Ungeduld - der grosse "Killer"

Dreiklang

Dreiklang

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Moin ;-)

Mir ist gestern etwas bewußt geworden: wie sehr sich die unliebsame Ungeduld eigentlich schon durch mein ganzes Klavierspiel-Hobby geschlängelt hat, und dieses - leider viel zu oft - begleitet hat.

Hauptsache, schnell vorankommen. Schnell das mittelschwere Stück spielen. Technische Hürden müssen schnell und irgendwie genommen werden, anstatt ordentlich und nachhaltig. Naja, man hört es dann auch.

Und sehr viel früher wollte ich schnell - eigentlich sogar: sofort - schwere Beethoven Sonaten spielen. Dass es damals lange Zeit bei einem nicht anhörbaren Geklimper blieb, war vorprogrammiert.

Ungeduld...

Anstatt dem Körper und dem Geist die Zeit zu geben, die sie nun einfach mal benötigen, um irgendwas mal von Grund auf und zuverlässig und nachhaltig zu lernen, stolpert man die Treppe hinauf, und wundert sich, wenn man - pardauz - auf einmal wieder unten liegt, oder ausser Puste zwar oben steht, aber sich über das Erreichte eigentlich nicht richtig freuen kann.

Ungeduld - kennt ihr das auch...?

Schönen Gruß & frohe Diskussion
Dreiklang
 
Ungeduld ist mein zweiter Vorname 🙈
Ein Aha-Erlebnis hatte ich bei unserer Alpenüberquerung (mit einer Gruppe). Wir waren auf einem Sattel angekommen und mir ging im Kopf rum "OK, x Höhenmeter geschafft, heute noch y zu laufen." Die Teilnehmerin neben mir war zum ersten mal überhaupt in den Alpen unterwegs (:022:aber das ist ein anderes Thema) und kam gar nicht mehr aus dem "Irre! Irre!" sagen und verzückt um sich blicken raus. Da war ich dann doch einbisschen neidisch drauf.

Andererseits ist meine Ungeduld ein Teil von mir und ich bin auch ein bisschen stolz drauf, was ich mit ihrer Hilfe schon alles geschafft habe. Also versuche ich ab und zu mal "danke" zu sagen und sie - zusammen mit meinen hohen Erwartungen - auf der inneren Zuhörerbank zu parken. :musik064:
Und das Leben ist kurz - wer weiß vieviel Zeit mir noch für den 3. Satz der Mondscheinsonate bleibt? ;-)
 
Und das Leben ist kurz - wer weiß vieviel Zeit mir noch für den 3. Satz der Mondscheinsonate bleibt? ;-)

Der dritte Satz von Op. 27/2 gehört(e) ganz früher natürlich auch zu meinen absoluten Wunschkandidaten. Nicht zu vergessen auch die L.v.B. Pathetique! Viel besser wurde alles dann später durch systematisches Üben, nach dem Motto: gewußt, wie...
(und auch die beeindruckende Waldstein, und Appassionata nudelte ich anfangs mehr schlecht als sonstwas durch. Die geniale Op. 111 hatte ich damals noch überhaupt nicht "verstanden").

Es gehört vielleicht nicht direkt hier her, aber hier ist jemand, der auf jeden Fall im Vorfeld viel Geduld und Fleiss bewiesen hat, um dann aus dem Stegreif und stante pede eine solche Leistung erbringen zu können. Spielen tut sie den Satz - nach nur einer Stunde üben - ab 14:10:




(diskutiert wurde diese preisgekrönte Pianistin schon einmal, etwa ab hier:
https://www.clavio.de/threads/tempo-wahn.28981/post-815155 )
 
Zuletzt bearbeitet:
Anstatt dem Körper und dem Geist die Zeit zu geben, die sie nun einfach mal benötigen, um irgendwas mal von Grund auf und zuverlässig und nachhaltig zu lernen, stolpert man die Treppe hinauf, und wundert sich, wenn man - pardauz - auf einmal wieder unten liegt, oder ausser Puste zwar oben steht, aber sich über das Erreichte eigentlich nicht richtig freuen kann.
... wenn ich da so lese, wie ich mir selbst öffentlich den Kopf wasche: vielleicht wird's ja in Zukunft etwas besser, und ich gebe mir mehr Zeit und Ruhe bei diesen Dingen... und überfordere mich nicht so oft selbst mit meiner Ungeduld...

Jemand sagte einmal: schnell-schnell ist langsam-langsam...
 
Dazu ein Tipp: klicke auf den "Kanalbetreiber" links unterhalb des Videos auf Youtube. Das ist "Heart of the Keys", die Pianistin selbst. Dort dann auf "Videos" (gleich rechts neben "Übersicht").

So findest Du alle von ihr als Kanalbetreiber hochgeladenen Videos.
 
Wenn man die vielen tollen Stücke vor sich sieht, die man gern noch spielen würde, klar! Ungeduldig herbeigesehnt! Wobei ich persönlich jetzt nicht ständig, die für mich technisch und musikalisch noch unerreichbaren Stücke herbeisehne, im Gegenteil: Ich spiele gern einfache Stücke, da gibt es ja auch so viel Schönes, da bin ich noch viele Jahre beschäftigt. Und mich beschäftigen die genug. Also mehr ungeduldig, die Masse dieser Stücke auf meinem Niveau zu lernen.

Und natürlich viel zu ungeduldig bei der Erarbeitung jedes einzelnen Stücks. Gibts da ein Rezept dagegen? Gibts jemand, der mit Genuss und Hingabe an den Augenblick die zwei, drei gerade geübten Takte perfektioniert und darin aufgeht ohne auch nur ein kleines bisschen ungeduldig zu sein, sie endlich im Gesamtfluss des Stückes spielen zu können?
 
In meinem Leben gab es verschiedene Phasen. Als Kind und Jugendliche war mir Ungeduld total fremd, das änderte sich erst gegen Ende der Schulzeit und massiv während des Studiums. Dann war viele Jahre Ungeduld mein ständiger Begleiter. Diese Ungeduld weitete sich aber auf alle Bereiche aus. Meine Ungeduld kam, wenn ich heute darüber nachdenke daher, dass ich anfing selbstbewusster zu werden, und mich nicht mehr von anderen gängeln zu lassen. Geduld hat nämlich auch eine sehr gefährliche Seite, wenn sie dazu führt alles zu erdulden. Und das war bei mir der Fall. Einen Nachteil hatte diese immer mehr zunehmende Ungeduld aber auch, ich fühlte mich immer mehr getrieben.

Vor 7 Jahren gab es dann einen massiven Bruch durch eine mittelschwere Depression. Im nachhinein das Beste, was mir passieren konnte, denn ich bin fast zu meiner Geduld von früher zurückgekommen, mit einer sehr wichtigen Änderung, ich erdulde nichts mehr.

Aber um auf das Thema Klavier oder Musik wieder zurückzukommen, als ich vor gut 11 Jahren wieder mit dem Singen anfing, da hat mich der Chor mit seiner Langsamkeit manchmal wahnsinnig gemacht. Wenn die Stellen, die wir schon x-Mal geübt haben immer noch nicht klappten und dann gerade diejenigen, die es oftmals verbockten ständig rumquackten :"Uh, das schaffen wir doch nie bis zum Konzert, blablabla."

Ich hätte mir ganz oft ambitioniertere Stücke gewünscht und fühlte mich oft ausgebremst, ich ging davon aus, das alle anderen im Chor auch für die Musik brennen mussten, war aber offensichtlich nicht so. Deshalb begann ich ein paar Jahre später mit dem Gesangsunterricht und fühlte mich endlich gefordert und im Ensemble auch verstanden.

Nach der Depression lernte ich dann, die Fortschritte des Chores gelassener zu sehen, als Ausgleich hatte ich ja meinen Unterricht.

Beim Klavier dauert jetzt alles halt solange, wie es dauert. Ich liebe es einfach die Tasten unter meinen Finger zu spüren. Eine Liste mit Stücken, die ich unbedingt spielen will gibt es nicht, da ich nicht weiss, was mit meinen Stummelfingern möglich sein wird, macht es auch keinen Sinn und ich will für alles offen bleiben. Und dadurch habe ich entdeckt, das mir Blues zu spielen wahnsinnig Spaß macht, zuhören aber immer noch nicht.
Vielleicht ist die Ungeduld auch Altersabhängig, ich sehe heute sehr vieles viel gelassener.
 
Wenn man die vielen tollen Stücke vor sich sieht, die man gern noch spielen würde, klar! Ungeduldig herbeigesehnt! Wobei ich persönlich jetzt nicht ständig, die für mich technisch und musikalisch noch unerreichbaren Stücke herbeisehne, im Gegenteil: Ich spiele gern einfache Stücke, da gibt es ja auch so viel Schönes, da bin ich noch viele Jahre beschäftigt. Und mich beschäftigen die genug. Also mehr ungeduldig, die Masse dieser Stücke auf meinem Niveau zu lernen.

Und natürlich viel zu ungeduldig bei der Erarbeitung jedes einzelnen Stücks. Gibts da ein Rezept dagegen? Gibts jemand, der mit Genuss und Hingabe an den Augenblick die zwei, drei gerade geübten Takte perfektioniert und darin aufgeht ohne auch nur ein kleines bisschen ungeduldig zu sein, sie endlich im Gesamtfluss des Stückes spielen zu können?
Ach weisst Du... alles, was ich da lese, würde ich eher als einen gesunden und natürlichen Hunger und Appetit auf Klavierspielmusik bezeichnen, und weniger als die eher krankhafte und/oder schädliche Ungeduld, von der ich sprach, und die ich im Prinzip meinte...

Stets gutes und entspannendes Musizieren wünsche ich Dir - bestimmt auf die nächsten Jahre!
 

Eine Liste mit Stücken, die ich unbedingt spielen will gibt es nicht, da ich nicht weiss, was mit meinen Stummelfingern möglich sein wird, macht es auch keinen Sinn und ich will für alles offen bleiben.
Mich stören meine ziemlich stark unterschiedlich langen Finger... für's Klavierspiel wären mir Lang Lang-Hände (alle Finger ziemlich gleichlang) da wohl lieber.

Naja, was auch immer, man muss halt lernen, mit seinen Bordmitteln die man hat, zu arbeiten. Irgendwie geht's eigentlich immer.
 
Und natürlich viel zu ungeduldig bei der Erarbeitung jedes einzelnen Stücks. Gibts da ein Rezept dagegen? Gibts jemand, der mit Genuss und Hingabe an den Augenblick die zwei, drei gerade geübten Takte perfektioniert und darin aufgeht ohne auch nur ein kleines bisschen ungeduldig zu sein, sie endlich im Gesamtfluss des Stückes spielen zu können?
Ich übe nicht nur auf die Weise, dass ich ein Stück erstmal erschließe und zügig größere Teile spielen kann, sondern praktiziere bei einigen Stücken auch eine Form des Übens, bei der ich Kleinst-Abschnitte von vornherein sehr detailliert musikalisch ausgestalte und sofort verinnerliche. Diese Verinnerlichung erarbeite ich nicht nur am Klavier, sondern sie erfolgt auch durch mentales Üben (Vorstellung des Klangs, der Bewegungen, der Noten, der harmonischen Funktionen usw.). Mit dieser Methode ist man nur mit dem beschäftigt, was man sich vollständig zu eigen macht. Und genau das lässt mich voller Hingabe und Genuss den musikalischen Augenblick erleben.
 
@Viva la musica Das lässt sich pauschal nicht beantworten- es hängt immer von dem Umfang der Phrase ihrer Komplexität und ihren musikalischen Herausforderungen ab. Aber generell brauche ich im Schnitt drei Tage, bis ich eine solche Phrase verinnerlicht habe, bei ca. 15-20 Minuten täglicher Arbeit daran. Dann hat sie sich fürs erste gesetzt.
Natürlich erarbeite ich auch mehrere solcher Abschnitte parallel.
 
Zitat von Faden:

Ich finde das übrigens bezeichnend, dass mir die Idee zu diesem Faden ausgerechnet in einer Phase kam, wo ich ganz besonders ungeduldig bei der Erarbeitung einer schweren Passage war...
Als ob mir das motorische Lernzentrum im Oberstübchen irgendetwas versucht hat zu sagen ;-)

Die Erarbeitung von schweren Stücken bzw. klavierspielerischer Technik läßt sich irgendwo mit dem Voll-Schöpfen eines Fasses neben einem Bach vergleichen: wenn man immer hastig und hektisch mit dem Becher zu schöpfen versucht, verschüttet man jedesmal die Hälfte, kleckert sich voll, und kommt doch nicht wirklich gut voran.

Lässt man sich aber ein wenig Zeit und passt einigermassen dabei auf, dann läuft die Sache letztendlich.

Das hier
...wenn von Schubert aus dem Liederzyklus "die schöne Müllerin", dann kenne ich das.
wundert mich im Grunde nicht, denn wenn Klavierspiel ein großer Teil des Berufes ist, hat man a) auch viel Zeit dafür, das zu lernen und b) kann es sich auch nicht wirklich leisten, die Treppe raufzufallen, weil man ständig greifbare Fortschritte erreichen muss (und zu einem fundierten Arbeiten praktisch "gezwungen" ist - zumindest denke ich das).
 
Der dritte Satz von Op. 27/2 gehört(e) ganz früher natürlich auch zu meinen absoluten Wunschkandidaten. Nicht zu vergessen auch die L.v.B. Pathetique! Viel besser wurde alles dann später durch systematisches Üben, nach dem Motto: gewußt, wie...
(und auch die beeindruckende Waldstein, und Appassionata nudelte ich anfangs mehr schlecht als sonstwas durch. Die geniale Op. 111 hatte ich damals noch überhaupt nicht "verstanden").

Es gehört vielleicht nicht direkt hier her, aber hier ist jemand, der auf jeden Fall im Vorfeld viel Geduld und Fleiss bewiesen hat, um dann aus dem Stegreif und stante pede eine solche Leistung erbringen zu können. Spielen tut sie den Satz - nach nur einer Stunde üben - ab 14:10:




(diskutiert wurde diese preisgekrönte Pianistin schon einmal, etwa ab hier:
https://www.clavio.de/threads/tempo-wahn.28981/post-815155 )

Ich sage ganz ehrlich: ich glaube nicht, dass jemand der über 20 Jahre lang viele Stunden am Tag Klavier spielt noch nie in den Türkischen Marsch, Claire de Lune, den dritten Satz der Mondscheinsonate oder das Fantaisie-Impromptu reingeschnuppert hat. Selbst wenn man es dann nicht bis zum aufführreifen Zustand übt.
Ist also doch eher etwas peinlich, was sie da abzieht.
Wirklich interessant wäre es, wenn zwei Pianisten im Beisein des Anderen einen Umschlag öffnen, die Noten eines unbekannten Stückes entnehmen, sich in zwei verschiedene Zimmer zurückziehen und dann parallel eine Stunde daran üben würden. 😬
 
Ja sicher, das hat vielleicht schon jeder von uns gedacht. Ich glaube bei diesem Stück sagt sie sogar selbst, dass sie zum zweitenmal diese Challenge macht.

Schmälert aber für meinen Geschmack die Leistung nicht. Die erreiche Geschwindigkeit am Ende ist enorm, und ebenfalls sehr wichtig, eine gute klangliche Ausgestaltung ist zu erkennen.

Schnell zu spielen ist das eine - einen guten Klang dabei auch noch hinzukommen, dann das andere.

Viel wichtiger aber für mich: dass einmal "Lernfähigkeit eines Pianisten" in einem Video demonstriert worden ist (bewusst auch auf eine humorige Art - das stört mich nicht). Sonst hat man da immer nur Rätselraten, es sagt einem ja keiner was.

Wie gesagt: eine Stunde üben... die ist schnell 'rum.

Irgendwo auf Youtube gibt es auch Übe-Videos von Valentina Lisitsa (suche: "lisitsa practising"). Die finde ich aber eher langweilig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sage ganz ehrlich: ich glaube nicht, dass jemand der über 20 Jahre lang viele Stunden am Tag Klavier spielt noch nie in den Türkischen Marsch, Claire de Lune, den dritten Satz der Mondscheinsonate oder das Fantaisie-Impromptu reingeschnuppert hat.
Behauptet ja auch keiner. Vielleicht hat sie andere Schwerpunkte bzw. Prioritäten wie z.B. den Türkischen Marsch, Claire de Lune, ...
Nur weil es unter den Pädagogen und vielen Schülern soooo beliebte Stücke sind, muss es ja nicht jedem bis zum erbrechen gefallen. Ohne Annique Göttler und ihre Videos in Schutz nehmen zu wollen, das was sie zeigt ist für mich als Zuschauer sehr interessant anzusehen. Und selbst wenn ich weiß, dass es zum Teil Show ist und sie ihre Videos nicht grundlos in Englischer Sprache postet (muss ja jeder schauen wo er bleibt, Konkurrenz schläft nicht), fehlt mir die Arroganz mich zu solchen Aussagen hinreißen zu lassen.
Ist also doch eher etwas peinlich, was sie da abzieht.
Peinlich ist in meinen Augen über andere herziehen, aber es nicht besser machen zu können. Und solltest Du es wieder Erwarten doch besser können, dann frage ich mich, warum Du solche Aussagen nötig hast.

Wirklich interessant wäre es, wenn zwei Pianisten im Beisein des Anderen einen Umschlag öffnen, die Noten eines unbekannten Stückes entnehmen, sich in zwei verschiedene Zimmer zurückziehen und dann parallel eine Stunde daran üben würden. 😬
Warum muss etwas immer ein Wettstreit sein? Warum haben immer alle den Drang anderen etwas beweisen zu müssen? Ey Nachbar! Schau mal! Mein Daimler ist größer als Deiner! EY!
 

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