These - Antithese - Synthese

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killmymatrix

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Da ich gerade wieder dabei bin, Heinrich Neuhaus zu lesen, wollte ich mal fragen, was ihr von seinem allzeit angesprochenen Prinzip "These + Antithese = Synthese" haltet.

Beim Beispiel des Trillern beschreibt er zum Beispiel, dass man ihn auf zwei verschiedene Arten üben soll:
a.) Mit absolut ruhigen Armen (nicht verkrampft aber nicht wirklich beteiligt), also ein reiner Fingertriller
b.) Mit übertriebenen Arm- und Handgelenkbewegungen

Als Synthese daraus soll sich quasi der "gebräuchliche" Triller ergeben.
[S. 103/104]

Einem anderen Beispiel von ihm würde ich eher zustimmen:
These: Musik
Antithese: Instrument
Synthese: Vortrag
[S. 3]

Wobei er in diesem Fall die Komponente des Ausführenden, des Interpreten außen vorgelassen hat.



Jetzt würde mich mal interessieren, welche Erfahrungen ihr (vor allem die Klavierlehrer und langjährigen Spieler) mit diesem Prinzip gemacht habt und ob es wirklich so zutreffend ist.

Interessant... offenbar gibt es bisher nur diesen einen Thread über dieses Buch. Oder ich habe mich verguckt.
 
Im zweiten Fall betrachtet er den Musiker wohl als Bestandteil des Instruments. Hat Neuhaus die Worte These und Antithese überhaupt verwendet? Irgendwie finde ich die Wortwahl unpassend, kann natürlich auch an der Übersetzung liegen.

Ich denke, es hilft wirklich, wenn man bestimmte Bewegungen beim Üben einer Technik zunächst übertreibt. Auf diese Weise macht man sich bewußt, daß die jeweilige Bewegung zum Spiel dazugehört. Aber das kann natürlich nur der Einstieg sein, denn danach muß man diese Bewegung an Tempo, Dynamik und natürlich an die eigene Anatomie anpassen. Also übertrieben spielen, bis man es begriffen hat, und dann richtig.

PS: Ich wußte überhaupt nicht, daß wir überhaupt einen Thread zu Neuhaus' Buch haben
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Neuhaus' Buch kenne ich (noch) nicht, werde es mir aber baldmöglichst besorgen.

Das Prinzip von These, Antithese und Synthese ist mir auf musikalischem Gebiet vor allem in der Sonatenhauptsatzform geläufig. Sonst als Dialektik in der Philosophie.

Das Denken in Gegensätzen kann schon manchmal interessant sein. Oft stellen die vermeintlichen Gegensätze aber nur die Extreme einer kontinuierlichen Skala von Möglichkeiten dar. Und in der reinen Form (als absolutes Extrem) kommen sie daher auch nur sehr selten vor.
 
Ich habe Triller genauso gelernt, wie Neuhaus das beschreibt. Erst muss man mal in der Lage sein, anatomisch einen Triller hinzukriegen. Daran sind die Sehnen und Muskeln beteiligt, die trainiert werden wollen. Mit ruhiger Hand und effektvollen Fingerübungen (ich weiss wovon ich rede, ich musste nach einem Klavierlehrerwechsel ein Jahr lang fast nur Fingerübungen machen, aber es hat sich absolut gelohnt!). Um die nötige Lockerheit aber auch gleichzeitig Spannung der Finger aufrechtzuerhalten sind beide Methoden meiner Meinung nach sinnvoll (und ich habe so erfolgreich den Triller gelernt). Die ruhige Haltung zur Fingerkräftigung mit Orgeltechnik (nur aus den Finger spielen) und die Art der Klaviertechnik bei der sich die Finger kaum bewegen und die Aktion nur durch Bewegung der Hand und Gewicht aus den Armen (Schulter, Körper) erreicht wird. Von Armbewegung würde ich hier aber nicht sprechen. Die Arme sollten hier locker am Körper hängen und mit der Bewegung des Handgelenks "mitgehen".
Die Synthese ergibt einen locker gespielten Triller mit der minimalen Spannung, die dazu benötigt wird, um ihn optimal zu spielen.
 
Neuhaus' Zugeständnisse an die politischen Gepflogenheiten, Zwänge und Ideologien seines Landes darf man getrost ignorieren, man muß also die in dem Buch zahlreich verstreuten Hinweise auf Marxsche Dialektik nicht weiter ernst nehmen -- als etwas anderes sind "These, Antithese, Synthese" nämlich nicht zu sehen, und das Wort "Dialektik" kommt in dem Buch auch des öfteren vor. Vielleicht war das damals in der Sowjetunion unverzichtbar, um ein Buch veröffentlichen zu können? Hätte Neuhaus nicht in der Sowjetunion gelebt und wäre den Zwängen der dortigen Ideologie nicht unterworfen gewesen, hätte er das sicherlich anders formuliert.
Daß jegliche Spieltechnik immer ein Zusammenwirken von Arm- und Fingertechnik ist, ist trivial; man kann das, wenn es denn sein muß, in dialektische Begriffe fassen, aber man sollte in Neuhaus' Vokabular keine neue "Philosophie" des Klavierspiels sehen und kann aus solchen Begriffen nicht mehr herauslesen als ein Zugeständnis an das politische System. Zum Glück nervt das gelegentlich nur, schmälert aber den Wert des Buches nicht.
 

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