Was tun bei mangelndem Rhythmusgespür?

Hier ist einer, ohne tiefenpsychologischen Hintergrund und darüber hinaus ernst gemeint:

Bring` Deinen Schüler dazu, in einer Rockband zu spielen. Da lernt man schnell, zwischen Achteln, Sechzehnteln und Triolen zu unterscheiden. Wenn er da nicht ziemlich flott genau auf den Punkt spielt, werden ihm das die anderen schon freundlich mitteilen. In so einer Umgebung lernt auch die hartnäckigste Altflötistin aus dem Lehrerseminar - Du bist ausdrücklich nicht gemeint - was Rythmus ist.

CW
 
Weil ich einem Schüler rate, nach Metronom zu spielen wenn er kein Gespür fürs Metrum hat?
Sag mir mal, wofür du denn bitteschön ein Metronom hernimmst.
Und woher du wissen willst, wie ich ausgebildet wurde.
Ich suche hier ehrliche Tipps und keine tiefenpsychologische Analyse meiner Selbst
(auch wenn das niemanden schaden kann, aber ich hab dich nicht drum gebeten).

Ein Metronom ist NUR zur Kontrolle des Tempos zu verwenden, und zwar ab und zu.
D.h. z.B., wenn ich das Gefühl habe, daß ich an einer Stelle immer wegrenne (obwohl ich das Stück eigentlich gut kann), um sozusagen die letzte Feinkontrolle zu haben und sicherzugehen, daß meine eigene Wahrnehmung richtig war.

KEINESFALLS dient ein Metronom dazu, ein Metrum-Gefühl in einem Anfängerschüler zu etablieren!

Dies kann nur drüber geschehen, daß man, ähnlich wie von mir weiter oben beschrieben, den Schüler das Metrum selber erzeugen läßt, dabei auf freie Schwingung achtet, und dann allmählich andere Aktionen dazuaddiert.

Aber siehst Du, allein diese Frage zeigt ja, daß Du Rhythmus und Rhythmuserwerb bislang nicht verstanden hast, sorry.
Mit Psychologie hat das nicht das Geringste zu tun, sondern jeder erfahrene und einigermaßen kompetente Musiker / Musiklehrer stellt das aufgrund Deiner Fragestellung sogleich ganz nüchtern und sachlich fest (auch wenn er es nicht, so wie ich, gleich direkt sagt).

Du kannst nicht einerseits im Eingangsposting feststellen, daß Du noch sehr unerfahren bist, und andererseits dann, wenn jemand hier eine (weitere) Lücke, die Dir vielleicht noch nicht klar war, brüsk und beleidigt zurückweisen und trompeten: Wer bist Du denn, ich weiß schon selber ganz gut Bescheid!

LG,
Hasenbein
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Jetzt haben wir ´ne Menge Tips zum Problem gesehen und ´ne Menge gut gemeinter Ratschläge gegeben. Entweder helfen die oder eben nicht. Dann gibt es halt einen Klavierschüler mehr, der nicht zum Virtuosen aufsteigen wird, also nichts Besonderes. Egal, Hauptsache, er trifft im Unterricht die richtigen Tasten und die richtigen Töne, jedenfalls so halbwegs. ´N bisschen über Musik lernen wird er in jedem Fall und das ist schon viel mehr, als andere in ihrem Leben je erfahren, also positiv.

CW
 
So kann man's zwar sehen - aber warum nicht dem Schüler noch eine Ecke mehr ermöglichen?

Die Lehrerin müßte es nur wollen und einsehen, daß sie überkommenen insuffizienten Vorstellungen über Rhythmus und Musiklernen anhängt; dann die zweckmäßigen Methoden anwenden (was keine Raketenwissenschaft ist, aber Arbeit bedeuten würde); und wenn alles gut geht, haben wir einen Schüler vor uns, der nicht nur notdürftig Töne erzeugt, sondern sogar befriedigende Klänge.

Das ist doch sonst so ein ähnliches Argument wie: Die Hartz-IV-Empfänger sollen sich mal nicht so haben und froh sein, in Afrika hamse gar nix.

LG,
Hasenbein
 
Hasenbein und andere haben nun ziemlich deutlich auf den Punkt gebracht: Rhythmusgefühl als körperliches und damit auch intrapsychisches Erlebnis.-Aus meiner Unterrichtstätigkeit auch mit scheinbar völlig arhythmischen Menschen kann ich nur bestätigen: möglichst oft weg vom Klavier!
Wenn man solche Leute ans Klavier setzt, an Rhythmusmodellen arbeitet oder sogar mit völlig freiem Tonmaterial rhythmisch improvisieren lässt, taucht meist das Problem auf: sie stehen unter dem Druck, auf jeden Fall "richtig" spielen zu sollen.

Deshalb ist es auch so, dass am Beginn des Improvisationsunterrichts entweder nur Metrik/ Rhythmik gelingen oder eben andere Teilaspekte.
Zeitweise halte ich es also für sinnvoll, einzelne Bereiche zu trennen.
Ein nach außen hin unspektakuläres Erfolgserlebnis hatte ich, als ein völlig rhythmusfreier 16jähriger Schüler nach ausgiebigem Hüpfen, Tanzen und Springen dann doch rhythmische Gestalten formulieren konnte.
 
Richtig, das ist ein sehr wichtiger Aspekt, der, wenn ich richtig sehe, bislang vergessen wurde (danke, Walsroderpianist!):

Das "Töne-Richtig-Spielen-Wollen" (zumal wenn "aus den Fingern heraus"...) verunmöglicht sehr oft ein Fließen des Rhythmus bzw. überhaupt ein Bewußtwerden des Rhythmus.

LG,
Hasenbein
 
Natürlich ist die Formulierung, Rhythmus sei nicht etwas Geistiges, sondern etwas Körperliches, sehr unvollkommen bis fehlerhaft.

Denn eine Trennung in "Geist" und "Körper" existiert ja in Wirklichkeit nicht.

Dennoch ist es für die Praxis zweckmäßig, so darüber zu denken: Denn Rhythmus bedeutet eben nicht, "im Kopf" (in einer sozusagen unkörperlich-losgelösten Klangvorstellung) irgendwie lang oder kurz genug bis zum nächsten Musikereignis zu warten, während der Körper stillsteht oder irgendwelche unabhängigen Bewegungen ausführt, sondern muß halt notwendigerweise im Körper als phyisische Aktion gespürt werden, also motorisch und kinästhetisch.
 
Hasenbein und andere haben nun ziemlich deutlich auf den Punkt gebracht: Rhythmusgefühl als körperliches und damit auch intrapsychisches Erlebnis.-Aus meiner Unterrichtstätigkeit auch mit scheinbar völlig arhythmischen Menschen kann ich nur bestätigen: möglichst oft weg vom Klavier!
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Dem kann ich aus Schülerperspektive ebenfalls nur zustimmen.

Seit 6 Monaten habe ich einen neuen Lehrer für Jazz-Piano. Ich bin kein Anfänger und hatte für mich bis dahin eine nicht unwesentliche rhythmische Grundbegabung beansprucht (Nach dem Moto: "...Groove und Soul hab ich ja sowieso im Blut, wenn nur die Finger schneller und die Voicings nicht so komplex wären" ;-) ).

Nachdem ich dem neuen Lehrer 2 Minuten lang meine Solo-Version eines Realbook-Standards vorgespielt hatte, wusste er sofort, dass mein Mikrotiming stark ausbaufähig ist. Er zeigte mir Übungen, die aus Klopfen, Klatschen, Stampfen mit allen 4 Gliedmaßen mit oder ohne Metronom bestehen. Die mache ich jetzt regelmäßig in allen Lebenslagen (beim Joggen zum Laufrhythmus, auf dem Fahrrad, im Bett anstatt Schafe zählen, zu Musik, die irgendwo dudelt...) und erfinde täglich neue dazu. Unmittelbar umsetzen lässt sich das am Klavier erstmal nicht, aber ich merke allmählich, wie mein Timing vor allem beim Ensemblespiel präziser und meine Phrasierung dadurch stimmiger und klarer wird.

In der zweiten Stunde bei dem neuen Lehrer, fagte ich, wie ich das denn jetzt auf mein Repertoire übertragen kann. Seine Antwort: Gemach! Mach die Übungen jetzt erstmal 1 bis 2 Jahre regelmäßig, dann geht der Rest ganz von alleine!

Ich ahne schon, dass er Recht behalten wird...

LG

TJ
 
Den Begriff "Mikrotiming" würde ich an Deiner Stelle auf den Müllhaufen werfen.

Denn er suggeriert, daß man

- a) "genaues Spiel" anstreben sollte und

- b) beim Spielen genau in kleinste Details reinhören sollte, die man mit uhrmacherhafter Präzision anordnet.

Das stimmt aber so nicht, es steckt eine falsche Rhythmusvorstellung dahinter.

Guter Rhythmus schwingt in relativ großen "Einheiten" (Dizzy Gillespie hat es mal so ausgedrückt: "The faster you play, the slower you count"), und zwar frei und "rund".

Die "Subdivisions" dazwischen ergeben sich daraus dann von selber, und die Genauigkeit auch.

Nur so kommt es übrigens, daß die großen Jazzimprovisatoren oft Phrasen frei "nach hinten" oder auch mal "nach vorne" schieben gegenüber dem Beat, dies aber total schlüssig und "un-ausgerechnet" klingt und einem oft erst auffällt, wenn man das Solo transkribiert und aufzuschreiben versucht.

Ohne Scheiß: Statt Dich mühsam mit "Mikrotiming" auseinanderzusetzen, üb lieber, richtig schwingende Viertel und Halbe zu spielen und dann Details wie Achtellinien, Offbeats etc. einzufügen, ohne daß die anfängliche Schwingung Stockungen bekommt. Dann klärt sich alles (u.a. auch das passende Verhältnis der Swing-Achtel zueinander, so daß es nicht "zickt").

Von Drummern kann man hier auch einiges lernen: Wer Swing auf dem Schlagzeug lernt als sich wiederholendes Pattern "Ding-Ding-a-Ding", wird nicht swingen und lange Zeit rumlaborieren, an welche Stelle denn das 2. Achtel auf "und" nun genau soll. Wer hingegen Swing lernt als "Viertelnoten, mit runder Armbewegung gespielt, zwischen die man, ähnlich wie ein Bassist seine Drops, Zwischentöne einfügt", hat gute Chancen, natürlich und "ansteckend" zu swingen.

LG,
Hasenbein
 

Hasenbein,

die letzten beiden Posts gefallen mir ausgesprochen gut und sind sehr interessant... das seltsame an gutem Rhythmus, "Swing", Groove etc. ist meiner Meinung nach, daß man ihn recht einfach "hören" und "erkennen" kann, aber das selbst Erzeugen sehr viel schwerer ist.

Und mit "Planen", da denke ich genauso, geht da eben nichts, nur mit Gefühl.
 
"Rhythmusgespür hat jeder" ist glaube ich leichter gesagt als bewiesen...
Denn wie gesagt habe ich eben Schüler, die mir das Gegenteil beweisen-

Oijeh, jetzt sind es gar schon mehrere Schüler - ab mit den Burschen und Mädels zum Grundwehrdienst, mal sehen wie schnell sie dort den Gleichschritt draufhaben. ;-)


Eine komische Methode ist es aber schon, den Schüler zwei Monate lang etwas falsch machen zu lassen - ist doch logisch, dass vom falsch machen nix richtig wird... :roll:


PS: Sehe gerade, du kommst aus Frankreich - da bleibt wohl nur die Fremdenlegion... :razz:
 
Erstmal Danke! für die Tips!

Den Begriff "Mikrotiming" würde ich an Deiner Stelle auf den Müllhaufen werfen.

Denn er suggeriert, daß man

- a) "genaues Spiel" anstreben sollte und

- b) beim Spielen genau in kleinste Details reinhören sollte, die man mit uhrmacherhafter Präzision anordnet.

Das stimmt aber so nicht, es steckt eine falsche Rhythmusvorstellung dahinter.

mir ist schon klar, dass damit nicht gemeint ist, die Hundertstelsekunden auszuzählen ;-) . Stimmt schon, der Begriff suggeriert, dass der Beat "seziert" werden muss um dann präzise zu spielen, aber das wäre völlig am Thema vorbei ( anstatt dessen: in Phrasen denken/hören/Spielen)

Ich verstehe unter Mikrotiming lediglich, dass man eine korrekte Time entwickelt und es eben rhythmisch nicht nur im Groben sondern auch in den Feinheiten stimmt. Dort hinzukommen erfordert allerdings gerade keine "mikroskopische" Herangehensweise.

Wenn ich z.B. beim Joggen meine Phrasen in langen Schleifen durch die Rhythmuspyramide durch klopfe und singe und mir die Beine einen gleichmäßigen Puls liefern, dann geht mir das mehr und mehr in Fleisch und Blut über, so dass ich beim Spielen immer weniger darüber nachdenken muss. Ich denke dann nicht (als Beispiel): "Vorsicht Vierteltriole in Sicht" oder "Achtung, im übernächsten Takt jetzt mal lässig ein 5 gegen 2 unterbringen" sondern ich habe mein Vokabular sicher abrufbar und kann es rhythmisch flexibel benutzen (jedenfalls ist das mein langfristiges Ziel).

Ohne Scheiß: Statt Dich mühsam mit "Mikrotiming" auseinanderzusetzen, üb lieber, richtig schwingende Viertel und Halbe zu spielen und dann Details wie Achtellinien, Offbeats etc. einzufügen, ohne daß die anfängliche Schwingung Stockungen bekommt. Dann klärt sich alles (u.a. auch das passende Verhältnis der Swing-Achtel zueinander, so daß es nicht "zickt").

Von Drummern kann man hier auch einiges lernen: Wer Swing auf dem Schlagzeug lernt als sich wiederholendes Pattern "Ding-Ding-a-Ding", wird nicht swingen und lange Zeit rumlaborieren, an welche Stelle denn das 2. Achtel auf "und" nun genau soll. Wer hingegen Swing lernt als "Viertelnoten, mit runder Armbewegung gespielt, zwischen die man, ähnlich wie ein Bassist seine Drops, Zwischentöne einfügt", hat gute Chancen, natürlich und "ansteckend" zu swingen.

Klar, das mach ich ja auch alles, bin kein Rhythmusautist 8)

Danke nochmal

LG

TJ
 
Ich vermute, daß leider (!!!) dieanna bereits beleidigt den Abflug gemacht hat...

Naja, ich wünsche ihr von Herzen, daß sie noch eine sehr gute Lehrerin wird und spätestens in 10-20 Jahren an diesen Thread zurückdenkt mit "Oha, ja, hätte ich mal auf die Jungs und Mädels von Clavio damals gehört, dann hätte ich mir und meinen Schülern in der Zwischenzeit einige Irrwege erspart..."!

LG,
Hasenbein
 
so schnell? nix da - länger und gründlicher schämen, aber hopp-hopp :D:D:D:D
 
Hallo!
Eine Schülerin von mir hatte ähnliche Probleme.
Sie spielte ein Stück (Einaudi), das am Anfang hauptsächlich aus 8eln besteht. Später geht es dann in 4tel über, und da war sie viel zu langsam. Ich habe sie den Anfang spielen lassen, und da die Viertel zählen lassen. Ein paar Takte, und sie sollte weiterzählen (ohne zu spielen), dann während dem Zählen die 4tel-Passage anfangen. So hat sie gemerkt, wie der Rhythmus ist. Taktgefühl ist ja auch Rhythmusgefühl.
Vielleicht klappt das bei Deinem Schüler? Dann halt in die andere Richtung: 8el-Passage zählen lassen (und zwar die 8el), dann 16tel-Passage.
Man muß ein Klavierstück schon gut können, bevor man mit Metronom arbeitet. Sonst wird es frustrierend. Da man auf die Noten schauen muß und dann noch das Tempo halten. Also möglicherweise Metronom langsamer einstellen, und dann schneller werden. Aber ich verwende Metronom nur als "Anschauungsmaterial", um das Tempo zu verdeutlichen. Aber sehr sehr selten als Unterrichtsunterstützung.
Gruß, Antje
 

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