Therapeutischer Klavierunterricht

Mir fällt das Üben sehr schwer und wenn ich Literatur spiele bricht irgendwann meine Konzentration zusammen.
zunächst auch von mir ein herzliches Willkommen! Hier gibt es immer interessante Informationen und Ratschläge, von hervorragend über gut gemeint bis liebevoll ironisch.:026:
Du sagst, das Literaturspiel bringt Dich aus der Konzentration. Also beim Improvisieren entsteht das Problem nicht?
Wenn das so ist, dann ist auch die Lösung ganz nah.
Gerade am Tasteninstrument kann man wie bei kaum einem anderen Instrument völlig achtlos üben. Eine Geige gibt Dir sofort eins auf die zwölf, wenn Du den Finger nicht richtig setzt, den Bogen nicht mit dem richtigen Druck führst. Eine Trompete spielt völlig andere Töne - wenn denn überhaupt - als Du möchtest, wenn Du nicht mit Deiner Atemspannung, Lippen- und Mundstellung streng fokussiert bist.

Auf dem Klavier geht das...einfach gemütlich sitzen, die Finger laufen lassen, sich schöne Dinge vorspielen und dann...dann geht das Gehirn spazieren. Und je mehr es das macht, desto unzufriedener wird man. So habe ich es an mir selbst erlebt. Ich bin auch eher ADS, wie die übrigens viele Menschen, die ihre Fantasie zur Berufsausübung brauchen.

Beim Improvisieren passiert das nicht. Dort ist man für jeden Ton verantwortlich, man hört, was war, spürt, was kommen möchte, ist darauf gespannt, wohin sich das Spiel entwickelt.
Diesen Zustand brauchen wir natürlich auch bei der Literatur.

Die einfache Lösung ist: Zuhören. Und zwar kritisch. War der Ton gerade weich genug? Wohin will die Melodielinie gehen? Öffne ich das Crescendo in ein forte, oder setze ich einen negativen Höhepunkt und spiele mein Ziel so weich wie irgendmöglich. Nein, war nix, das geht noch weicher.
Das ist jetzt ja nur ein Beispiel. Wenn man ernsthaft mit sich umgeht, dann verschwindet dieses Unfokussierte. Sobald Du merkst, daß Du doch schon wieder abdriftest. Stopp! Das hat Beethoven nicht verdient. Einmal an´s Fenster gehen und sich mit neuem Mut an´s Instrument zurückbegeben.

Das Dumme am Tasteninstrument ist, daß es dir alles liefert, saubere Töne, Harmonien, Baßlinien, wie ein Fernseher, der dich zumüllt.
Wenn Du mit jemandem zusammen musizierst, achtest Du auf die Musik und darum passiert es Dir dort nicht.
Auch Dein eigenes Spiel ist es wert, daß Du die Musik darin wahrnimmst. Hör hin!:-)
 
@femeba Ich will die Kommentare hier nur um folgendes ergänzen:
  1. Viele Vorschläge hier sind sehr persönlich geprägt und nicht allgemeingültig. Nimm sie also bitte nicht für bare Münze, sondern als Versuchs-Möglichkeiten. Probier etwas aus, und wenn es für dich nicht funktioniert, lass es sein. Vertrau deinem Bauchgefühl.
  2. Ein guter Psychologe, Therapeut oder Coach muss nicht Klavier spielen können, um dir helfen zu können. Das ist so, weil es sich um eine mentale oder emotionale Blockede handelt und der technische Kontext für dessen Auflösung nicht entscheidend ist.
  3. Ich empfehle dir, dich nicht mehr alleine mit dem Thema zu beschäftigen, sondern es mit Menschen-Kontakt zu versuchen. Der Rahmen einer menschlichen Begegnung kann dir helfen, aus deinen Mustern herauszukommen – vorausgesetzt du kannst dich mit der anderen Person wohl fühlen. Das kann mit einem Klavierlehrer sein, mit einem Therapeuten oder mit einem Freund oder einer Freundin, die gut zuhören kann.
Ich hoffe das hilft. Halte uns auf dem Laufenden!
 
Ich hab mal einen Artikel gelesen über depressives Grübeln. Neurologisch betrachtet gibt es wohl zwei konkurrierende neuronale Netze im Gehirn, eines ist eher selbstreflektiv-rückblickend, das andere zukunfts- bzw aufgabenorientiert. Bei depressiv grüblerischen Personen ist wohl das erste eher überaktiv und zu stark verschaltet und gewinnt oft die Oberhand.

Mir geht das auch so, z.b. beim Fernsehen, ständig schweifen die Gedanken ab, Konzentrationsprobleme.

Umso besser geht es mir hingegen wenn ich eine konkrete Aufgabe habe (z.B. berufsbedingt) oder irgendwas was mich motiviert. Da merkt man richtig, wie das Hirn in den anderen Modus umschaltet, und die Stimmung bessert sich auch.

Vielleicht bsit Du, wenn Du begleitest, mehr im "Aufgabenmodus" und die Konzentration ist auf wen anders gerichtet, während beim solo-Spielen genau das entfällt? Das wäre ein Erklärungsansatz.

Allerdings keine Ahnung, was man da tun kann. Die Leute, die ich kenne, die unter Depressionen leiden, berichten, dass unter Antidepressiva das Grübeln verschwindet. Vielleicht mal ein niedrig dosiertes probieren nach rücksprache mit dem Psychiater? Wobei hier natürlich komplett unklar ist, wie die sonstige Lebenssitation so ist. Also, obs Dir ansonsten insgesamt gut geht oder nicht.
 

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