Die Sonaten von Alexander Skrjabin

Wagner gewinnt zu dieser Zeit immer mehr Einfluss auf Skrjabin, sowohl in der Harmonik, als auch im Arbeiten mit Motiven, was wir noch besonders ab der 5. Sonate sehen werden. Skrjabin hatte drei Wagner-Lieblingsthemen: Das Liebestrank-Motiv, den Feuerzauber und das Schwertmotiv, von denen sich Skrjabin immer wieder inspirieren lässt.
Kennst du Artur Rubinsteins Autobiografie? Im ersten Teil ("meine jungen Jahre") berichtet er davon, Skrjabin in Paris kennen gelernt zu haben: Skrjabin soll da gesagt haben "zuerst war ich Chopinianer, dann Wagnerianer und jetzt nur noch Skrjabinianer" :):):)

ich bin gespannt auf deine Vorstellung der 5. Sonate!!!
 
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@ Rolfs Argumentation:

Kennst Du Einspielungen von Troubadix ?

Labberige Biografien sagen gar nix aus, und..: Bedenkt, dass Rubinstein IMMER n Tick schlechter war, als Horowitz ;)

( Ungenauer, wischiwaschiger, lappiger ).

Was nicht heißen soll: Er hat's versucht....

Nun also: WO IST DER SKRIABIN-JEHOVA ??? Zeig mal was, Troubadixrolfliker.

PS.: Skriabinsonaten DISKUTIEREN ist was anderes, als sie zu SPIELEN. Also ??
 
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Nun also: WO IST DER SKRIABIN-JEHOVA ??? Zeig mal was, Troubadixrolfliker.

PS.: Skriabinsonaten DISKUTIEREN ist was anderes, als sie zu SPIELEN. Also ??

Wir befinden uns hier im Forumsbereich "Werke-Komponisten-Musiker", da werden die Werke halt mal vorgestellt und diskutiert. ;)

Und um den Trovatore brauchst du dir keine Sorgen zu machen - der weiß schon was er will und was nicht, und beweisen muss hier niemand irgendwas. Wenn du ihn hören willst, geh' doch auf das Hamburger Treffen - vielleicht spielt er ja dort was vor. :razz:

LG, PP
 
@ Rolfs Argumentation:

[...]

Labberige Biografien sagen gar nix aus, und..: Bedenkt, dass Rubinstein IMMER n Tick schlechter war, als Horowitz ;)

( Ungenauer, wischiwaschiger, lappiger ).

[...]

WO IST DER SKRIABIN-JEHOVA ??? Zeig mal was, Troubadixrolfliker.

PS.: Skriabinsonaten DISKUTIEREN ist was anderes, als sie zu SPIELEN. Also ??

So früh schon besoffen?
 
Nun also: WO IST DER SKRIABIN-JEHOVA ??? Zeig mal was, Troubadixrolfliker.

PS.: Skriabinsonaten DISKUTIEREN ist was anderes, als sie zu SPIELEN. Also ??

Olli,

soweit es mich betrifft: hatte sich bis jetzt schon einiges "angesammelt" an Übertretungen und Fettnäpfchen Deinerseits...

Es fehlt wirklich nicht mehr viel, und dann setze ich Dich auf "Dauer-Ignore". Ich weiß schon: das kann Dir nun egal sein, oder auch nicht -

ohne besondere Grüße
Chris
 
Diese Sonate war eine von Skrjabins Lieblingssonaten.

Das ist ja interessant. Wann hat er sich dazu geäußert?

Schade, dass man die Skrjabin-Sonaten nicht mal eben vom Blatt spielen kann, sie sind so lohnend, vor allem, wenn man sich die Entwicklung anschaut. Daher gebürt Dir, lieber Troubadix, ganz besonderen Dank für deine erkenntnisreichen Beiträge.

Grüße
pp
 
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Lieber Troubadix,

wie immer habe ich Deinen Werkkommentar mit Genuß und Belehrung
gelesen - und kann nur wie ein schwärmender Backfisch hinzufügen,
daß ich die vierte Sonate trotz allem mag: ein anrührendes Werk,
das immerhin als Vorstufe für die fünfte Sonate ungeheuer wichtig ist.

Herzliche Grüße

Gomez

.
 
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Soweit ich weiß, gar nicht, das ergibt sich einfach aus der Häufigkeit der Aufführungen in seinen Konzertprogrammen. Sein erklärter Liebling war die 7. Sonate, gefolgt von der 3., 4. und 9. Sonate, während er andere Sonaten nie (z.B. die sechste) oder so gut wie nie (z.B. die erste) aufführte.

Viele Grüße!
 
Sonate Nr.5 op.53 in Fis-Dur

Eine gefürchtete Sonate unter den Virtuosen ist die 5. Sonate, die wohl mit zum Schwersten zählt, was die Klavierliteratur zu bieten hat, allerdings auch zum Besten. Für Skrjabin ist diese Sonate Abschied und Ankunft zugleich. Skrjabin verabschiedet sich mit dieser Sonate von der Tonalität und zum letzten Mal lässt sich aus den Vorzeichen die Tonart der Sonate (Fis-Dur) erahnen, allerdings wird diese bis hin zur freien Atonalität gesprengt. Endlich kann Skrjabin den Prozess der vorangegangenen Sonaten abschließen und kommt bei der einsätzigen Sonate an, was von nun an die Regel bei ihm sein wird.

Die fünfte Sonate steht in engem Zusammenhang mit einem der bedeutendsten Orchesterwerke Skrjabins, dem Poème de l’extase op.54, welches vor der 5. Sonate begonnen wurde, aber erst danach beendet wurde und ebenfalls einsätzig ist. Beiden Stücken liegt ein poetisches Programm zugrunde und bei beiden Stücken wird die Sonatenhauptsatzform durch zusätzliche Themen erweitert. Folgt man Skrjabins Lebensgefährtin Tatjana de Schloezer, so entstand dieses Werk in gerade mal sechs Tagen zwischen dem 8. und 14. Dezember 1907. Obwohl dies für ein so komplexes Werk recht unglaubhaft erscheint, findet man diese Angabe recht oft als gegeben in der Literatur. Durch Briefe einer Schülerin Skrjabins ist jedoch belegt, dass Skrjabin bereits im Sommer 1907 in Beatenberg an dem Stück arbeitete. In den sechs Tagen im Dezember wurde die Sonate wohl nur aufgrund der Skizzen endgültig niedergeschrieben. Skrjabin hat die Sonate nicht selbst uraufgeführt. Dies übernahm Mark Meitschik am 18. November 1908 in Moskau. Das Gedicht, das dieser Sonate als Programm zugrunde liegt, wurde aus dem Poème de l’extase entnommen und lautet:

Ich rufe euch zum Leben, ihr geheimnisvollen Kräfte,
Versunken in den dunklen Tiefen
Des Schöpfergeistes.
Ihr ängstlichen Schatten des Lebens,
Euch bringe ich Kühnheit.

Auf Basis dieses Gedichtes hat Hanns Steger (Der Weg der Klaviersonate bei Alexander Skrjabin) in der Sonate fünf musikalische Gedanken identifiziert, die nicht als Themen, sondern als Motive, also treibende Kräfte wirken. Die Sonate beginnt mit einem Trillermotiv in recht tiefer Lage und stürzt in Quintolen bis in den oberen Diskantbereich. Dieses Motiv symbolisiert die geheimnisvollen Kräfte.

Trillermotiv.JPG

Es folgt mit „Languido“ (matt, schmachtend) überschrieben, das „Frage- und Erleuchtungsmotiv“, das musikalisch völlig offen bleibt.

Frage- und Erleuchtungsmotiv.JPG

Überschrieben mit „Presto con allegrezza“ setzt das nächste Motiv, das „Motiv der Erweckung zum Leben“ ein. Dieses Motiv beinhaltet zwei weitere Charaktere: ein in zwei Intervallschritten abwärts gerichtetes „imperiso“-Motiv und ein von der Bewegungsrichtung her entgegengesetztes Akkordmotiv, welches mit „quasi trombe“, also wie Trompeten bezeichnet ist. Diese Anweisung kann letztlich auf Liszts „Harmonies poétiques et religieuses“ zurückgeführt werden.

Motiv der Erweckung zum Leben_imperioso_quasi tombre.JPG

In Takt 120 setzt ein lyrisches, inniges Motiv ein, das als „Motiv des erzählenden Schöpfergeistes“ bezeichnet wird, dass die folgenden 20 Takte umfasst.

Motiv des erzählenden Schöpfergeistes.JPG

Es folgt übergangslos ein kurzer, rhythmisch prägnanter Abschnitt, der für die Sonate noch an Bedeutung gewinnen wird und als „Kühnheitsmotiv“ bezeichnet wird. Der Abschnitt ist mit „Allegro fantastico“ überschrieben.

Kühnheitsmotiv.JPG

Damit sind die fünf Hauptelemente, also die Motive der Sonate beschrieben, aus denen die Sonate aufgebaut ist und mit ihnen wird grob das Gedicht, das der Sonate vorangestellt ist nacherzählt. In weiterer Folge wird das „Erweckungsmotiv“ zu einem Höhepunkt gesteigert. Das „Kräftemotiv“ erscheint wieder und das „Frage- und Erleuchtungsmotiv“ (ursprünglich mit „Languido“ überschrieben) wird neu aufgesetzt und mit „leggerissimo volando“ bezeichnet, wobei das anfängliche „Trillermotiv“ bzw. „Kräftemotiv“ eingeschoben wird. In Takt 281 bricht unvermittelt das „Kühnheitsmotiv“ ein und wechselt sich nun mit dem „Motiv des erzählenden Schöpfergeistes“ ab und entlädt sich schließlich in Staccatoakkorden. Nach diesem dramatischen Höhepunkt setzt das „Motiv der Erweckung zum Leben“ und in freundlicherer Form das „Motiv des erzählenden Schöpfergeistes“ mit Rubato ein. Nun werden alle Motive noch mal eng aneinander gedrängt in veränderter Reihenfolge präsentiert, beginnend mit dem „Kühnheitsmotiv“. Schließlich endet die Sonate mit dem „Motiv der verborgenen Kräfte“ des Anfangs. Der letzte Takt der Sonate ist eine Fermate und soll das Innehalten nach dem Durchbruch der verborgenen Kräfte symbolisieren. So ein Schlusstakt ist nicht untypisch für Skrjabin. Skrjabins Lehrer Sergej Tanejew war der Meinung, dass die Sonate durch dieses Ende abgebrochen und nicht beendet wird. Dies geschieht jedoch in programmatischer Absicht und soll eher als Aufruf oder Beschwörung verstanden werden und nicht als geschlossenes Ganzes.

Soweit einmal zum Inhalt der Sonate, doch der bringt natürlich einige Fragen mit sich. Dieser Umgang mit Leitmotiven ist stark von Wagners Bühnenwerken inspiriert und bei rein instrumentalen Werken ist dies nicht ganz unproblematisch. Man sieht als Zuhörer nun mal keine Bühne vor sich, auf der Wotan den Feuerzauber spricht, Walküren umherreiten, Meistersinger auftreten oder ähnliches. Damit ist allein schon die Zuordnung der Motive etwas willkürlich, selbst wenn man sich auf den Komponisten berufen kann. Vergegenwärtigt man sich die Abfolge der Motive, wird dennoch ein Handlungsablauf mit entsprechender Dramaturgie passend zum Gedicht sichtbar.

Schaut man sich die Form der Sonate an, so schimmert immer noch die Sonatenhauptsatzform hindurch. Gerade wenn man aber auf die vorangegangenen Sonaten zurückschaut, sieht man diese Sonate auch als Evolutionsergebnis aus diesen. Als Sonatensatz betrachtet kann man die Sonate folgendermaßen aufteilen:

Einleitung/Prolog (T. 1-45)
Exposition mit erstem Thema (T. 47 ff) und lyrischem Seitenthema (T.120 ff)
Durchführung beginnend mit den Prologmotiven (T. 157 – 328 )
Reprise (T.329 ff)

Anmerken muss man, dass dir Reprise untypisch um eine Quinte tiefer gesetzt ist. Die Tonart lässt sich hier nicht mehr durchgängig angeben. Das erste Prologmotiv schließt letztlich die Sonate als kurze Coda.
Jetzt wird es ein bisschen abstrakt. Dass die Sonate mit dem Prologmotiv beginnt und endet, zeigt einen neuen Evolutionsverlauf, zu einer neuen „Umdrehung“ im spiralförmig nach oben sich schraubenden Formprozess Skrjabins. Alle Motive des ersten Teils, der sich zum zweiten taktzahlmäßig ungefähr im Verhältnis von 1:2 darstellt, kehren im zweiten Entwicklungsteil „auf höherer Ebene“ wieder. Dietrich Mast bezeichnet dieses Verfahren als „projektive Entfaltung“: Verschiedene Gestalten werden in immer größere andere projiziert und dies spiegelt sich in den Proportionen der Sonate wieder.

In diesem Prozess der „projektiven Entfaltung“ lässt Skrjabin nichts so, wie es war. So hält er zwar an Wagners Leitmotivtechnik fest, Themen und Motive erfahren aber dennoch eine gewisse Charaktertransformation, was sich sehr schön anhand des „Frage- und Erleuchtungsmotiv“ in dieser Sonate nachvollziehen lässt, dass von schmachtend, über breite Freude hin zum Zaghaften und schließlich zur leichtbeschwingten Freude mit perkussiven Fortissimoakkorden und damit dem Höhepunkt der Sonate einiges an Transformation erfährt.

Auf wen kann man diese Formentwicklung nun zurückführen? Betrachtet man die Vorstufen zu dieser Sonate, also die 4. Sonate, die wiederum die 3. Sonate als Vorstufe hat, die letztendlich einen Entwicklungsprozess zeigen, der bereits bei den Jugendsonaten begann, so lässt dies nur folgenden Schluss zu…

Diese Sonateneinsätzigkeit mit ihrer Dialektik von „männlichen“ und „weiblichen“ Themen, die hinterlegten, außermusikalischen Programme und dem Transformationsprozess der Motive, der sich durch das Programm nachvollziehen lässt, ist nicht einfach von Liszt übernommen, sondern allein Skrjabins Errungenschaft und das nachvollziehbare Ergebnis einer Evolution.



Hier sind die Noten.

Viele Grüße!
 
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Eine gefürchtete Sonate unter den Virtuosen ist die 5. Sonate, die wohl mit zum Schwersten zählt, was die Klavierliteratur zu bieten hat, allerdings auch zum Besten.
jepp!!!
und - mal wieder - ein klasse Beitrag, herzlichen Dank!

Überschrieben mit „Presto con allegrezza“ setzt das nächste Motiv, das „Motiv der Erweckung zum Leben“ ein. Dieses Motiv beinhaltet zwei weitere Charaktere: ein in zwei Intervallschritten abwärts gerichtetes „imperiso“-Motiv und ein von der Bewegungsrichtung her entgegengesetztes Akkordmotiv, welches mit „quasi trombe“, also wie Trompeten bezeichnet ist.
entgegen deiner Quelle hallte ich das für zwei voneinander getrennte Motive, nicht für zwei Charaktere innerhalb eines Motivzusammenhangs
 

entgegen deiner Quelle hallte ich das für zwei voneinander getrennte Motive, nicht für zwei Charaktere innerhalb eines Motivzusammenhangs

Das kann man so sehen. Steger stellt letztendlich nur eine Möglichkeit vor, wie man gewisse Motive im Zusammenhang mit dem Programm der Sonate deuten kann, was wie gesagt immer etwas willkürlich ist.

Viele Grüße!
 
dem auffälligen imperioso Motiv folgt ja schwupps ein akkordisches sotto voce misterioso affanato (siehe Notenbeispiel) - da passiert halt doch recht viel, was beim ersten hören vielleicht als buntscheckig wahrgenommen werden kann --- da werden Motivkomplexe stets neu gemixt, auch werden Ähnlichkeiten der Motivsplitter verwendet

das mit dem Programm der Sonate: ich bin da, trotz Skrjabins (esoterischer) Texte eher skeptisch :)
 

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da werden Motivkomplexe stets neu gemixt, auch werden Ähnlichkeiten der Motivsplitter verwendet

das mit dem Programm der Sonate: ich bin da, trotz Skrjabins (esoterischer) Texte eher skeptisch :)

Wenn ich dich richtig verstehe, müsste man also die Exposition anders aufteilen. Genau genommen folgt also auf das erste Thema „presto con allegrezza“ eine Art Erweiterung in Form von drei Motiven (Takt 96-119), die zum zweiten Thema (Meno vivo) überleiten und das nicht nur thematisch, sondern auch von der Tonart her (von Cis-Dur nach B-Dur). Das erste Motiv in diesem Überleitungsteil ist das „imperioso-Motiv“ und geht über zwei Takte. Es folgt das „sotto voce misterioso affanato“-Motiv, das ebenfalls zwei Takte umfasst. Diese beiden Motive wechseln sich drei Mal miteinander ab. Das zweite Motiv wird dann ausgedehnt und es folgt das wiederum zwei Takte umfassende „quasi trombe-imèrios-Motiv“, woraufhin das eigentliche zweite Thema „Meno vivo“ folgt.

So ist es wohl präziser formuliert. Hier zeigen sich sehr schön die entstehenden Unzulänglichkeiten die entstehen, wenn man so ein recht komplexes Stück versucht, anhand von wenigen Zeilen eines vorangestellten Mottos zu beschreiben. Gut finde ich an der Erklärung mit den fünf Motiven, dass man dadurch auch als Laie relativ leicht einen ersten formalen Zugang zu dieser komplexen Sonate findet. Will man der Sonate wirklich gerecht werden, muss man wohl etwas tiefer einsteigen.

Viele Grüße!

P.S.: Tolle Aufnahmen übrigens! Erstaunlich ist, dass diese Sonate trotz des enormen Schwierigkeitsgrades die Skrjabin-Sonate ist, die am häufigsten eingespielt wurde.
 
Prometheus-Harmonik Teil 1

Ich habe ein bisschen überlegen müssen, wie ich jetzt weitermache. Ich denke, es macht keinen Sinn einfach mit der sechsten Sonate weiterzumachen ohne vorher zu erklären, was sich von nun an bei Skrjabin harmonisch ändert. Wenn ich euch diese Änderungen in der Harmonik nun näher bringen will lässt sich nicht vermeiden, sich etwas mit der Theorie dahinter zu beschäftigen, aber auch das kann Spaß machen.

Hört euch bitte zunächst einfach folgendes Stück an, bevor ihr weiterlest.

Albumblatt op.58

Skrjabins Gesamtwerk wurde oft und mit verschiedenen Ansätzen in unterschiedliche Phasen unterteilt. Die gängigste dieser Unterteilung gibt an, dass Skrjabins dritte und letzte Schaffensperiode mit dem Prométhée beginnt, weil hier eben diese neue Harmonik ins Spiel kommt, für die Skrjabin berühmt geworden ist. Das wichtigste Element dieser neuen Harmonik ist eben deshalb auch nach diesem Werk benannt: Der Prometheus-Akkord. Tatsächlich basieren die zuvor geschriebenen Klavierstücke ab op.57 aber bereits auf derselben Harmonik.

In den Sonaten vier und fünf sind ja Skrjabins Tendenzen zu einer Weiterentwicklung der Harmonik bereits zu erkennen. Das unaufgelöste „Stehenlassen“ von dissonanten Akkorden wird fester Bestandteil seiner Musik. So ist die vierte Sonate von einer Tristan-Harmonik geprägt und in der fünften Sonate findet sich keine einzige perfekte Kadenz, die Harmonik wird bis zur teilweise freien Atonalität getrieben. Das waren zwar in gewisser Weise Vorboten von Skrjabins Entwicklung, lassen aber noch nicht wirklich ahnen, wo die Entwicklung enden sollte.

Wie gesagt bildet die harmonische Grundlage für Skrjabins neue Harmonik der sogenannte Prometheus-Akkord, oft auch „Mystischer Akkord“ genannt, als Widerspiegelung von Skrabins Hang zur Esoterik. Was hat es damit nun auf sich?

Ganz einfach gesagt handelt es sich um einen Akkord, der sich aus reinen, verminderten und übermäßigen Quarten zusammensetzt. Vom Ton C ausgehend ergibt sich der Akkord c-fis-b-e-a-d.

Prometheus_Akkord.jpg

Das ist leicht gesagt. Schwieriger wird es wenn man versucht, diesen Akkord harmonisch zu erklären und ich sage gleich vorweg dass das ein Thema ist, das in der Musikwissenschaft auch heute noch kontrovers behandelt wird. Manchen Quellen zufolge, handelt es sich einfach nur um eine willkürliche Zusammensetzung. Andere gehen bis zur wissenschaftlichen Herleitung aufgrund der Obertonreihe und mit dieser möchte ich auch beginnen.

Die sogenannte „Oberton-These“ stammt von Skrjabins Freund Leonid Sabanejew. Diese These war schon immer sehr umstritten. Sie führte aber auch dazu, dass Skrjabins Spätwerk bis in die 50er Jahre oft als „mathematische Konstruktion“ und nicht als musikalische Erfindung galt.

Zunächst zur Obertonreihe: Wenn man einen Ton, zum Beispiel ein a bei 440Hz hört, so hört man keine reine Sinusschwingung, sondern eine Überlagerung der Grundwelle, durch mehrere „schmalere“ Wellen. Diese Obertöne sind (fast) ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz. Ausgehend von a bei 440Hz ergeben sich also die Obertöne mit 880Hz, 1320Hz, 1760Hz…4400Hz…

Bildet man diese natürliche Oberton-Reihe ausgehend vom Ton C bei 66Hz, so ergibt sich der Prometheus-Akkord aus den Tonen 8 bis 14, ohne den 12. Ton.

Hmm…Man muss dazu sagen, dass Sabanejew Mathematiker und Physiker war. Interessant ist, dass sich Skrjabin von dieser These überzeugen ließ und ihr zustimmte. Er betonte allerdings, dass er den Akkord rein intuitiv gefunden hat, sich aber darüber freue, wenn seine Intuition mit der Wissenschaft übereinstimmt.

Leider ist es nicht so einfach, denn diese Naturtonreihe funktioniert in dieser Form nicht beim Klavier oder anderen gleichschwebend temperierten Instrumenten, da die Quinten, Terzen usw. nicht rein, sondern zurechtgestimmt sind und für diese Instrumente hat Skrjabin nun mal gerne komponiert.

Aber selbst wenn man dies vernachlässigt stellt sich doch die Frage, warum ausgerechnet die Töne 8,9,10,11,13 und 14 der Reihe verwendet wurden. Stellt man die ersten 20 Töne der Naturtonreihe auf, so erhält man Intervalle von der Oktave bis zum Viertelton. Sucht man sich aus dieser Reihe die nötigen Töne zusammen, könnte man also so ziemlich jede Harmonik damit erklären.

Carl Dahlhaus meinte dazu: „Die Naturtonreihe rechtfertigt alles, also nichts.“

Also zurück zum Anfang. Am sinnvollsten ist es, einfach in die Geschichte der Harmonik zu blicken. Dahlhaus erklärt das sehr schön: „Der Quartenakkord ist ein Dominantnonenakkord, c-e-fis/ges-b-d, mit Leittonvorhalt zur Quinte (fis) oder alterierender Quinte (ges) und der Sexte als „harmoniefremder“ Zusatz; er ist Skrjabins zusammenfassende Formel für das harmonisch „Moderne“ und das Resultat einer Empfindlichkeit gegen verbrauchte Akkorde wie den verminderten Septakkord, den Skrjabins Grundakkord ausschließt.“

Der Skrjabin Forscher Manfred Kelkel ist dagegen der Meinung, es handle sich um einen Dominant-Tredezimenakkord mit fortgelassener Quinte. Dann wäre c der Grundton, e Terz, b Septime, d None, fis alterierte Undezime und a Tredizime. Ausgehend von diesem Terz-Aufbau hätte Skrjabin dann die Tone neu als Quarten geschichtet.

Da sich dieser Akkord bereits in Werken vor 1910 bei Skrjabin findet und den Erkenntnissen daraus, ist die Erklärung als Dominantnonenakkord naheliegender. Zum ersten Mal findet sich der Akkord im 1903 komponierten Prélude in Fis-Dur op.37 Nr.2 in Takt 6. Dort handelt es sich funktional um einen als Doppeldominante zur Tonika wirkenden Nonenakkord. Der Akkord besteht aus den Tönen gis (Grundton), his(Terz), cisis (verminderte Quinte), fis (Septime), ais (None) und dem Ton eis, der als Sexte zum Grundton oder als doppelt hochalterierte Quinte (dis) gesehen werden kann. Für einen regelkonformen Dominantnonenakkord sind die Töne cisis und eis „störend“, sie werden daher in diesem Fall in den bisher ausgesparten Quintton dis aufgelöst.

Gehen wir also davon aus, dass es sich beim Prometheus-Akkord um einen Dominantnonen-Akkord handelt, so ist abgesehen von der tiefalterierten Quinte die doppelt hochalterierte Quinte bzw. die Sexte auffällig und lässt sich bis hierher noch nicht erklären. Den Schlüssel dazu hat die Musikforscherin Zofia Lissa gefunden. Sie brachte den Begriff der „Chopin-Sexte“ ins Spiel, der in der Chopin-Literatur geläufig ist. Bei Chopin kommt es häufiger vor, dass bei einem Dominantklang die Quinte durch eine große Sexte, meist in der obersten Stimme ersetzt wird. Auch Skrjabin verwendete diesen Klang schon früh, so zum Beispiel im Prélude op.15 Nr.1 im vorletzten Takt.

Bekräftigt wird dies dadurch, dass Chopin die Sexte oft als obersten Ton nimmt, während die Akkordgrundlage vom Intervall der Septime gebildet wird. Skrjabin macht es häufig genauso und durch diese Sexte lässt sich auch erklären, warum man selbst in Skrjabins Spätwerk oft noch tonale resteindrücke bekommt. Tatsächlich kann man also sagen, dass Chopin indirekt an der Entstehung des Prometheus-Akkordes beteiligt war.
 
Prometheus-Harmonik Teil 2

Soweit dazu, wie dieser Akkord entstanden ist. Nun muss man sich nur noch ansehen, was Skrjabin damit angestellt hat. Zofia Lissa war es, die den Begriff „Klangzentrum“ einführte. Sie schreibt dazu: „Die Grundlage einer jeden Komposition ist hier ein bestimmter Akkord, welcher aus einem stabilen Komplex in ständiger Ordnung auftretender Töne zusammengesetzt ist. Diesen Akkord habe ich Klangzentrum genannt, denn er bildet hier das organisierte Tonmaterial, er ist der Ausgangs- und Beziehungspunkt aller im gegebenen Stück auftretenden Zusammenklänge. Er erscheint entweder vollständig, als synthetischer Akkord, oder auch bruchweise in Akkorden, welche nur verschiedenartige Fragmente dieses synthetischen Akkords sind. Überdies arbeitet auch die Melodik des Stückes ständig und ausschließlich mit dem durch das Klangzentrum repräsentierten Tonmaterial. Das Klangzentrum bildet also die allgemeine Basis der Komposition, denn alle konstruktiven Elemente sowohl der Harmonik wie auch der Melodik lassen sich von ihm ableiten, auf ihn zurückführen. Ihr Tonmaterial und ihre Form ergibt sich aus den Bestandtönen und der Form des Klangzentrums.“

Vereinfacht gesagt kann man sich das so vorstellen, dass statt einer Tonika ein bestimmtes Klangzentrum verwendet wird. Sagen wir, dass Klangzentrum basiert auf C, so ergibt sich der Prometheus-Akkord bzw. das Klangzentrum aus den Tönen c-fis-b-e-a-d. Nun werden die ersten Takte ausschließlich aus diesen sechs Tönen komponiert, zu Figurationen, Akkorden und Melodien zusammengesetzt. Dann wird das Klangzentrum Transponiert, zum Beispiel ist die Basis dann F. Demzufolge ergeben sich dann sechs andere Töne (f,h,es,a,d,g) und mit diesen werden dann die nächsten Takte komponiert. Das kann man vergleichen mit der Modulation in der normalen Dur-Moll-Tonalität, allerdings spricht man hier von Transposition.

So ungefähr hat Skrjabin von nun an komponiert. Natürlich ist es ein bisschen komplizierter. So hat Skrjabin die Harmonik noch weiter ausgebaut, das Klangzentrum um zusätzliche Töne erweitert (bei der sechsten Sonate sind es bereits acht Töne), Intervalle verändert (am häufigsten wurde die None erniedrigt) usw….

Das Orchesterwerk Prométhée op.60 beginnt beispielsweise mit dem Klangzentrum auf dem Ton a (a-dis-g-cis-fis-h) zunächst als Akkord und dann nach vier Takten von den Hörnern zur melodischen Linie zerlegt. Da passt sehr schön Skrjabins Grundsatz: „Bei mir gibt es keinen Unterschied zwischen Melodie und Harmonie.“

Interessant ist, dass Skrjabin den Akkord teilweise so erweiterte, dass eine so genannte Kettentonleiter entsteht. Diese kommt zum Beispiel bei der sechsten Sonate zum Einsatz und besteht aus acht Tönen, die sich in Halb- und Ganztonintervallen abwechseln, also c-cis-dis-e-fis-g-a-b-c. Wie oft kann man diese Tonfolge transponieren? Genau zweimal, beim dritten Mal (also immer chromatisch aufwärts) erhält man wieder das Ausgangstonmaterial. Oliver Messiaen bezeichnet diese Tonleiter als zweiten „Modus mit begrenzter Transpositionsmöglichkeit“. Das hat sicher dazu beigetragen, dass die Werke in Skrjabins Spätwerk nicht mehr sehr ausgedehnt sind und dass ihnen manchmal eine gewisse Monotonie vorgeworfen wird. Für Miniaturen wie das Prélude op.74 Nr.3 ist die Tonleiter aber gut anwendbar.

So… Ich denke, das reicht erst mal. Drei Dinge sollt ihr daraus mitnehmen:

1. Der Prometheus-Akkord dient Skrjabin in Form des Klangzentrums als Tonvorrat. Er besteht aus sechs Tönen, die durch Quartschichtungen entstehen.

2. Hat man 1. begriffen, dann ist es nicht schwer, auch Skrjabins Spätwerk zumindest im Ansatz und von der grundsätzlichen Kompositionsweise her zu verstehen. Es ist wirklich leichter, als es zunächst scheint.

3. Mit dem Prometheus-Akkord endet Skrjabins harmonische Entwicklung nicht. Er hat sie bis zum Schluss ständig erweitert und variiert.

Hört euch noch mal Albumblatt op.58 an. Vielleicht hört ihr es nun anders.
Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, das zu lesen. Dafür gibt es zum Abschluss den Prometheus mit Farbenklavier.



Viele Grüße!
 
Zuletzt bearbeitet:
Den Schlüssel dazu hat die Musikforscherin Zofia Lissa gefunden. Sie brachte den Begriff der „Chopin-Sexte“ ins Spiel, der in der Chopin-Literatur geläufig ist. (...) Tatsächlich kann man also sagen, dass Chopin indirekt an der Entstehung des Prometheus-Akkordes beteiligt war.
alles sehr schön und verständlich dargestellt!
Zitat von Skrjabin zu artur Rubinstein:
Zuerst war ich Chopinianer, dann Wagnerianer und heute einzig Skrjabinianer
:) so "biografisch" gesehen wundert die Nähe zu Chopin nicht.

Die "Chopin-Sexte" im Dominantseptakkord (die Chopin so inflätionär häufig verwendete, dass das den Spitznamen Chopinakkord erhielt) findet sich freilich bei Weber, Beethoven und Mozart ebenfalls recht oft: die Ahnenreihe wird also länger :)

Immerhin, die Herleitung c-g-b-e-a (Chopin) regte c-g-b-e-a-d (mit None, z.B. bei Wagner und Liszt) und dann eben c-ges-b-e-a-d ist überzeugend - allerdings, ohne dir zu viel vorweggreifen zu wollen, wurden alterierte Dominatseptakkorde vor Skrjabin meist aufgelöst (außer in Wagners Walküre und Tristan, wo der D7 als Konsonanz erscheint) - Skrjabin aber wird diesen Akkord nicht mehr dominantisch verwenden, sondern als "Klangzentrum" (((aber ich werde nicht weiter unterbrechen)))

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gerade sehe ich, dass du Teil 2 schon geschrieben hast: da wird das Klangzentrum ja erlärt :)
 

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