Ernsthaftes Erraten von Klavierwerken

Hmm. Ich mache mal ein Experiment. Das folgende Zitat stammt aus Klaus Wolters, Handbuch der Klavierliteratur zu zwei Händen (ich hoffe, das gibt's noch nicht digital, sonst ist das jetzt das leichteste Rätsel des gesamten Fadens):

"Man lässt sich zunächst anregen von einigen aparten Ideen (elftöniges Thema XXX Des, reines Dreiklangsthema XXX A, originelle Themengliederung XXX D und B). Man spielt ein Stück weit und hört schließlich lustlos auf, weil danach eine reine routinemäßige Durchführung einsetzt. Immerhin verdient dieser Versuch einer Zusammenfassung unterschiedlichster Satztechniken aus Vergangenheit und Gegenwart eine Auseinandersetzung mit diesem wohl gewichtigsten Klavierwerk von XXX." (zu verräterische Worte habe ich hier zensiert (XXX))

Wie heißt der Komponist und wie das Klavierwerk, mit dem Wolters hier so hart ins Gericht geht?
 
Erstaunlich googlefest, dein Rätsel.
Hört sich ein bißchen nach Reger an, aber ich finde zur Zeit nichts, was das stützen würde.
 
Nein, Reger ist es nicht.

Ich hätte sagen müssen, dass es sich bei dem Klavierwerk um einen Zyklus handelt.
Vielleicht macht auch mein Zensurversuch den Text etwas missverständlich. Die ersten drei "XXX" stehen für eine in dem Zyklus verwendete musikalische Form. Das letzte XXX steht für den Namen des Komponisten.

Noch eine mathematische Hilfestellung: die Anzahl der Stücke des Zyklus lässt sich durch 2, 4 und 3 teilen :-D
 
Das könnten die 24 Präludien und Fugen op. 87 von Schostakowitsch sein. Die A-Dur-Fuge hat ein reines Dreiklangsthema, die in Des-Dur ein 11töniges.

Wenn das stimmt, attestiere ich Herrn Wolters allerdings ein krasses Fehlurteil über dieses meiner Meinung nach höchst originelle Werk:



LG, Mick
 
Das ist selbstverständlich richtig!

Ich liebe op. 87 heiß und innig. Leider kann ich (noch) nichts daraus selbst spielen. Ich hatte deshalb hoffnungsvoll den Wolters zur Hand genommen, um herauszufinden, ob das eine oder andere Präludium/Fugen-Paar vielleicht etwas leichter einzustufen ist, vielleicht als Fernziel ... und stieß dann auf diese leicht abfällige Beurteilung.

Ich wollte jetzt mal ausprobieren, ob auf das Rätsel eine Antwort im Sinne von "Ja, klar, dieser lahme Zyklus, von dem hier die Rede ist, muss Schostakowitschs op. 87 sein." kommt. Dies ist erfreulicherweise nicht der Fall, das Werk wird also außer von mir noch mindestens von einer weiteren Person geschätzt...

Noch am Rande zur Aufnahme von Tatiana Nikolayeva:
Ich habe in einer Dissertation über die 24 Präludien und Fugen op. 87 gelesen, dass Schostakowitsch mit Nikolayevas Interpretation nicht so glücklich war (obwohl das Werk von ihr inspiriert worden sein soll - ich meine, es ist ihr sogar gewidmet). Folgender Dialog ist überliefert:
Schostakowitsch: Tatiana Petrovna, Sie spielen meine Stücke nicht richtig!
Nikolayeva: Aber Dmitri Dmitrijevich, Sie verstehen gar nichts vom Klavierspielen!

Und damit ist @mick wieder mal dran!
 
Bleiben wir noch kurz beim Thema Fugen. Gesucht wird ein Zyklus mit einer größeren Anzahl solcher Stücke. Das Besondere am gesuchten Zyklus ist, dass der Komponist nicht nur eigene Themen verwendet hat, sondern auch fremde Werke zu neuen Fugen verarbeitet hat – z.B. Bachs G-Dur-Thema aus dem 2. Teil des WTK, Scarlattis "Katzenthema" oder das Eingangsmotiv aus Mozarts Haffner-Sinfonie.

Der Komponist ist nicht völlig unbekannt; besonders in der Bläserkammermusik hat er etliche virtuose Werke hinterlassen, die auch heute noch viel gespielt werden. Das gesuchte Werk allerdings (und das gilt für den überwiegenden Teil seiner Klaviermusik) ist völlig unbekannt. Ich habe es nur durch Zufall entdeckt, weil es kürzlich mal in einem anderen Faden erwähnt wurde. Spielen würde ich es eher nicht, es ist leider ziemlich schulmeisterlich ...

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist nicht schwer. Bloß die Lösung macht mir das nächste Rätsel schwierig. Egal.

Das sind Anton Reichas 36 Fugen op. 36. Reicha, die Plage der Sonntagsmorgensmusik im Radio mit seinen ganzen Bläserdingenskirchen, die man nicht gerne hört, jedenfalls nicht Sonntags morgens.

Jetzt muß ich mal überlegen, wie ich das formuliere. Das nächste Rätsel.
 
Das sind Anton Reichas 36 Fugen op. 36. Reicha, die Plage der Sonntagsmorgensmusik im Radio mit seinen ganzen Bläserdingenskirchen, die man nicht gerne hört, jedenfalls nicht Sonntags morgens.

Ha ha, für Bläserquintette kann ich mich auch nicht so erwärmen. Aus verschiedenen Gründen ist meine Beschäftigung mit Kammermusik äußerst streicherlastig, und ich schätze, dass sich das auf absehbare Zeit auch nicht ändern wird. :-)

Reichas Fugen op. 36 sind natürlich die richtige Lösung. Ich habe das Werk mal durchgelesen, nachdem es @koelnklavier kürzlich erwähnt hatte. Die Noten gibt es bei imslp.

Die (recht fade) Nachkomposition der G-Dur-Fuge aus Bachs WTK (2) habe ich auf Youtube nicht gefunden, aber es gibt eine Einspielung der merkwürdigen Fuge über Mozarts Haffner-Sinfonie - das Anfangsmotiv eignet sich nämlich überhaupt nicht als Fugenthema. Vermutlich wollte Reicha irgendwem beweisen, dass er trotzdem eine Fuge daraus machen kann:



Viel besser gelungen und musikalisch schlüssiger ist dann aber die Fuge über Scarlattis "Katzenmotiv":



Dir, @Pappnase, wünsche ich nun viel Erfolg bei der Formulierung der nächsten Aufgabe!

LG und gute Nacht, Mick
 
Ha ha, für Bläserquintette kann ich mich auch nicht so erwärmen. Aus verschiedenen Gründen ist meine Beschäftigung mit Kammermusik äußerst streicherlastig, und ich schätze, dass sich das auf absehbare Zeit auch nicht ändern wird. :-)
Das wird sich vielleicht noch ändern, junger Mann, wenn Deine Freundin dereinst Klarinette spielt (oder Oboe, Fagott ...)
 
Das wird sich vielleicht noch ändern, junger Mann, wenn Deine Freundin dereinst Klarinette spielt (oder Oboe, Fagott ...)
@koelnklavier ...hm... du meinst, es könnte gravierende subkuttane Gründe hormoneller Natur geben, welche den Musikgeschmack nachhaltig verändern?
:-D:-D:-D:drink:
...nicht auszudenken, wenn dem Tschaikowski ein rappender Knabe über den Weg gelaufen wäre, oder wenn Mozart Lady Gaga "kennen gelernt" hätte... welch´ ein Glück, dass George Sand nicht Dudelsack spielte :lol::lol::lol::drink:
 
Ja wie formuliere ich es.

Letztens hatte wir ja das Stückchen nur auf den schwarzen Tasten. Ich habe mich gefragt, ab wann wohl Stücke geschrieben wurden, die alle 12 Töne verwendet haben. Ich will nicht behaupten, daß ich die Antwort wüßte, aber das nun zu ratende Stück tut eben das.

Es ist nicht für Klavier, sondern für ein anderes Tasteninstrument geschrieben, ist aber ohne Transkription auf dem Klavier spielbar. Manchmal wird es sogar vokal aufgeführt. Der Titel täuscht aus heutiger Sicht etwas, weil wir eine virtuosere Musik erwarten.

Das Stück entstammt einer größeren, recht bedeutenden Sammlung, die weit verbreitet und für die Musik späterer Generationen durchaus bedeutsam war. Auch Bach hat eine Abschrift besessen. In der Sammlung gibt es mehrere Stücke dieser Gattung, aber sonst kein quasi zwölftöniges.

Der Autor gilt manchen als bedeutender Komponist, andere sahen in ihm einen "bloßen Mechanicus". Ich gehöre eher der ersten Gruppe an.

Wie heißen Stück, Sammlung und Komponist?
 

So ist es, Mick. Genau das meine ich.
Das gehört zu den wenigen Stücken Frescobaldis, die ich spielen kann (ich bin ja kein richtiger Klavierspieler). Man merkt aber, daß es eigentlich mitteltönig gestimmt gespielt werden muß.

Der Titel bei IMSLP ist übrigens völlig verderbt. Es heißt richtig "Toccata cromatica per l'elevazione", Fiori musicali, 1535

Hier auf einem annähernd zeitgenössischen Instrument.


Würde mich interessieren, ob es noch viel frühere Stücke gibt, die alle Töne benutzen.
 
Der Titel bei IMSLP ist übrigens völlig verderbt. Es heißt richtig "Toccata cromatica per l'elevazione", Fiori musicali, 1535

Der Titel steht aber so im Erstdruck:

toccatas1x4u.jpg


Wie dem auch sei - da man die Toccata offenbar auch singen kann, bleiben wir mal bei der Vokalmusik:

Gesucht wird ein mehrteiliges Werk, bei dem der Mittelteil des ersten Satzes stilistisch nicht so ganz zum Rest des Werkes passen will. Der Grund dafür ist ganz einfach zu finden: der Komponist klaute diesen Teil völlig ungeniert aus dem Werk eines Kollegen.

Und bevor @Marlene sich nun beklagt, dass in diesem Faden doch Klavierwerke erraten werden sollen: Diverse Tasteninstrumente sind im gesuchten Werk auch vorgesehen!

LG, Mick
 
Haha das habe ich befürchtet. Ich dachte noch, schau mal, ob du so ein Facsimile findest.
Ist natürlich genauso verderbt, weil die Elevation auch damals schon so hieß.
 

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