Wie geht ein Berufsmusiker mit "ungeliebter" Musik um?

Das finde ich eine bemerkenswerte Aussage für einen Pianisten... :konfus: war das früher anders und du kannst das alles einfach nicht mehr hören?

Ich finde die Aussage sehr offen und offenbarend. Ein Erkenntnisschlüssel. Ich bin sehr dankbar dafür. (Auch wenn diese Erkenntnis einher geht mit der Erkenntnis dass der Autor der Zeilen von nun an 10 Jahre ä̵l̵t̵e̵r̵ weiser ist.)
 
Nach dem 9. Kandidaten beim Bratschen-Probespiel stöhnt der Stimmführer der 2. Geigen: "Meine Güte, ist das öde - Stamitz, Hoffmeister, Stamitz, Hoffmeister, Hoffmeister, Stamitz! Was bin ich froh, dass ich nicht Bratsche spiele!"

Der Solobratscher dreht sich langsam um: "Hm, wieviele Konzerte gibt es denn für 2. Geige?"
Die Doppelkonzerte von Bach und WieWaldi. Oder so.

Bei den Probespielen, die ich begleitet habe, waren alle drei "großen" Mozart-Konzerte erlaubt. Das G-Dur-Konzert hat kaum jemand gespielt, aber D-Dur und A-Dur waren in etwa gleich verteilt. Unangenehm zu begleiten sind sie alle...
G-Dur KV 216? Nie erlebt beim Probespiel. D-Dur KV 218 und A-Dur KV 219, ersteres mit ganz leichtem Übergewicht, würde ich aus eigenem Erleben sagen.

Leonin Bernstein! Der Junior hieß Perotin.
Kenne nur Leonid Breschnew. Der hat aber nicht komponaniert, glaube ich. Höchstens kompostiert, oder so. Das passiert, wenn einem von dem alten Scheiß die Ohren nur so dröhnen.

Krawehl und Gauf, oder so!
:017::017::017::017:
 
Das finde ich eine bemerkenswerte Aussage für einen Pianisten... :konfus: war das früher anders und du kannst das alles einfach nicht mehr hören?
erneut kann ich nur für mich sprechen:
Deine Frage @Viva la musica ob ich "das alles einfach nicht mehr hören Kann?", es also für mich quasi abgenutzt wirkt und ich dessen überdrüssig bin: das ist (bei mir) nur bei ganz wenigen Sachen so.

Nicht mögen (privates subjektives Geschmacksempfinden) ist keinesfalls gleichzusetzen mit nicht schätzen! Ich hatte gehofft, dass ich das am Beispiel der 3. Chopinsonate verdeutlicht hätte: ich mag sie nicht, sie gefällt mir nicht (bis auf das Scherzo), aber ich schätze sie sehr hoch. Und so gibt es halt ziemlich viel, was ich zwar nicht mag, aber dennoch hoch schätze.
 
Laien-Neugierde, ich hoffe, ich trete Dir mit meinen Fragen nicht zu nahe:

Du magst ein Stueck nicht, musst es aber vor Publikum spielen.
Kannst Du waehrend des Vortrags dieses persoenliche Nicht-Moegen-Gefuehl: Ausschalten? Professionell kaschieren? Oder?
Wirkt sich die gewaehlte "Strategie" auf das Ergebnis aus?
 
@Cecilie muss ein Schauspieler die Rolle, die er verkörpert, unbedingt sympathisch finden, gar lieben? Wenn Schauspieler XY am Theater den Fortinbras spielt, muss er dann weinen und die Rolle ablehnen, weil er den Hamlet lieber mag und den Fortinbras nicht so sehr, und das, obwohl er Shakespeares Tragödie prima findet?

Ich mag einige Stücke von Chopin.
Ich mag aber dennoch die Mehrzahl der Chopinstücke nicht.
Allerdings finde ich Chopin interessant - es ist kein Problem, seine für mich interessanten Sachen (auch die, die ich nicht sonderlich mag) zu spielen oder zu unterrichten.
 
Ich kenne das auch. Es gibt sehr viel Klaviermusik, die ich hoch schätze und ich weiß, dass es gute Musik ist (z.B. vieles von Schumann, Brahms, etc.), aber ICH will es nicht spielen (und teils auch nicht hören). Aus irgendwelchen Gründen sagen sie mir persönlich nicht zu, auch wenn es gute und interessante Musik ist. Das Klavierrepertoire ist so reichhaltig, man muss wirklich nicht alles lieben :)
 
Hallo liebe Cecilie,

super spannendes Topic hast du hier ausgewählt. :musik064:Ob als Hochzeitssängerin oder anderweitig engagierter Musiker/Sänger, bin ich der Auffassung, dass man nicht unbedingt alles mögen muss, was sich z.B. eine Hochzeitsgesellschaft oder ein Firmenveranstalter wünscht. Wichtig ist, dass du dies als Job siehst und professionell umsetzt. Ich denke, es gibt in jedem Beruf Themen oder Abschnitte, die nicht nach dem eigenen Gusto verlaufen - häuft sich jedoch deine Abneigung, würde ich an deiner Stelle nach einem Wechsel grübeln. In erster Linie sollte der Beruf ja Freude machen! :)

Hoffe, dies war hilfreich!

Viele Grüsse
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Meine ehrliche Auffassung?

Wenn ich für ein Konzert bezahlt werde, bin ich "Auftragskiller".

Ich liebe moderne Musik, aber mir ist klar, dass man damit nur in extrem seltenen Fällen Geld verdient.
Also bin ich gezwungen, auf Konzerten auch Stücke zu spielen, bei denen ich denke "boah ... ist das platt". ich langweile mich auch regelmäßig auf der Bühne fast zu Tode (z.B. auf Tanzveranstaltungen), wenn ich ein und die selben drei Parts quasi in Endlosschleife spielen muss.

Spass machen mir Auftritte aber trotzdem ... mein Fokus hat sich irgendwann verlagert.
Bei Auftritten für Geld geht es mir nicht mehr so sehr um die Frage, ob MIR die Musik auch gefällt. Es geht primär darum, ob es dem Veranstalter gefällt UND (das ist im Grunde viel wichtiger), dass die Musik im Rahmen der Veranstaltung "funktioniert". Wenn auf einer Tanzveranstaltung niemand tanzt, dann läuft irgendwas falsch.
Wenn ich umsonst spiele (also nichtmal Kost und Logis), dann suche ICH mir aus, was ich spiele bzw. in einer Band wird das demokratisch (also durch den Rädelsführer ... ein Scherz) entschieden.

Wenn ich denke, dass die Musik absolut nicht meins ist, und dass ich viel lieber woanders wäre (was anderes spielen), dann schaue ich mir das Publikum an ... gehts denen gut? lächeln sie ... egal ob sie tanzen oder nicht? singen sie mit?
Das einzige, was mich wirklich stört, ist der Gedanke:
"Ob wir uns hier auf der Bühne Mühe geben, ob es Livemusk ist, oder Konserve, das ist doch den meisten hier vollkommen egal".
Ich habe eine Menge Kneipenkonzerte erlebt (vor und auf der Bühne), bei denen die Musik richtig gut war, bei denen ich aber gleichzeitig dachte, dass das ja irgendwie Perlen vor die Säue ist.

Ich habe einen Musikgeschmack ... und den hätte ich wohl auch als Nichtmusiker entwickelt ... als Musiker stehe ich aber auch über meinen eigenen Wünschen und das betrachte ich als Teil meiner Professonalität.
Es macht keinen Unterschied, ob ich "mas que nada" spiele (ich mag diesen Gassenhauer nicht) oder "Brasileirinho" (das finde ich nett und es fordert mich am Melodieinstrument) ... beides mache ich mit Spass und Leidenschaft.
Allerdings hat das gerade bei diesen beiden auch viel damit zu tun, dass ich die Mitglieder der Band, mit der ich sie spiele, sehr gut kenne, sehr schätze und als einige meiner besten Freunde betrachte ... mit DENEN Musik zu machen, ist immer eine Mordsgaudi.

Fazit: Um die Musik geht es bei solchen Auftritten auch ... aber eben nicht hauptsächlich. Es geht darum, dass das Publikum bekommt, wofür es gezahlt hat.
 
Wenn das Stück schon keine Freude machen, so sollte wenigstens die Knete dafür entschädigen und Dir ein Lächeln auf die Lippen zaubern,
findet
cb
 
Klar :lol:

"Wess' Brot ich fress', dess' Lied ich sing' " sagt eigentlich nichts anderes.
 

Ich habe einmal ein Interview mit einem bekannten Dirigenten gelesen. Darin antwortete er sinngemäß auf die Frage, warum er sich so wenig mit zeitgenössicher Musik beschäftige: Bei moderner Musik musizieren 10% der Orchestermusiker engagiert und 90% machen Dienst nach Vorschrift. Daher sind entsprechende Aufnahmen häufig nichtssagend, besser sind die von darauf spezialisierten Ensembles. Offensichtlich gelingt es selbst renommierten Dirigenten häufig nicht, gegen diese Grundhaltung zu motivieren.
 
Bedeutet Professionalität nicht auch, in der Lage zu sein, sogar in ungeliebter Musik etwas zu entdecken, das man wertschätzen kann - allein aufgrund des musikalisch gut gebildeten Intellekts, dessen man sich bedienen kann? Und für den Fall, dass man etwas spielen muss, das man wirklich hasst, lässt sich doch immer noch die selbst gestellte Herausforderung bewältigen, einzelne Details (interpretatorisch und/oder improvisatorisch) so zu verändern, dass einem das Stück, wenn auch nicht „schön“, so doch wenigstens interessant erscheint.
 
Mein Mann kommt durchaus hin und wieder nach einer Probe heim und sagt "voll geil" über ein Stück, das er eigentlich grauslig finden wollte. Das Wort "Kackstück" fällt allerdings auch hin und wieder. Aber der ist Profi, der verdient sein Geld damit, also wird halt auch ein "Kackstück" bestmöglich gespielt.
 
Offensichtlich gelingt es selbst renommierten Dirigenten häufig nicht, gegen diese Grundhaltung zu motivieren.
Ich denke, das ist bei moderner Musik tatsächlich das Hauptproblem.
Ich kenne viele Menschen, die nie einen Zugang dazu gefunden haben, und wenn ich mir meine eigene Entwicklung ansehe, dann war es bei mir auch ein eher langer Weg.
Als Kind fand ich klassische Musik doof (wahrscheinlich weil ich dazu keine passenden Bewegungskonzepte hatte). Erst im Abitur habe ich dann eine Liebe für Beethoven, Haydn, Brahms, Tschaikowsky und Co gefunden.
Darüber, und über die Beschäftigung mit alter Musik (beginnende Polyphonie) habe ich dann auch einen Zugang zur "neuen Wiener Schule" bekommen, später dann auch Stockhausen, Ligeti, Kagel und mehr.
Mein Zugang zur Moderne hatte auch viel mit Musiktheorie und Kompositionshandwerk zu tun.
Teilweise ist diese Literatur aber auch für Profis recht anspruchsvoll und es werden auch mal Handlungen verlangt, von denen fast jeder Instrumentallehrer abrät.
Der Musikmarkt ist auch noch immer eher von Haydn und Mozart begeistert, als von Webern und Stockhausen.

Alle Namen sind nur Beispiele (versteht sich eigentlich von selbst, aber ich schreibe es vorsichtshalber mal lieber dazu).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erzähle mal eine Geschichte, bei der mir versichert wurde, sie sei wahr: Ed Kröger, Bremer Posaunist und Pianist, hatte auf einer Festivität zu spielen: gaudium pro plebe.. Normalerweise und vermutlich viel lieber spielt er Jazzkonzerte. Verdient man aber meist nicht so gut und kann das i.d.R. nicht ausschließlich betreiben.
Eine Dame aus dem Publikum trat an ihn heran: "Herr Kröger, könnten Sie nicht bitte Tea For Two spielen?" Allerdings kann Herr Kröger das Stück nicht leiden. Seine Antwort: "Ich kann das nicht spielen. Das Stück gibt es nicht mehr:"
Ich finde das genial und bin seitdem bisweilen versucht, ihn bei entsprechenden Gelegenheiten zu zitieren.

Ansonsten: wenn ich für den schnöden Mammon spielen muss und die verlangte Musik ist unterirdisch : spielen, weghören ( die Finger könnens eh), hinterher Geld zählen. Hat aber nichts mit Verachtung des Publikums zu tun, nur mit geistig- seelischer Hygiene.
 
Das Zitat ist einige Jahre alt, der Dirigentenname mir nicht mehr in Erinnerung. Die Zeitschrift (eine der handelsüblichen deutschsprachigen wie FonoForum, Crescendo, Rondo-Magazin...Habe sie nicht aufgehoben, daher nicht mehr erruierbar. Wer suchen möchte und es gefunden hat, bitte hier posten.

Es gibt natürlich auch Aufnahmen, die aus anderen Gründen verhunzt sind, die nichts damit zu tun, dass ihnen das Stück nicht gefällt oder ihnen nicht liegt. Ich habe zwei solistische Konzerte (Violine/Strauß und Klavier/Rach1), da ist aufnahmetechnisch der Solist so leise, das man ihn kaum hören kann, nicht etwa , weil er aus Unlust oder Ärger mit dem Produktionsteam einfach zu leise spielt, sondern weil er zu schwach ausgesteuert wurde. Michael Katin hat das einmal als Beispiel für den anderen Fall vorgeführt. Auf die im Booklet verbriefte schlechte Stimmung bei der Produktion hat er wohl reagiert, indem er nicht mehr exakt dem Notentext folgte (Rachmaninoff Op. 23/2, soweit ich mich erinnere, vielleicht noch bei anderen mehr). Die Kundigen werden das sofort erkennen. Trotzreaktion?
Man kann manchmal bei Provinzorchestern Mitglieder (z.B. Violine) hinten angelehnt sitzend sehen, manchmal wie in einem Sessel. Die haben dann keine Lust. Das wird dann nichts. Da ist dann die Erwartungshaltung gleich niedriger. Das kann einem bei Musik aus jeder Epoche begegnen. Vielleicht auch eine Reaktion auf das Verhalten vom Vorgesetztem. Auch bei Solisten sind Ausfälle möglich. Das letzte Klavierkonzert vor Corona war auch so ein Fall. Ein bestimmt allen bekannter britische Pianist gab ein volles Brahmskonzert. Wie er sich an das Klavier setzte, dachte ich, der packt jetzt noch eine Thermoskanne und zwei Butterbrote aus. Der Rest war einfach harmlos runtergespielt. Mit ist kein einziges Stück irgendwie in Erinnerung geblieben. Der hatte einen kraftlosen Tag, keine Lust, einen Tag vorher zu viel gesoffen, Jetlag, Corona-Quarantäne, versalzter Hummer...? Da waren die Stücke wahrscheinlich alle selbst ausgesucht und overexposed? Man erfährt das ja nicht. Gerade Solisten müssen Unlust wegen zu häufig gespielter Stücke und Kraftlosigkeit (dann lieber absagen, als geistige Diarrhoe produzieren) überwinden können. Alles andere ist wenig professionell und kann Publikum vergrätzen.
 
Wenn ich Chöre zu begleiten habe, kommt es durchaus vor, dass mir die Stücke nicht wirklich gefallen. Stichwort Schlagerarrangements o.ä.
Aber ich beschließe dann halt für den Moment, dass es mir Spaß macht, und gut zu spielen ist Ehrensache. Etwas einfach nur runterhuddeln würde ich nicht.
Und es gibt ja genügend Gelegenheiten, "gute" Sachen zu spielen.

Spannend ist es immer dann, wenn ein Laienchor sich zunächst gegen ein Stück sträubt. Aber wie man damit umgeht, wäre eher ein Thema für den Chorfaden oder ein ganz anderes Forum. :party:
 

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