Wie funktioniert das eigentlich mit der audiomotorischen Kontrolle?

Klangvorstellungsvermögen:
man kann ein Musikstück en detail innerlich hören, egal ob aus den Noten oder aus der Erinnerung
dazu audiomotorische Kontrolle:
man kann es dann auch sofort mit dem richtigen Klang reproduzieren, einzig das Tempo stellt sich erst nach einiger Anpassungs- bzw. Angewöhnungszeit ein.

das jedenfalls verstehe ich unter dem Begriffspaar Klangvorstellungsvermögen inklusive audiomotorischer Kontrolle (wobei letzteres sprachlich ein Wortungetüm ist) - ob Anfänger dergleichen gleich mitbringen, daran hab ich erhebliche Zweifel... insofern kann ich eine Diskussion nicht nachvollziehen, welche "Klangvorstellung" etc bei Anfängern gleichsam mit voraussetzt...

...bedenkt man, dass die kognitive Entwicklung von Kindern zumeist keinen allzu hohen Abstraktionsgrad im Alter von 5-8 Jahren aufweist, ist mir ohnehin schleierhaft, wieso man dergleichen bei Kindern erwarten sollte - allerdings kann man sie, ohne sprachlich kompliziertes Brimborium, zum hören und wahrnehmen und fühlen anleiten; das wäre dann ein guter Anfängerunterricht für Kinder (was leider nicht überall und immer gang und gäbe ist) --- Erwachsene können es da schwerer haben, weil sie mehr hören, es aber auch noch nicht umsetzen können: da lernen nun mal, ohne große psychologische Doktorarbeiten bemühen zu müssen, Erwachsene etwas anders als Kinder.
 
Kann man eigentlich (um das verpönte Wort zu gebrauchen) an einem Digitalpiano nicht besonders gut den "Klang" von Intervallen lernen und einüben? ;) auch z.B. ein Geigenschüler...?

Mir geht es immer noch so, daß wenn ich mich an mechanische Instrumente setze, ich binnen kurzer Zeit heraushöre, wie mehr oder weniger stark störend verstimmt ein Instrument ist.

Will sagen: an eine perfekte Stimmung kann sich das Ohr auch richtig gewöhnen.

Aber strenggenommen genügt wohl auch ein halbwegs gut gestimmtes mechanisches Instrument, um eine Quart von einer Quint unterscheiden zu lernen...

Zum Klangvorstellungsvermögen: ich hab das immer von der pragmatischen Seite her betrachtet und erlebt. Wie der neue Abschnitt eines Stückes oder ein neues Stück im Unterricht klingt, das war immer die "Überraschung des Tages" - ich habs halt (langsam) vom Blatt gespielt.

Die "Überraschung" wurde dann schnell weniger (schließlich "memorierte" ich ja den Zusammenklang von Melodie und Begleitung = den Klang der Musik). Während des Übens setzte dann immer recht zügig eine Art "Rückkopplungseffekt" ein: ich wußte, wie die Musik klang, die zu erzeugen war, und das half mir, welche Tastendrücke zu lernen waren und umgekehrt.
Beides gelang dann zunehmend schneller und effizienter mit wachsender Klavierspiel-Gesamterfahrung.

Mehr Gedanken habe ich mir über dieses Thema früher während des Klavierunterrichts nie gemacht und waren offensichtlich auch nie notwendig...(?)

Später dann habe ich an Stücken herumprobiert, die ich perfekt gespielt auf Schallplatte gehört hatte. Der memorierte gehörte Musikklang leitete mich wesentlich beim Einstudieren der Noten (sprich: ich wußte hoppla, da klingt was irgendwie nicht richtig - ein genaueres Studium von Vorzeichen bzw. Notentext bestätigten dann im Regelfall den Irrtum).

O.k., ich glaube, so sollte man es eher nicht machen... denn Notenlesen ist eigentlich nicht so furchtbar schwierig (und Schneemänner gab es zu der Zeit allenfalls im tiefen Winter draußen vor der Strasse).

Im übrigen: wie ein Stück wirklich gut klingen könnte (die Erarbeitung von einer "Interpretation", sprich meiner persönlichen Klangvorstellung davon) war und ist auch heute noch stark mit Versuch und Irrtum verbunden. Nicht selten durch Zufall finde ich beim Probieren eine Spielweise, die gut (bzw. originell) klingt.

Dennoch bleibt mir die folgende Frage: ich habe ein recht genau arbeitendes "Musik-Klanggedächtnis". Wieso wurde - oder wird - mit diesem offenbar so wenig gearbeitet?

Sprich: der Lehrer kann doch vorspielen, bzw. man kann sich Aufnahmen anhören - und man bekommt doch so eine sehr gute Vorstellung, wie das Stück richtig gut klingt (oder auch: wie es im Idealfall klingen könnte). Bin ich der einzige, bei dem das "funktioniert"...? Warum lese ich so oft: man solle schon vorher wunderbarerweise wissen, wie irgendwas klingt? Man solle (oder wolle) sich gute Aufnahmen des zu übenden Stückes bloß nicht vorher anhören? Bei mir wär das mit das erste, was ich überhaupt tun würde (und auch tue).

Klangvorstellungsvermögen beinhaltet für mich auch, Unterschiede in dem Klang den ich erzeuge, und dem, den ich innerlich gespeichert habe, festzustellen.

Kann man dieses Klangvorstellungsvermögen nicht auch ganz besonders dadurch schulen, daß man sich oft und viel gute (Klavier)musik genau anhört...?

Falls ja: warum wird das immer nie so richtig empfohlen und ans Herz gelegt...?

... recht verwirrte Grüße
Dreiklang
 
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Kann man eigentlich (um das verpönte Wort zu gebrauchen) an einem Digitalpiano nicht besonders gut den "Klang" von Intervallen lernen und einüben? ;) auch z.B. ein Geigenschüler...?
Wenn ein Geigenschüler sich angewöhnt, die Saiten seines Instrumentes in temperierten Quinten zu stimmen (und das wäre genau der Effekt), wird er nicht lange Freude haben...

Warum lese ich so oft: man solle schon vorher wunderbarerweise wissen, wie irgendwas klingt?
Nun, mit der Zeit entwickelt sich diese Fähigkeit. (Ich meine sogar zwangsläufig.) Dahin gelangt man aber schneller und zuverlässiger, wenn man sich darin auch übt. Natürlich muß man da mit ziemlich einfachen Sachen anfangen – Beethovensonaten kommen dann später. :D Mit Wundern hat das aber nichts zu tun.

Man solle (oder wolle) sich gute Aufnahmen des zu übenden Stückes bloß nicht vorher anhören? Bei mir wär das mit das erste, was ich überhaupt tun würde (und auch tue).
Das ist halt eine zweischneidige Sache: Einerseits sind Aufnahmen natürlich eine Erleichterung, wenn der Weg vom Notentext zur inneren Klangvorstellung noch nicht unmittelbar funktioniert. Sie verkürzen dadurch auch den Spielen-Hören-Verbessern-Kreislauf. Andererseits besteht die Gefahr, anstatt einer Komposition deren Aufnahme zu interpretieren. Zudem kommt es ja auch immer wieder vor, daß jemand ein Stück erarbeiten möchte, von dem es keine Aufnahme gibt oder greifbar ist. (Das passiert mir häufiger, wenn ich in einer Musikalienhandlung durch die Regale stöbere. In so einer Situation bin ich darauf angewiesen, mir ausschließlich mithilfe des Notentextes einen ersten Eindruck des Werkes zu machen.)

Allerdings halte ich auch nichts davon, das zum Dogma zu erheben. Zum einen ist es fast unmöglich, die gängigen "Gassenhauer" der Musikgeschichte (das jetzt bitte wertfrei verstehen!) nicht des öfteren zu hören. Zum anderen werde ich immer wieder durch mehr oder weniger zufällige Hörereignisse zur Beschäftigung auch mit unbekannteren Werken angeregt. Das fiele (bei entsprechend strenger Auslegung) ebenfalls weg.
 
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Klangvorstellungsvermögen:
man kann ein Musikstück en detail innerlich hören, egal ob aus den Noten oder aus der Erinnerung
dazu audiomotorische Kontrolle:
man kann es dann auch sofort mit dem richtigen Klang reproduzieren, einzig das Tempo stellt sich erst nach einiger Anpassungs- bzw. Angewöhnungszeit ein.

das jedenfalls verstehe ich unter dem Begriffspaar Klangvorstellungsvermögen inklusive audiomotorischer Kontrolle (wobei letzteres sprachlich ein Wortungetüm ist) - ob Anfänger dergleichen gleich mitbringen, daran hab ich erhebliche Zweifel... insofern kann ich eine Diskussion nicht nachvollziehen, welche "Klangvorstellung" etc bei Anfängern gleichsam mit voraussetzt...
Klangvorstellung INKLUSIVE audiomotorische Kontrolle findet man wohl kaum bei echten Anfängern. Es gibt jedoch begabte Kinder, die schon lange bevor die benötigte Technik vorhanden ist eine genaue Klangvorstellung haben und auch sehr geschickt Phrasen beenden usw.

Im Anfangsunterricht mit kleinen Kindern geht man ja oft von bekannten Kinderliedern aus. Da ist doch bei einem Kind sicher eine Vorstellung vorhanden wie es klingen sollte. Zb. beginnt "Im Märzen der Bauer" mit einem Auftakt, "Alle Vögel sind schon da" dagegen mit einem Volltakt. Ich habe aktuell eine 5-jährige Schülerin, die falsche Töne ausbessert, musikal. Phrasen beendet und Auftakte ohne es zu wissen auftaktig spielt. Ob sie das Volkslied auch innerlich hört weiß ich nicht und werde sie auch nicht fragen. Ich weiß allerdings, dass sie vom Singen ausgehend geigt. Außerdem hört sie ausgesprochen gerne klassische CDs beim Autofahren. Bei ihr zu Hause wird auch viel gesungen. Alles andere wird sich, wie bei anderen Schülern vor ihr auch, "ganz von alleine" mit der Verbesserung der Technik entwickeln.

@Dreiklang
Ich glaube nicht, dass man zum Geige lernen ein Digipiano zu Hilfe nehmen sollte. Eine gute Intonation lernt man am besten durch singen und am Instrument.
Beim Geigen genügt es nicht eine Quart von einer Quint zu unterscheiden. Du musst sie sauber greifen. Mit der Zeit entwickelt sich das Gehör dann fast ganz von alleine. Das einzige was dabei nicht gelernt wird ist Gehörbildung im Sinne von benennen. Viele Geiger können zwar sofort sagen was für ein Ton oder Akkord gespielt wird, brauchen dann aber Zeit diesen zu benennen. Da hat man als Pianist einen großen Vorteil.
 
Lieber A.A.,

ich kann mich Deiner Argumentation in großen Teilen anschließen. Außerdem kann ich mir noch selbst einige Antworten geben...

Guter Einzelunterricht gibt, zugeschnitten auf den Schüler (und evtl. auch dessen konkrete Ziele) schon passende Hilfen mit passenden Methoden auf eine geeignete Art und Weise.

Das ist ja gerade die Stärke eines guten Individualunterrichts...

Und gelehrt wird das, was aus umfangreicher Erfahrung heraus als gut und notwendig erachtet wird, um beim Ziel "Klavierspielen" weiterzukommen und sich weiter zu entwickeln.

Eigentlich ist die Frage nach irgendwelchen Standard-Vorgehensweisen dann fast obsolet. Und ich kann auch nur aus der (stark verblaßten) Erinnerung meines eigenen Unterrichts sprechen, und aus meinen autodidaktischen "Versuchen" :), Klavierspielen zu lernen und zu betreiben.

Schönen Gruß,
Dreiklang

P.s. Der Begriff "Autodidakt" ist doch eigentlich ein Paradoxon: wenn ich mir etwas "lehren" kann, dann "kann" ich es doch schon. Dann brauche ich es mir aber nicht mehr zu lehren *grübel* :)
 

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