Anna Lapwood im Kölner Dom

  • Ersteller Ersteller Stefan379
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Warum diese Aufregung? Solange Ihr nicht gezwungen werdet, Rieu und Konsorten Euch anzuhören, kann es Euch doch sch…egal sein, mit welcher Musik die ihr Publikum bedienen. Glaubt Ihr, wenn Franz Lizszt nur Bach-Fugen und Beethoven-Sonaten zum Besten gegeben hätte, wäre ein Schw…n kn seine Konzerte gerannt. Mit seinen Opern-Paraphrasen hat er dem Publikum den Zucker gegeben, den es haben wollte. Und seine show (allerdings auch sein Können) war verdammt gut, samt der Skandale und publicity-wirksamen Charity-Konzerte. Wenn Ihr es nicht schafft, die Säle zu füllen, dann liegt es an Euch - oder an der Musik.
 
Es gibt verdammt gute Jazzmusiker, deren Musik groovig, kreativ, unterhaltsam und alles ist und bei denen trotzdem nur 50 Boomer im Publikum sitzen. Diese Behauptung "wenn keiner kommt oder keiner deine Platten kauft, liegt es halt an dir, oder die Musik ist kacke" ist Bullshit und wird durch ständiges Nachplappern nicht richtiger.
 
Wenn die Musik halt nicht gefällt? Wilst Du die Menschen zwangsbeglücken? Die ganze Belegschaft antreten zum Jazzkonzert (oder was auch immer)!!! Ab Marsch!
 
Wenn die Musik halt nicht gefällt? Wilst Du die Menschen zwangsbeglücken? Die ganze Belegschaft antreten zum Jazzkonzert (oder was auch immer)!!! Ab Marsch!

Hat er nun auch nicht verlangt. Aber Masse ist eben kein Qualitätskriterium. Heino macht auch keine gute Musik, nur weil er mehrere goldene Schallplatten bekommen hat.

Und manchmal muss man halt damit leben, dass gute Musik eben keine Massen anspricht.

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortereicher und leerer war?

Ach! Der Menge gefällt, was auf dem Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.

Hölderlin
 
Ich habe da bei Anna Lapwood etwas mehr Hoffnung, weil die Andre Rieue-Fans in einer anderen Altersklasse sein sollten als die von Anna Lapwood. Da gibt es noch mehr Entwicklung. Man müsste mal beim nächsten Konzert von Prof. Böhnig die Leute fragen, ob da jemand durch Frau Lapwood drauf gekommen ist. Bestimmt nicht viele, aber vielleicht doch ein paar.

Ich vermute nicht, dass es eine Umfrage gegeben hat. Bönigs eigenes Konzert neulich war wie üblich gut besucht, aber nicht überfüllt.
 
Ich habe auch nichts gegen einfach gestricktere Musik. Ab und zu konsumiere ich auch seichtere Kost. Ich verstehe nur nicht, dass bei Musik sich immer alle so angegriffen fühlen, wenn man darauf hinweist, dass Andrea Berg nunmal nicht auf dem Niveau von Bach ist.

Wer irgendeinen Billigroman liest, stört sich meist weniger daran, wenn man den für eine niedrigere Kunstform hält. Keine Ahnung, warum das bei Musik immer so ein Tabuthema ist.
 
Du hast Recht, bei dem Groschenroman kommt keiner auf die Idee, das als Literatur zu bezeichen. Das heißt nicht, dass man nur große Literatur lesen darf, wirklich nicht. Aber es gibt eben auch einen Unterschied zwischen Fast Food und Sterneküche. Solange man das auseinander halten kann, ist alles gut.

Bei Musik war das auch mal anders. Das ist leider so ein Zeitgeist, der alles "gut" nennt, damit sich nun ja keiner diskriminiert und auf die Füße getreten fühlt. Ich musste als Oberstufenschüler noch mit analytischen Mitteln Kunst von Kitsch unterscheiden. Das ist heute kaum noch zu unterrichten, weil die Schüler nicht mehr verstehen, dass das nichts mit Geschmack zu tun hat.
 
Ich verstehe nur nicht, dass bei Musik sich immer alle so angegriffen fühlen, wenn man darauf hinweist, dass Andrea Berg nunmal nicht auf dem Niveau von Bach ist.
Du verdrehst die Tatsachen! Nicht die Fans von Andrea Berg fühlen sich angegriffen von den Barock- bis Romantik-Enthusiasten. Es sind die Klassik-Verehrer, für die KünstlerInnen wie Helene Fischer oder Andrea Berg ein rotes Tuch sind. (Ich will gestehen, daß ich beide nur dem Namen nach kenne. Ich weiß nicht, was für eine Art von Musik sie produzieren.)
 
Ich frage mich bei diesen Diskussionen immer:

Was ist und macht Musik mit dem Menschen? Und wieviel "Wert" muss Musik haben, um sich positiv auf den Menschen auszuwirken?

Wissenschaftlich gesehen regt sie die meisten Hirnregionen an. Sie weckt Emotionen und trägt zur Emotionsverarbeitung bei, aktivieren, dynamisieren, motivieren, anregen, negative Gedankenschleifen unterbrechen, trösten, Kreativität hervorrufen u.s,w.

Natürlich können aber auch negative Emotionen auftreten, wie Aggressivität, Hass. Gewaltberereitschaft. Das ist dann sozusagen die andere Seite der Münze.

Körperliche und geistige Funktionen werden angesprochen. Botenstoffe wie Dopamin u.s.w. ausgeschüttet und dadurch das Gefühl vermittelt, sich gut zu fühlen.

Und ja: Sie darf auch Spaß machen.

Gesünder kann sie auch machen. Erwiesenermaßen stärkt sie das Immunsystem. Das wurde bei Chorsängern getestet durch Messung von Antikörpern im Speichel.

Einer der wichtigsten Punkte in meine Augen ist, das sie das Gemeinschaftsgefühl stärken kann und durch sie soziale Verbindungen entstehen können.

Erreicht werden kann das z.B. durch Besuch von klassischen Konzerten aber auch bei einem Schlagerfestival mit Andrea Berg oder Helene Fischer.

Menschen, die solche Events besuchen tanzen zu ihrer Musik, schwenken Feuerzeuge, singen, tanzen Arm in Arm mit. Sie fühlen sich gut.

Diejenigen, die klassische Konzerte besuchen verhalten sich eher ruhig, schmeißen aber ebenfalls Dopamin, Adrenalin u.s.w. aus.

Für mich ergibt sich weniger die Frage, wieviel wertvoller, welche Musik ist, sondern, was macht Musik für den Menschen so wertvoll.
 

Ein sehr schöner Beitrag, Marion. Bei diesen ganzen Diskussionen um "Musikgeschmack" schwingt (um es vorsichtig zu formulieren) bei einigen eine gehörige Portion Snobismus mit, mit dem ich nun gar nichts anfangen kann. Ich will es mal so sagen: ich bin häufiger Gast in der gehobenen Gastronomie, in Südbaden gibt es reichlich Gelegenheit dazu, und das sind immer besondere Erlebnisse, von solchen Könnern am Herd bekocht zu werden. Aber wenn ich die Türe zu einer Hütte des Pfälzerwaldvereins öffne, die ansteckende Fröhlichkeit der Gäste lautstark an mein Ohr dringt, mir ein Teller mit Saumagen, Lewwerkneedel und Sauerkraut serviert wird, dazu ein Schobbe Weinschorle, dann versetzt es mich in eine ganz ähnliche Begeisterung.
 
In dem Zusammenhang ist vielleicht die Lebensgeschichte von Tony Marshall interessant. Studierter Opernsänger mit Examen. Aus Geldnot (Familie!) halb betrunken einen Schlager aufgenommen, der ein Superhit wird. Was jetzt?
 
Einer der beiden Brüder Jussen (ich weiß nicht, welcher es war) heute Abend beim Open-Air-Konzert in Frankfurt, übertragen durch das hess. Fernsehen:

"Wir mögen einfach Klassik, aber auch andere Musik, Jazz, deutsche Schlager (!) ..."

(Gespielt haben sie übrigens das Klavierkonzert von Poulenc für zwei Klaviere und als Zugabe ein Potpourri von Strauß-Walzern, vielleicht eine - anspruchsvolle - Eigenkomposition; ich fand es faszinierend.)

Als Jugendliche mit circa 13 Jahren hatte ich keinerlei Probleme, neben Enid Blyton auch Heinrich Böll und eine Biographie über Freud zu lesen. Dass da Unterschiede waren, war mir durchaus bewusst, auch wenn ich gewiss nichts analysiert habe.

Später, am Lagerfeuer, haben wir dann mit der Gitarre anderes gesungen als im Kirchen- und Schulchor. :001: So what? Ein Problem war das nie für mich.

Musik hat auch mit der Situation zu tun, in der wir uns befinden. Eine Schostakowitsch-Sinfonie an der Fasnet wäre mehr als befremdlich.
 

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