein Vakuum zu, also das Gleichgewicht zwischen flüssigem Wasser und reinem Wasserdampf, ohne jegliche andere Gase.

[Vorlesung Ende]
 
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@ Caligulaminix:

Relative Luftfeuchte hat nichts mit der "Aufnahmefähigkeit" von Luft für Wasserdampf zu tun.
...
Aha.
( = Sättigung bzw. 100% rLF) besteht dort, wo Verdampfungsrate und Kondensationsrate an der Oberfläche vom Wasser gleich sind.
Eigentlich dachte ich, dass an diesem Punkt die maximale Wasserdampfmenge bei der momentanen Temperatur, in der Luft enthalten ist. Sie nimmt also keinen Wasserdampf mehr auf. Der Wasserdampfgewichtsanteil wird nicht mehr steigen.

Wenn der Wasserdampfgewichtsanteil nur die Hälfte ist, spreche ich eben von 50% rLF. Ist das wirklich falsch?


Es ist mir neu, dass die Luft eine Wasseroberfläche bräuchte um Wasserdampf aufzunehmen. Ist es nicht so, dass jedes hygroskopische Material dazu imstande ist, Wasserdampf an die Luft abzugeben wenn die Parameter dafür passen?

Bei Vakuum würde ich von rF und nicht von relativer Luftfeuchtigkeit sprechen. Ich bin eben nur Laie. ;)

Relative Luftfeuchte wird nun definiert als Dampfdruck relativ zum Dampfdruck bei Sättigung.
Das ist richtig!
Man könnte das vielleicht auch so darstellen:
rel. LF = Dampfdruck / Sättigungsdampfdruck * 100 %
oder ungefähr:
rel. LF = spezifische Luftfeuchtigkeit / Sättigungsfeuchtigkeit * 100 %
rel. LF = Mischungsverhältnis / Mischungsverhältnis bei Sättigung * 100 %

Zum Schluß bitte ich Dich um eine allgemein verständliche Erklärung, ohne die von Dir bei meiner Erklärung bemängelten Fehler. Wir sind keine Physiker sondern Klavierspieler.

Gruß cm
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Aha.

Eigentlich dachte ich, dass an diesem Punkt die maximale Wasserdampfmenge bei der momentanen Temperatur, in der Luft enthalten ist. Sie nimmt also keinen Wasserdampf mehr auf. Der Wasserdampfgewichtsanteil wird nicht mehr steigen.
Der Punkt, auf den Klimperer hingewiesen hat ist der, daß es für die maximale Wasserdampfmenge in einem bestimmten Raumvolumen völlig egal ist, ob da auch noch Luft ist. Oder CO². oder Helium. Sobald die Wassermenge in einem bestimmten Raumvolumen den Sättigungswert (entspricht dem Dampfdruck) überschreitet, kondensiert es.
 
Argh, ich hatte eine lange, detaillierte Antwort verfasst, und die ist mir abhanden gekommen. Hoehue hat kurz und knapp recht.

Wenn ich später Zeit habe, schreibe ich nochmal.
 
Eigentlich dachte ich, dass an diesem Punkt die maximale Wasserdampfmenge bei der momentanen Temperatur, in der Luft enthalten ist. Sie nimmt also keinen Wasserdampf mehr auf. Der Wasserdampfgewichtsanteil wird nicht mehr steigen.

Nein, nicht Luft, sondern Raum, wie Hoehue schon schrieb.

Gase haben soviel "Zwischenraum" zwischen ihren Molekülen, dass sie in einem Raum praktisch unabhängig voneinander existieren. Der Dampfdruck von Wasser in einem Raum kommt nicht darauf an, ob in diesem Raum auch andere Gase vorhanden sind, sondern lediglich auf
a) Größe des Raums
b) Menge des Wasserdampfs und
c) Temperatur des Wasserdampfs.

Wenn der Wasserdampfgewichtsanteil nur die Hälfte ist, spreche ich eben von 50% rLF. Ist das wirklich falsch?

Nicht unbedingt falsch, sondern ungenau. Nämlich: Die Hälfte wovon?
... die Hälfte vom maximalen "Haltevermögen" der Luft = falsch.
... die Hälfte der maximalen Wasserdampfmenge für diese Raumgröße und Temperatur = richtig.

Es ist mir neu, dass die Luft eine Wasseroberfläche bräuchte um Wasserdampf aufzunehmen. Ist es nicht so, dass jedes hygroskopische Material dazu imstande ist, Wasserdampf an die Luft abzugeben wenn die Parameter dafür passen?

Aber schau, was befindet sich denn an der Oberfläche eines jeden hygroskopischen Materials? Etwa Wasserdampf? Nein, sondern flüssiges Wasser! Woher sonst sollte die Luft den Wasserdampf aufnehmen, wenn nicht aus der Verdunstung von einer flüssigen Oberfläche? Alle diese Materialien, der feuchte Lappen, das feuchte Kochsalz, der HydroCeel-Stab, sie alle sind Speicher für flüssiges Wasser, und geben es durch Verdunstung an die umgebende Luft ab.

Kondensation und Verdunstung finden übrigens beide ständig statt. Aber je niedriger die rLF, desto stärker überwiegt die KVerdunstung (sprich: der Lappen trocknet schneller aus). Bei niedriger rLF ist es stastisch sehr unwahrscheinlich, dass sich auf der Oberfläche noch viele Wassertröpfchen befinden, aber im Molekularbereich kommt selbst bei niedriger rLF noch gelegentlich (micro-)Kondensation vor. Perfekt "trocken" (sprich: total wasserfrei) wird der Lappen oder das Salz also nur, wenn die umgebende rLF 0% beträgt. Ansonsten befindet sich auf dem Lappen (oder im Salz) immer eine gewisse Menge flüssigen Wassers.

Andersherum: steigt die relative Feuchte über 100%, überwiegt die Kondensation - vorausgesetzt, es finden sich Kondensationskerne wie Staubkörnchen, oder bestehende Wassertröpfchen. (Falls sich keine finden, ist der Raum mit Wasserdampf übersättigt.)

Bei Vakuum würde ich von rF und nicht von relativer Luftfeuchtigkeit sprechen. Ich bin eben nur Laie. ;)

Das ist auch ganz richtig. Ich wollte nur folgendes aufzeigen: der Begriff LuftFeuchte bedeutet nicht, dass die Luft physikalisch ins Spiel kommt. Die r(L)F bezieht sich nur auf die Wechselwirkung zwischen flüssigem Wasser und Wasserdampf, bzw. auf die Menge Wasserdampf relativ zur Sättigungsmenge für diesen Raum und diese Temperatur (egal, ob der Raum mit Luft gefüllt ist oder nicht).

rel. LF = Dampfdruck / Sättigungsdampfdruck * 100 %
Exakt richtig, per Definition.

oder ungefähr:
rel. LF = spezifische Luftfeuchtigkeit / Sättigungsfeuchtigkeit * 100 %
Auch richtig, solange sich "Feuchtigkeit" definiert als "Menge Wasserdampf pro Volumen Raum".

rel. LF = Mischungsverhältnis / Mischungsverhältnis bei Sättigung * 100 %

Da wird's schon wieder heikel. Numerisch stimmt der Wert zwar, aber die Definition erregt den Anschein, als habe die Gegenwart von Luft etwas zu bedeuten. Und das hat sie nicht. Insofern ist diese Definition unsauber, weil unnötig kompliziert.

Schlussbemerkung: Verdunstung und Kondensation dienen hier zur Veranschaulichung. Selbst wenn gar kein flüssiges Wasser zugegen ist (z.B. relativ trockene Luft in einem perfekt glatten Behälter), wird die r(L)F stets relativ zur Sättigungsmenge definiert, als befände sich der Wasserdampf im Austausch mit einer (micro-)Wasseroberfläche.

Soweit mein Verständnis... ob's für Klavierspieler taugt, mag ich nicht vorherzusagen.

Ciao,
Mark
 

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