Tonikagegenklang in Dur - die Neuen Leiden des Musikschülers

Hmm... Klassischer Tonsatz. Lange her...

Wenn ich Gm7 als III. Stufe von Ebmaj sehe, vertritt Gm7 die Funktion der Tonika (Gm7 über Ebmaj ergibt ja Ebmaj/9) also würde ich mal auf Tonikagegenklang tippen.
Aber ich nehme an, Du weisst es besser?
 
ich weiß es ja eben nicht genau.
Ich würde auch auf tonikagegenklang tippen, aber sicher bin ich mir da nicht.
Deshalb frag ich ja.
 
Also für mich ist der Bezug zu Bb irgendwie nicht da. Das Beispiel erinnert einfach an die "Rhythm-Changes" und da wäre Gm7 eindeutig III. Stufe und somit Tonika-bezogen. Das Einzige, was vielleicht noch in Frage käme wären vielleicht noch II-V - Fortschreitungen, wobei Gm7 dann allerdings Subdominantenparallele wäre. Um das festzustellen, bräuchte man allerdings eine Melodie. Bei Anthropology ist beispielsweise eindeutig, dass Dm7 als III. Stufe gilt, da in der Melodie phrygisches Material vorkommt.
 
Und wozu gibt es deiner Meinung nach dann eine Dominantparallele in Dur?
 
Kurze Zwischenfrage von einem Laien:

Ich habe das bisher immer so verstanden, dass die Funktionsharmonik der klassischen Musik nicht einfach auf den Jazz angewandt werden kann.
(eben weil Jazz viel komplexer ist) Die Farbigkeit der Sounds ermöglicht doch Umdeutungen und Erweiterungen weit über die strengen Grenzen der Harmonielehre (der Traditionellen) hinaus zu machen, oder? Was ist mit dem Blues, der gehört doch auch noch zusätzlich dazu? Das ist eigentlich für mich neben der besonderen Rhytmik das interessanteste am Jazz, dass die Harmonien eben mehrdeutig sind und unerwartet (für mich) fortgeführt werden können.

Anyway, die Diskussion hier finde ich sehr interessant, aber noch besser fände ich es wenn wir dazu ein paar Soundschnipsel haben könnten, oder zu den Ideen ein paar Takte Notentext, zum Nachvollziehen?
 
Gute Frage, ob Jazz funktionsharmonisch (be-)greifbar ist.
Wolf Burbat, der Auto der "Harmonik des JAzz" hat indes bewiesen, dass natürlich auch im Jazz funktionsharmonische Bezüge nicht nur erkennbar, sondern ganz natürich vorhanden sind. Sie sind nur weitaus komplexer; eben wegen der zahlreichen Umdeutungsmöglichkeiten, die durch die Akkorderweiterungen ermöglicht werden.

- Aber zur Sache - hier ein Zitat von Wolf Burbat:

„Der Dreiklang auf der III. Stufe hat je zwei Töne mit der Tonika und der Dominante gemeinsam. Je nachdem, welche Funktion er im Zusammenhang vertritt, wird er Tonikagegenklang (Tg) oder (seltener) Dominantparallele (Dp) genannt...“

Zitat: Wolf Burbat: Harmonik des Jazz. dtv/Bärenreiter. Kassel. 1994. S 19.


- Zur Anfrage: Ich habe ja bereits Beispiele in Form von Akkordverbindungen gezeigt, die noch nicht hinreichend geklärt sind.
Ich will mich aber bemühen direkt in leadsheets nachzuschauen und dazu auch ein paar MIDIs versuchen herzustellen.
*ist in Arbeit*
 
T - D - Tp - Dp - S - T - S - D - T
C - G - am - em - F - C - F - G - C

Hier noch einmal zu Illustration eine erweitere Kadenz!
Die Frage in Bezug auf den Klang e-Moll (ob nun mit oder ohne Zusatztöne) ist wieder die folgende:
Ist E-Moll hier wirklich Dominantparallele oder eher Tonikagegenklang?


Quelle für diese Kadenz: http://de.wikipedia.org/wiki/Kadenz_(Musik)
 
Für mich (im Jazz) nur dann, wenn ein eindeutiger Bezug des Gm7 zu Bb mit tonischem Charakter hergestellt wäre, also Gm7 die VI. Stufe zu Bbmaj. Im klassischen Tonsatz (hoffentlich sag ich jetzt nichts Falsches) reicht der bloße (aber eindeutige) Bezug zur V. Stufe. Kann mich dunkel erinnern, dass das immer ein bißchen eine Streitfrage war und oft zwei Lösungen ergeben hat.
Aber ich muss da dem no peil Recht geben: Ich habe schon die ganze Zeit ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn ich Jazztheorie mit klassischem Tonsatz vermische.
Könntest ja einen "Tonsatz-Thread" aufmachen. Vielleicht gibt´s dort dann mehrere, die da mitmachen und vielleicht eine Lösung finden.
Wär für mich auch interessant, das alles wieder aufzufrischen....
 
Also, ich kann ehrlich nicht verstehen, wieso hier schon wieder Abgerenzungsversuche gemacht werden, wo sich die Musik, über die wir hier sprechen aufbauend auf den Traditionen unserer Musikgeschichte entwickelt hat.
Ich fand das eine spannende Frage. Hatte weder vor irgendetwas zu vermischen noch irgendwelche Jazz-Eitelkeiten zu verletzen.
Ich wünschte mir, dass sich hier jeder um mehr Objektivität bemühte.

Es ist nicht die Frage, wo man das diskutiert. Außerdem und ganz nebenbei gesagt denke ich, dass die Jazzer eh ncoh mehr von Harmonik verstehen, da sie stets über ihren Tellerrand hinaus blicken.
Wenn euch das zu stressig ist, müsst ihr Euch ja nicht an der Diskussion beteiligen.

Es mag ja sein, dass das von mir aufgeworfene Problem, eher unwichtig ist, was den Klang der Musik angeht. Finde aber dennoch gut, einmal einen Punkt in der Harmonik fein säuberlich zu sizieren.
Dazu bedarf es aber genügender Objektivität, die ich hier sukzessive vermisse.

Meine Fragen bleiben letztlich:
1. Wann ist die III. Stufe in Dur Tg und wann ist sie Dp? Wann ist der Bezug dominantisch, wann ist er tonikal? (*hi hi* atonikal* :-) )
2. Ist es überhaupt angebracht mit Funktionsharmonik umzugehen und spezieller: Warum ist es angebracht oder nicht angebracht?

Alles in Allem empfinde ich das als sehr spannende Fragen. Die mehr bedeuten als die Antworten, die wir darauf finden werden.
 
Hier noch ein Beispiel.
user: Heglandio hat gestern seinen neuen Bossa vorgestellt und verwendet folgende Akkorde (ich lasse Zusatztöne weg):

C - h - E - a - D - g - C - f#7#/b5 - H - e - A - d - G

Ich bitte die Teilnehmer der Diskussion, ihren Blick auf den Klang e-Moll zu richten.
 
Zitat von pianomobile:
Könntest ja einen "Tonsatz-Thread" aufmachen. Vielleicht gibt´s dort dann mehrere, die da mitmachen und vielleicht eine Lösung finden....
Ja, aber wo soll er den denn aufmachen? Eine spezielle "Theorie-Ecke" haben wir doch nicht, und einen signifikanten Bedarf – außerhalb der "Jazz-Szene" – dafür kann ich bisher auch nicht erkennen. Wenn er ihn hier aufmachen soll, wär's auch Quatsch, denn der jetzige ist ja "seiner". Wozu also nur das Thema umbenennen?

Wu Wei
 

Der letzte stimmt nicht ganz: Dm7 nach Bb7(9) (Terzverwandschaft)
 
1. Wann ist die III. Stufe in Dur Tg und wann ist sie Dp? Wann ist der Bezug dominantisch, wann ist er tonikal? (*hi hi* atonikal* )
2. Ist es überhaupt angebracht mit Funktionsharmonik umzugehen und spezieller: Warum ist es angebracht oder nicht angebracht?


ad1)

Dass ein und der selbe Akkord verschiedene Funktionen haben kann, erklärt sich durch die unterschiedlichen Charakter, die dieser je nach dem harmonischen Umfeld, in dem er steht, erhält.

Als Tg wird der Akkord im Zusammenhang mit der T und der S gehört,
als Dp wird er im Zusammenhang mit der D empfunden.

wikipedia-Beispiel: Irgendwie empfinde ich schon einen Bezug zu V.
Irritierend ist das drauffolgende F - C - F

Heglandio-Beispiel: Verbinde ich e eher mit C. Wäre interessant, Heglandios eigene Meinung dazu zu hören...

ad2)

In der Jazz-Improvisation ist es jedenfalls unumgänglich sich die Regeln der Funktionsharmonik anzueignen, da sich daraus ja das "Improvisationsmaterial" ergibt.
 

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