Hallo Markus,
Ich habe ein fast 100 Jahre altes Zimmermann. Ich habe mir sagen lassen (und am eigenen Klavier bestätigt), dass die Stimmstöcke von Zimmermann normalerweise sehr langlebig sind. Hast du schon auf dem Klavier gespielt? Wie hören sich die einzelnen Töne an - schweben sie stark, oder sind sie relativ rein? Wenn die Töne noch relativ rein klingen, und das Instrument in sich relativ gut stimmt, sollte die Stimmbarkeit gegeben sein. (Ohne Stimmbarkeit kannst du den Kauf eigentlich gleich an den Nagel hängen.) Sind die Stimmwirbel schon hineingeschlagen worden (die Saitenschlingen liegen dann sehr dicht am Gussrahmen)? Ist an den Saiten Rost zu sehen?
Wenn die Stimmbarkeit erstmal noch gegeben erscheint, dann kommt es m.E. als nächstes auf zweierlei an: den Verschleiß der Mechanik und die akustische Anlage.
Zur Mechanik:
... Hammerköpfe: tiefe Saitenabdrücke? Schon oft abgezogen? Also, bitte Fotos vom Anschlagspunkt, von oben und von der Seite gesehen.
... Filze, z.B. an den Fängern; stark abgenutzt? (siehe Beispielfotos unten)
... Leder, z.B. an den Gegenfängern: stark abgenutzt, oder gar komplett durchgewetzt? (Beispiel unten)
... Zu lockere oder feste Achsen: z.B. wenn man das linke (oder beide) Pedale tritt, und dann das linke Pedal schlagartig loslässt, kommen alle Hämmer zügig in die Ruheposition zurück?
... Bändchen: sind die Bändchen und Leder-Enden noch heile, und relativ geschmeidig?
Dann auch die akustische Anlage:
... sind Risse in den Stegen? Feine Risse sind in diesem Alter vertretbar, aber wenn Risse von einem Stegstift bis zum nächsten gehen, muss repariert werden.
... sind Risse im Resonanzboden, und/oder hat er sich von den Rippen gelöst? Scheppert oder rasselt etwas? (Beispielfoto unten)
... hat sich ein Steg etwa von seiner Auflage gelöst? (Beispielfoto unten)
Und nicht zuletzt die klangliche Beurteilung (gleichmäßige Klangfarbe und Ausklingen aller Töne), vor allem im Bereich des Übergangs zwischen Basssteg und Hauptsteg (dort wo der nach links geschränkte Saitenbezug auf den nach rechts geschränkten übergeht), als auch im Bereich der Diskantspreize (die Stütze in der Gussplatte, ungefähr im Bereich eine bis anderthalb Oktaven über dem Mittel-C).
Hier ein paar Beispiele einer verschlissenen Mechanik, aus meinem Zimmermann:
Durchgewetzte Fängerleder und abgenutzte Gegenfängerfilze:
Detailansicht eines abgenutzten Fängers/Gegenfängers
hier.
Nach und vor der Erneuerung (ich weiß, ich habe kein sehr feines Leder zur Reparatur verwendet - das war bei dem alten Klavier auch Absicht):
Linkes Ende vom Hauptsteg hatte sich von seiner Auflage gelöst (hier nach dem Entfernen der Saiten gezeigt, als ich die Reparatur machte). Diese paar Töne klangen ziemlich dumpf, irgendwie nasal:
Riss im Resonanzboden, direkt am bzw. unter dem Hauptsteg, an der Diskantspreize (Ergebnis: perkussiver, metallischer Ton, kein Ausklingen):
Weitere Ansichten des Risses
hier und
hier.
Die Bilder zeige ich nicht, um irgendjemanden zur Bastelei zu ermutigen, sondern nur, um anzudeuten, wonach ich heutzutage Ausschau halte, und warum ich das Klavier mit meinem heutigen Wissen gar nicht erst gekauft (bzw. zum Tausch angenommen) hätte.
Viel Erfolg!
Gruß,
Mark