Tonarten und Verwendung , Ausdruck

Altneuling

Altneuling

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29. Nov. 2007
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Liebe Freunde!
vielleicht ist dieses Thema ja schon mal irgendwo abgehandelt worden. ich wag es dennoch
kann man einen Zusammenhang der gewaehlten Tonleiter(vorherrschend), dem gewuenschten Ausdrucksbild zuordnen. klar das Klischee dur - moll mit froehlich - traurig ist ja weit verbreitet. natuerlich dort nicht so recht stimmig.
aber wenn im Barockpianist, erschienen im Koenemannverlag , eine deutliche Klassifizierung vorgenommen wird, so wuerde ich doch gerne Eure Meinung dazu hoeren.
beispiel:
C-dur bei Charpentier : freudig und "kriegerisch"
bei Mattheson : roh und grob
Schubert : naiv, arglos und kindlich
Des- Dur bei Schubert : unehrlich, kann laecheln, ohne zu lachen , kann nicht weinen , schnedet weinerliche Grimassen

Es-dur bei Schubert; Liebe, trauriges Zwiegespraech mit Gott, die drei Vorzeichen symbolisieren die Dreifaltigkeit


das setzt sich so ueber alle Tonarten fort; in irgendeiner Weise muss das mal ein verbindliches Verstaendnis gewesen sein.
Wie wuerdet Ihr so eine Klassifizierung bewerten? und seht Ihr andere Masstaebe oder gibt es ueberhaupt etwas verbindliches , das einem allgemeinen Konsens unterliegt. ich finde fuer uns, die wir irgenwie beginnen oder begonnen haben, sollte dies vielleicht eine Interpretationshilfe sein , ein Weg sich auf das Gehoerte und Gespielte einzustellen, oder ist das voelliger Nonsens, dann moege man mir diese Frage nachsehen.
mit freundlichen Gruessen Sigurd
 
Hallo Sigurd,

das hatten wir wirklich schon mehrmals. Neben Mr. Sufu kann ich auch diesen FAZ-Artikel empfehlen.

Gruß
Wu Wei
 
Ich habe zu Studienzeiten mal gesammelt, wer was wann wo wie über welche Tonarten geschrieben hat. Solch Übersichten und Auflistungen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Man darf nicht eine Quelle aus der Mitte des 16. Jahrhunderts mit Musik aus dem 18. Jahrhundert in Beziehung setzen. Und ob französische Musiker unbedingt Kenntnis über die Ansichten eines mitteldeutschen Musiktheoretikers hatten, ist auch sehr zweifelhaft.

Aber es lassen sich doch bemerkenswerte Übereinstimmungen beobachten. Zum Teil rührt das daher, daß bestimmte Instrumente (z.B. Trompeten) sich nur in bestimmten Tonarten einsetzen ließen, vor allem aber ergab sich aus den barocken Stimmungssystemen (die nicht viel mit der heutigen "gleichschwebenden Temperatur" gemein haben) durchaus für jede Tonart ein eigenes Klangbild mit spezifischen Spannungsverhältnissen der Intervalle. Und natülich prägen auch Hörgewohnheiten. Ein Komponist, der zeitlebens nur Requien in d-moll hört, ist auch geneigt, ein eigenes Requiem in d-moll zu verfassen.

Zu Fragen der verschiedenen Stimmungen hat sich meines Wissens der von mir hochgeschätzte Kollege Gedan sehr ausführlich geäußert (http:www.pian-e-forte.de). Die Beschreibungen der Tonarten bei den Musiktheoretikern des 7.-19. Jahrhunderts findest Du auf meiner Website unter den Quellentexten.
 
Danke fuer die Antworten und Quellenhinweise, werde in Zukunft vor der Oeffnung eines threads hier genauer nachlesen.
ich bin halt immer soweit, wie ich gerade bin.....:confused:, und ein relativ spontaner Opa:cool:
liebe Gruesse Sigurd
 
Sind Schuberts C-dur-Sinfonie und die Wanderer-Fantasie "naiv, arglos und kindlich"? Und das Es-dur-Impromptu ist "trauriges Zwiegespräch mit Gott"? Ist Beethovens C-dur-Arietta aus op. 111 "roh und grob"? Sind diese C-dur-Arietta und der C-dur-Kopfsatz der Waldstein-Sonate in ihrem Charakter auch nur irgendwie vergleichbar?

"Wegen der gewissen Tonarten, sie mögen Dur oder Moll seyn, besonders eigenen Wirkungen, ist man nicht einig. Die Alten waren der Meynung, daß eine jede Tonart ihre besondere Eigenschaft, ihren besondern Ausdruck der Affecten hätte. Weil die Tonleitern ihrer Tonarten nicht alle gleich waren (...) so war diese Meynung hinlänglich gegründet. In den neuern Zeiten aber, da die Tonleitern aller großen," [Dur] "und die Tonleitern aller kleinen Tonarten" [Moll] "einander ähnlich sind, ist die Frage, ob es sich mit den Eigenschaften der Tonarten noch so verhalte. Einige pflichten der Meynung der Alten noch bey: andere hingegen verwerfen dieselbe, und wollen behaupten, daß jede Leidenschaft in einer Tonart so gut als in der andern ausgedrücket werden könnte, wenn nur der Componist die Fähigkeit dazu besäße." (Johann Joachim Quantz, 1752)

Das Zitat zeigt: Der Streit über die Berechtigung der Tonarten-Charakteristik ist alt; die einen sagen so, die anderen anders. "Die Alten", die Quantz erwähnt, meint die Alten aus der Zeit der Kirchentonarten, als tatsächlich verschiedene Modi charakteristische Intervalle hatten (dorische Sext, phrygische Sekund, lydische Quart usw.). Zurück geht das auf die alten Griechen, als Tonleitern wie "phrygisch" noch etwas anderes waren und auch chromatisch gefärbt sein konnten und bei denen bestimmte Modi auch bestimmten Zwecken und Charakteren dienten. Seither geistert es weiter durch die Musikästhetik, obwohl unser Tonsystem längst ein anderes ist. Das nennt man "Prägung", in diesem Fall Prägung durch die Antike, vergleichbar den Küken, die dem Konrad Lorenz hinterherschwammen, weil sie ihn für seine Mutter hielten.

Bach muß es zumindest manchmal ziemlich wurscht gewesen sein: Cis-Dur-Präludium und Fuge waren ursprünglich in C-dur geschrieben; da er fürs WTK ein Cis-dur-Stück brauchte, setzte er einfach die Kreuze davor. Dasselbe gilt für die dis-moll-Fuge, die ursprünglich in d-moll stand. Zumindest bei diesen beiden Beispielen läßt sich sagen, daß Tonartencharakteristik wohl keine Rolle spielt.

Spielte sie eine wesentliche Rolle, dann hätte Schuberts "Leiermann" in Baritonlage (g-moll) einen anderen Charakter als in originaler Tenorlage (a-moll). Das Lied bleibt aber, egal in welcher Tonart, so tröstlich-untröstlich, wie es komponiert wurde, allenfalls könnten Unterschiede davon abhängen, wer's mit welchem Timbre wie singt.

Wahr ist:
- Bestimmte Instrumente können evtl. anders klingen -- Des-dur auf der Geige hat keine Resonanzen auf leeren Nachbarseiten und klingt deswegen weniger hell und offen als D-dur, und die Chopin-Tonart As-dur liegt auf dem Klavier recht bequem und läßt sich deswegen kontrollierter weich spielen;
- es gibt gewisse typische Werke -- "Schicksals"-Sinfonie in c-moll, "Pastorale" in F-dur, "Appassionata" in f-moll, Requiem d-moll, u.a. Der Verleger Cranz gab aber nicht einer Klaviersonate in der "Pastoral-Tonart" F-dur den Beinamen "Pastorale", sondern der Beethoven-Sonate op. 28, die in D-dur steht, was angeblich die "strahlende" Tonart sein soll. In Wahrheit ist es die strahlende, weil in manchen Werken des Barock die D-Trompete strahlte und nicht die Tonart.

Es muß ein Glaubensstreit bleiben. Der Idiot von einem Herausgeber, der einst Schuberts Ges-dur-Impromptu in G-dur herausgab, ist also nicht deswegen zu verachten, weil er keine Ahnung von Tonarten-Charakteristik hatte, sondern weil er völlig ignorant war gegenüber dem Stück und dem Klavierspiel, denn in G-dur liegt es um einiges unbequemer und ist darum längst nicht so gut zum Klingen zu bringen wie in Ges-dur. Schott entblödet sich nicht, diese Verballhornung immer noch zu verlegen.
 

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