Warum heisst das Klavier eigentlich Klavier?

hyp408

hyp408

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Servus,

ich lese gerade einen sehr lohnenden Roman über Bach ... "Die Stimmung der Welt"!

Dort steht, dass im Barock der Sammelname für Tasteninstrumente (also Orgeln, Cembali etc) "Clavier" war. Auch ist öfter die Rede von "Claven" ... also Schlüssel (aus dem Lateinischen). Im Englischen heisst es ja auch heute noch "Keyboard".

Weiss jemand wie sich die Bezeichnung mit den "Schlüsseln" herleiten lässt?

Gruss

Hyp
 
Es gibt mehr Vokabeln, als man ahnt..

"Clavier" war lange ein Sammelbegriff für sämtliche Tasteninstrumente.

"Clavis", die Taste (lat.).

Die Orgel, per se. Dann das Clavichord, das Cembalo. Dann auch nach 1700 diese neumodische Erfindeung, die mangels anfänglicher Lautstärke erst so gar nicht aus dem Quarke kam, der Flügel nach Bauart Cristofori, Abwandlung des Cembalos mit anderer Mechanik, statt per Anreißen (Gitarre, Plektron) zum Druntertupfen (Hackbrett), und Kopien in Spanien und Sachsen (Silbermann).

Cristofori hatte es auch nicht Klavier oder Clavier genannt, sondern "Arpicembalo che fa piano e forte", das Cembalo, das leise und laut kann.

Heute hat im deutschen Sprachraum bereits eine begriffliche Verengung stattgefunden, dass nichtmal mehr bestimmte Teile der Gattung Klavier als Klavier bezeichnet werden, sondern nur noch die aufrechtstehende Variante.

Im Englischen das "Upright", unser Klavier.

Während der Flügel, der die Saiten "längs flach" hat, schon nicht mehr mit dem deutschen Wort "Klavier" erkannt wird.

NB Ich selber muss da aufpassen, da ich mich oft im angelsächsischen Sprachraum mit der weiterhin universellen Verwendung von "piano" herumtreibe, Klavier als "upright" UND als "grand (piano)", Flügel. Ich rede öfter von meinem Klavier, und ernte Verwunderung und Kopfschütteln. Nun, es ist ein Klavier - in der Spezialbauform "Flügel".

Zu schweigen vom numehr nahezu ausgestorbenen Tafelklavier, Saiten "quer flach", das in Mitteleuropa um 1850 auszusterben begann, derweilen es im Angelsächsischen als "square (piano)" (Rechteck, genauer "Quadrat") im amerikanischen Raum noch eine ca. 40-50 Jahre längere Produktionsgeschichte bis gegen 1900 hat. (Steinway begann 1853 mit Tafelklavieren, squares, dem amerikanischen Privatbedarf im Standard, erst drei Jahre später begann man Flügel zu bauen.)

Vereinzelt, sehr selten, werden heute Flügel angeboten, Längen zwischen 120 und 140 Zentimeter, die eher die Tafelklaviere alter Zünfte wiederzubeleben trachten. Nahezu schon wieder quer gedrehte Bass-Saiten.

Letzte Tage lernte ich eine muntere kunstsinnige Zunft kennen, die den Uhu als weisen Leitgeist tief verehrt, die "Schlaraffen". Sie bedienen sich zu ihrer Belustigung eines auf "ritterlich alt" eingefärbten Spezialvokabulars des Deutschen. Sie nennen die auf ihren kunstsinnigen Versammlungen ("Sippung") vorn stets präsenten Klaviere oder Flügel "Cymbel". Sie benennen den Klavierspieler unter ihnen als den "Zinkenmeister".
 
Letzte Tage lernte ich eine muntere kunstsinnige Zunft kennen, die den Uhu als weisen Leitgeist tief verehrt, die "Schlaraffen". Sie bedienen sich zu ihrer Belustigung eines auf "ritterlich alt" eingefärbten Spezialvokabulars des Deutschen. Sie nennen die auf ihren kunstsinnigen Versammlungen ("Sippung") vorn stets präsenten Klaviere oder Flügel "Cymbel". Sie benennen den Klavierspieler unter ihnen als den "Zinkenmeister".
...und ich wollte Dich schon fragen, woher der Uhu in Deinem Benutzerbild kommt...


Toni
 
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NORMALERWEISE kann der Begriff "KLAVIER" aus "clavis" ( a. d. Lat.: clavis, is, f. => Griechische Versionen kla-is, kle-is , klawis ( mit "w" = Digamma ) ) nicht für unterschiedliche BAUFORMEN ( upright / grand ) zu Rate gezogen werden.

Denn wenn man zusätzlich die Übersetung "Taste" im Blickfeld hat ( die sich aus der BEZEICHNUNG sogar von ORGELTASTEN zu ganz frühen Zeiten zeigte ), so ist eigentlich alles, was solche TASTEN hat, also "keys", ein KLAVIER.

Wir modernen Menschen unterscheiden da natürlich gerne. Aber zuweilen auch nicht, siehe Lotusblumes Beitrag. ;)

Jedenfalls: Von Begriff "key", "Schlüssel" oder "Taste" auf die BAUFORM zu schließen, ist geschichtlich eigentlich Quatsch.

LG, OLLI !
 
NORMALERWEISE kann der Begriff "KLAVIER" aus "clavis" ( a. d. Lat.: clavis, is, f. => Griechische Versionen kla-is, kle-is , klawis ( mit "w" = Digamma ) ) nicht für unterschiedliche BAUFORMEN ( upright / grand ) zu Rate gezogen werden.

So wurde es ja in dem oben von mir verlinkten Faden auch erläutert. Grimm bietet Belege aus dem 18. Jh., wo noch zwischen dem clavier und den restlichen Teilen des Instruments unterschieden wird:

schickte derhalben zum instrumentmacher, verdingte ihm den patienten (das schlechte clavichordium) und wuste sich sehr viel dasz er den kasten, die clavier, die wirbel und das rothe tuch zum besten hatte (nicht angerechnet bekam).

Allerdings ist die unmittelbare Ableitungsbasis nicht das Lateinische, sondern das Französische clavier, das seinerseits natürlich auf dem Stamm clavi- und eine Suffix -arius beruht, einem häufiger Bildungstyp wie etwa (Beispiel inspiriert durch den "Sex vs. Klavier" - Faden) admissarius »Oberbeschäler«. Das Clavier als Instrumentenbezeichnung entsteht durch Metonymie (ein Allerweltsableitungsprozeß) und bezeichnet damit zunächst einmal irgendetwas, das (mit) Tasten (zu tun) hat.

Wie nun aber die deutschen (nicht aber die österreichischen) Hersteller seit der Mitte des 19. Jh. darauf verfallen sind, das Pian(ni)no »Klavier« zu nennen, hat die damalige Diskussion mangels archivarischen Fleißes ihrer Teilnehmer nicht klären können.
 
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