WoO 59 "Für Elise" - d oder e?

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mberghoefer

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Hallo zusammen,
wie anderswo schon geschrieben, übt in meiner Nachbarschaft jemand seit einigen Monaten sporadisch an Beethovens WoO 59 und spielte es gestern erstmals wirklich flüssig bis zur ersten schwierigeren (schnellen) Passage.
Deshalb hab ich mir dann erstmals das Stück selbst aufs Pult gestellt, um zu sehen, wie schwer mir wohl diese Passage fiele. Nun begann ich also vom Blatt das bekannte Thema zu spielen und stolperte dann nach ein paar Takten schon an einer Note, die für mich "falsch" klang. Dreimal hingeguckt, Brille geputzt, aber wirklich, da steht in Takt 7 ein d anstelle des e, das zumindest ich da als Klang vermutet hätte.

Nun hätte ich normalerweise gedacht, das ist eben ein Fehler in meinem Heft, aber mein Heft ist kein Heumann oder so sondern eine aufm Flohmarkt gefundene alte Henle Ausgabe von Beethovens Klavierstücken, und zur Sicherheit hab ich auch nochmal im Netz in der aktuellen Henle Ausgabe geschaut. Da steht ebenfalls ein d. Und zwar überall in den ähnlichen Passagen des Stücks.

lvbwoo59.JPG

Leider steht in der Henle-Ausgabe in den Anmerkungen zu den Stücken nichts über dieses d, aber wie ich per "im Netz suchen" herausfand, stützt sich Henle auf den Autographen von Beethoven (bzw auf einen Entwurf desselben, der im Bonner Beethovenhaus zu finden ist), der ein d enthält, in der Erstausgabe des Werkes, die ja erst lange nach Beethovens Tod erschien, steht aber ein e. Vielleicht weil Beethovens Autograph sich liest wie das Rezept eines Arztes, der's echt eilig hatte. Aber Henle druckt ja offensichtlich das d.

Ist das nun eine "Geschmacksfrage", was man spielt? Oder gibt's da irgendeinen Konsens, dass man eigentlich das e spielen sollte, so wie alle Welt es wohl kennt? Oder gibt's gar sowieso ganz neue Erkenntnisse hierzu? (wie gesagt, im Henle-Band steht nichts, und was ich im Netz fand, kann ja überholt oder falsch sein...)
 
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Ja, die Erstausgabe hab ich mir (bei IMSLP) angeschaut. Bei IMSLP steht sogar, dass es anhand eines existierenden Autographs in der Erstausgabe eigentlich ein d sein müsste. Ich nehme aber an, sie meinen den in Bonn vorhandenen Entwurf? Der von Nohl angeblich verwendete Autograph (mit e) soll verschollen sein, las ich - oder ist der inzwischen wieder aufgetaucht?

Den Wikipaedia-Artikel schau ich jetzt mal durch, danke für den Tipp!
 
Hochinteressant ! Vielleicht äußern sich noch die Experten.
 
Ha! Ich spiele das seit Jahren von einer uralten Kopie meiner Mutter und habe immer ein e bis auf den vorletzten Takt, da kommt zum Abschluss das d. Eine Ausnahme, die mir immer logisch erschien! Ha! *grosse Augen* Meine KL hat nichts bemängelt, als wir es neulich wiederholt haben.
 
Ich kenne es nur mit dem d, ich habe aber auch Henle.
Aber warum sollte das d nicht passen? Ein paar Takte weiter haben wir g-f-e-d, f-e-d-c, e-d-c-h. Das ist für mich die gleiche Figur.
 
Im von @godowsky erwähnten Wikipedia-Artikel steht, dass O.von Irmer 1976 anhand des in Bonn vorhandenen Entwurfs das d in seiner Ausgabe verwendet. Das ist die bei Henle. Die Erstausgabe von Nohl ist von 1867. 109 Jahre lang kam man also mit dem e zurecht. Und erst seit Uli Hoeneß den Elfer in Belgrad über die Latte jagte (EM Finale 1976) rätseln nun Pianisten (und Anfänger wie ich), ob's nicht doch ein d sein müsste?
 
sehe gerade auf IMSLP, dass in Nohls Erstausgabe an der zweiten solchen Stelle (oben im Bild auch mit rotem Pfeil) tatsächlich ein d steht. Und in den Takten 44, 58, 88 und 102 - ganz am Ende - ebenfalls.

Wenn ich jetzt aber mal ein paar spätere Ausgaben nehme (auch bei IMSLP zu finden), zB Lafitte von 1905 oder Litolff von 1915, dann steht da nicht bloß in Takt 7 sondern auch in Takt 21 (die zweite rot markierte Stelle) ein e!
vielleicht auch noch bei denen weiter hinten, hab jetzt nicht alles durchgeschaut, bloss ganz hinten mal: Lafitte (1905) hat im vorletzten Takt wieder ein d, Litolff (1915) und auch Breitkopf&Härtel (1888) aber ein e.

Anscheinend kann sich das jeder aussuchen, wie er will (grummel grummel).
 
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das kann man wohl mit Sicherheit ausschließen
 

Die Erstausgabe von Nohl ist von 1867. 109 Jahre lang kam man also mit dem e zurecht. Und erst seit Uli Hoeneß den Elfer in Belgrad über die Latte jagte (EM Finale 1976) rätseln nun Pianisten (und Anfänger wie ich), ob's nicht doch ein d sein müsste?
Endlich weiß ich jetzt, warum Uli Hoeneß damals den Elfer verschossen hat: Statt für e wie "eini" hat er sich für d wie "drüber" entschieden und das Leder in die Wolken gejagt. Auch dann, wenn man von einem dreißigmal Deutscher Meister gewordenen Verein herkommt, unterläuft einem schon mal ein Fehler. Ein Schalker hätte das e gewählt und den Elfer natürlich reingemacht, das ist ja wohl klar. Deshalb werde ich als Schalke-Fan bis zu meiner blau-weißen Beerdigung immer ein schallendes e (e wie "Elise") spielen und kein Bayern-Fan oder -Mitglied wird mich davon abhalten können! Lieber vier Minuten Deutscher Meister als eine Sekunde Bayern-Fan!!!
:chr01::chr01::chr01::chr01:
LG von Rheinkultur
 
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da dieses "ist egal, was man spielt" jetzt schon mehrfach kam, muss ich mal fragen, wieso das egal sein soll?
Wäre es auch egal, meinem KL zB oder dem Komponisten, wenn bei Schumanns Träumerei statt des öfter auftauchenden F Akkords immer mal F7 (oder sonstwas) gespielt wird?
ich dachte bislang, das was der Komponist aufschrieb, sei das Maß der Dinge und da wärs keinesfalls "wurscht", mal hier mal da Noten zu ändern. Wenn ichs aus irgendwelchen Büchern recht erinnere, dann war gerade Beethoven ja auch stets ziemlich sauer, wenn ein Verleger oder Kopist sich nicht exakt an seine Vorlage hielt und bestand in mitunter ziemlich drastischen Worten auf Korrektur.

An diesem mittlerweile "überhörten", und wie ich finde relativ langweiligen (weil für meinen Geschmack im relativ kurzen Stück viel zu häufig auftretenden) Thema der "Elise" hat Beethoven ja über Jahre mal gebastelt, bis ers komplett ausformulierte, und neben diesem Thema gibts ja noch einiges anderes in WoO 59. Wieso sollte es Beethoven ausgerechnet da egal gewesen sein, wenn irgendwer ein halbes Dutzend Noten ändert?
 
Wer außer Ludwig selber kannte das Stück zu Ludwigs Lebzeiten?
wohl nur die Person, der ers zusendete.

das heisst, nur bei zu Lebzeiten vom Komponisten als ordentliches Werk einem Verlag angebotenen Stücken würde man "eisern" an den Noten kleben, weil da sozusagen klar wäre, was der Komponist wollte?
Beethoven hat ja wohl noch einige Jahre nach Versendung des später von Nohl gefunden (und dann verlorenen) Autographes an dem Text gearbeitet, das würde dann tatsächlich passen zu dem Gedanken, dass man sich an die frühere (heute bis auf die d/e-Verwirrung bekannte) Version nicht sklavisch halten müsse, weil sie Beethoven selbst nicht als final und veröffentlichungswürdig betrachtet haben wird.
 

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