Akkorde arpeggieren, LH/RH versetzt spielen

Cee

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Als Kind mochte ich es nie, wenn die Erwachsenen Akkorde arpeggierten oder zB die Stimme in der rechten leicht nachschleppten, obwohl das nicht in den Noten stand.

Habe inzwischen gelesen, dass das eine beliebte Spielart der Romantik war.
Und höre es bei Cembalomusik, wo man es wohl einsetzt, damit der Klang fetter wird; da stört es nicht.

Da ich mich nun auch hier und dort dabei ertappe, dass ich Akkorde auffächere und bestimmte Töne in der Stimme nachziehe, möchte ich die Wissenden hier fragen, was der aktuelle Stand der Lehre dazu ist. Nicht, dass sich bei mir in meinem zweiten Anlauf etwas falsch festfrisst...

Merci, Cee.
 
Ein Blick auf die Gitarre: Segovia arpeggierte arg viel, heute macht man das nicht mehr, selbst bei den Stücken, die er spielte.
Der Geschmack ändert sich.
 
Die Änderung des Geschmacks als Kriterium ist allerdings problematisch. Denn falls das Arpeggieren oder auch das Verzögern des ersten Melodietons einer Phrase wirklich ein Charakteristikum der romantischen Interpretation romantischer Werke war, müsste man ja im Sinne der historisch informierten Aufführungspraxis genau das auch heute machen - unabhängig vom
„Geschmack“ (was auch immer das ist). Ich vermute (bzw. hoffe), @rolf oder @Alter Tastendrücker können uns in der Frage weiterhelfen.
 
Es gab eine Zeit (60ger bis 80ger Jahre des verflossenen Jh.) Da war es ein sicheres Zeichen für Geschmacklosigkeit und Kitsch Töne nachzuklappern, kurz vorweg zu nehmen oder Akkorde die man greifen konnte zu arpeggieren, da half kein Verweis auf die Quellen und auch sonst nichts. Selbst die Tatsache, dass die besten Pianisten mit wenigen Ausnahmen von diesem Ausdrucksmittel Gebrauch machten war kein Argument, im Gegenteil (Horowitz und Michelangeli, welch geschmackliche Niederungen!!).
Seit es von der Seite der Musikwissenschaftler immer mehr deutliche Hinweise darauf gibt, dass wohl auch Mozart und Chopin (um nur 2 zu nennen) Rechte und Linke öfters entkoppelten wird es zunehmend zur Pflicht da aktiv zu werden.
Man kann jedenfalls in Konzerten und auf CDS inzwischen von guten und mittelmäßigen Pianisten vermehrt wieder viel Geklapper und Arpeggieren hören.
 
Danke für die Hinweise. Ich hatte zwischenzeitlich noch überlegt, dass es eine Frage des Alters ist - mit den Top-Ohren eines Jugendlichen klingt der C-moll-9 allein schon toll, im Alter, wenn der eine oder andere Oberton weggefallen ist, möchte man ihn sich gerne aufklappen...

Schönen Restsonntag!
 
Ergänzend kann man vielleicht sagen: Das hat selbst vor der Orgel nicht Halt gemacht. Vor ein paar Tagen habe ich auf DLF Kultur eine Sendung über die Orgelsonaten von Mendelssohn gehört. Da gab es eine Aufnahme des langsamen Satzes der A-Dur von 1922 (ich glaube Walter Fischer)...alles asynchron. Studiogast war Thomasorganist Ullrich Böhme, der auch recht irritiert war.
 
Wenn wir uns an der Sprache orientieren, stellen wir fest, dass Worte, die wir für besonders wichtig halten, etwas...später geprochen werden, als man erwartet. Das erhöht die Spannung.
Auch in der Musik ist das so. Es ist eine von vielen Möglichkeiten, Töne zu betonen. Sie müssen dafür nicht immer lauter sein als der Rest, das wäre langweilig. Wir können betonte Töne auch leiser spielen...oder eben auch später. Da fängt Musik an zu leben.
 
Alles, was man inflationär gebraucht, nutzt sich ab bzw. wirkt manieriert. Gelegentlich, also wohldosiert eingesetzt, bekommt es Bedeutung.
 
Dazu gibt es gerade parallel einen Faden zu Chopins cis-Molll op. posthum Nocturne.
 
Nichts gegen eine gute Marinade! Rettet die Marinade!
 

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