Summ summ summ... kritische Kinderliedtexte

Dabei seit
23. Apr. 2006
Beiträge
1.371
Reaktionen
252
Es ist Zeit mal die heile Welt von Kinderliedern aufzubrechen. Ich kam auf die Idee nach 1986 wo ich einerseits Pubertierenden die ersten Noten beibringen sollte, Gehörbildung machen wollte und die emotionale Belastung der Zeit immer auch Gesprächsstoff bildete - und damit vom eigentlichen Auftrag, Klavier zu unterrichten, ablenkte.

Ein Test bei 15 jährigen letzte Woche war erstaunlich: sie texten sofort neue Strophen, spielen Summ summ summ mit ihrern Bands in verschiedenen Stilrichtungen, zB Metal, und so dient Musik mal wieder dazu, emotionale Themen zu bewältigen und sich mit den Wurzeln unserer Volkslieder zu beschäftigen.

Was will man mehr.

Ich weiß, der Text ist böse und nicht ganz unumstritten. Lustig ist er schon mal gleich gar nicht....

Hie auch ein schönes Beispiel, wie "Wenn ich ein Vöglein wäre" klingen kann (aus dem Film "Bandits"):

http://www.youtube.com/watch?v=JsVvJ6R85fc

attachment.php
 

Anhänge

  • Summ Summ Summ - kritisch3.pdf
    85,2 KB · Aufrufe: 27
  • Summ Summ Summ - kritisch3.jpg
    Summ Summ Summ - kritisch3.jpg
    107,6 KB · Aufrufe: 175
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ein Test bei 15 jährigen letzte Woche war erstaunlich: sie texten sofort neue Strophen, spielen Summ summ summ mit ihrern Bands in verschiedenen Stilrichtungen, zB Metal, und so dient Musik mal wieder dazu, emotionale Themen zu bewältigen und sich mit den Wurzeln unserer Volkslieder zu beschäftigen.

Hmm - schön ist was anderes.
Ich kannte als Kind solche Texte auch - etwas makaberer vielleicht "Heute fressen wir . . "

Mich würde interessieren wo die herkommen. Von älteren Mitschülern ? Oder über Umweg von deren Eltern ? (oder direkt von KL)

Ich glaube nicht das Kinder , bei Jugenglichen mag das bereits anders aussehen, sich kritisch mit dem Text auseinandersetzen. Ich meine sie haben nur Spaß an der - sagen wir - "Schockwirkung" .

Gruß
Jörg
 
Umtextungen gibt es seit eh und je... Weihnachtslieder mit schockigen Texten oder sozialkritisch:

Kling Glöckchen...
...draußen vor den Fenstern
lauern die Gespenster ... usw.


Morgen Kinder wirds nichts geben
Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man's bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist's noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt's Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen -
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt's an Holz!
Stille Nacht und heil'ge Nacht -
Weint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte recht so weit ...
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Erich Kästner


Und noch eins:

Dieter Süverkrüp

Es schnieselt (1969)

Leise schnieselt der Re-
aktionär seinen Tee,
sitzt bei der Lampe noch spät,
blättert im Aktienpaket.

Ordnend Scheinchen auf Schein
fällt Erinnerung ihm ein.
„Kriegsweihnacht vierzig war still
dennoch sehr stark im Gefühl!

Heut geht alles zu glatt;
Alle Welt frisst sich satt!
Und zu der Innerlichkeit
ist keine Sau mehr bereit!

Leider lief der Krieg schief.
trotzdem tröstet es tief:
hatte man schlau investiert,
hat sich der ****** rentiert.

So ein Krieg, wenn er klappt,
wirft er unerhört ab.
Nicht allein Bomben aufs Feld,
nein, auch Bezahlt und Geld!“

Aus dem Aktienpaket
steigt ein heißes Gebet:
„Mache, du gütiger Gott
unser Geschäft nicht kapott!

Sieh, wir wurden verkeilt.
Unser Land ist geteilt.
Zwar sind wir heut übern Berg,
aber politisch als Zwerg!

Herr, es ist dir doch klar:
diese rote Gefahr
tritt nicht nur uns in den Bauch,
sondern der Frömmigkeit auch!

Denk mal dran, wie der Krieg
dir die Menschen zutrieb!
Haste da nich 'ne Idee??
Mach doch nicht immer nur Schnee!!“

Leise schnieselt der Re-
aktionär seinen Tee.
Horcht nur, wie lieblich es knallt!
Fürchtet euch, Kriegskind kommt bald!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Kinder machen eher etwas mit Themen aus ihrem Bereich:

Leise rieselt die vier
auf das Zeugnispapier
fünfen und sechsen dazu
freue dich sitzen bleibst DU!

usw...
 
Für mich ist es eben im Moment so. Manchmal habe ich dafür keine Zeit... oder Lust... oder Antrieb...

Und mir ist so zu sagen, dass ich davon eher nichts halte.

Demnächst wird uns in der Götterdämmerung die Fukushima-Kulisse daherkommen. Das ist -im übertragenen Sinne- genauso , wie die kritische Vertextung von Kinderliedern.

Die Übel unserer Zeit sollten nicht an harmlosen Melodien abgearbeitet werden. Letztlich führt das zur Verrohung von Musik und emotionalem Wirrwarr.
 
Und mir ist so zu sagen, dass ich davon eher nichts halte.

Demnächst wird uns in der Götterdämmerung die Fukushima-Kulisse daherkommen. Das ist -im übertragenen Sinne- genauso , wie die kritische Vertextung von Kinderliedern.

Die Übel unserer Zeit sollten nicht an harmlosen Melodien abgearbeitet werden. Letztlich führt das zur Verrohung von Musik und emotionalem Wirrwarr.

Wohl wahr mit der Götterdämmerung. Und ich fand es nach 0911 auch bescheuert, dass sich alle Welt aufgerufen fühlte, nun einen in Kunst auf Betroffenheit zu machen. Doch war mir auch danach, es hat aber Jahre gedauert, bis ich das Thema in einer Art bearbeitete, die nicht in dieses "Betroffenheits-Wehgeklage" eingestimmt hat.

Bei diesen Vertextungen von Summ.... handelt es sich allerdings um eine andere Art der Verarbeitung. Sarkastisch ironisch würde ich mal so meinen.

Muss ja nicht jedem gefallen.
 

Liebe Viola,

die heile Welt der Kinderlieder erinnert mich an die heile Welt der Märchen und Fabeln :p . Die sind ja auch sehr aus dem Zeitgeist geboren und vor allem die ursrüngliche Satire mancher Fabeln versteht man heute nicht mehr, weil man die Hintergründe nicht mehr kennt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Liebe Viola,

die heile Welt der Kinderlieder erinnert mich an die heile Welt der Märchen und Fabeln :p . Die sind ja auch sehr aus dem Zeitgeist geboren und vor allem die ursrüngliche Satire mancher Fabeln versteht man heute nicht mehr, weil man die Hintergründe nicht mehr kennt.
Ich bin vor kurzem auf dies Thema über "Ein Jäger aus Kurpfalz" gestoßen. Es stand geschrieben, es hieß einst nicht "Schuss ins Bein", sondern "...zwischen die Bein", und das Rufen des Kuckucks bezog sich auf das uneheliche Kind des jagenden Fürsten. Später soll der Text dann mehrfach entschärft worden sein. Quelle habe ich leider vergessen. Volks- und Kinderliederarchive gibt es aber im Internet. Der Fundus dieser Lieder ist ausgesprochen schön und kann recht inspirierend sein für neue Versuche und Textvariationen. "Summ, summ, summ, sei doch nicht so dumm".
Als Erziehungsberechtiger muss man jedoch darauf achten, dass diese Lieder nicht auf E-Piano mit radioaktiver Spannplatte länger als 45 Minuten pro Tag geübt werden. Unbegreiflich, wie sich unsere Welt ändert! ("Mama, was war eine Biene?").
 
Es ist Zeit mal die heile Welt von Kinderliedern aufzubrechen.
Ich habe keine Kinder (hat sich so ergeben) und bin deswegen vielleicht zu blauäugig, aber soweit ich weiss muss man mit Kindern sehr sorgfältig umgehen weil sie
- alles glauben, was man ihnen sagt
- Ironie oder Übertreibungen noch nicht verstehen.

Musik ist zudem etwas sehr und unkontrolliert eingängiges.

Demnach sollten Texte von Kinderliedern sehr überlegt ausgewählt sein. Pädagogisch. Nicht um zu beeinflussen, sondern weil sie beeinflussen.

Atomkraft hat da mMn nix verloren, wenn sogar eine studierte Physikerin wie Frau Merkel da nicht sicher in der Beurteilung ist. Vielleicht könnte man stattdessen eine Ahnung vermitteln davon, dass manchmal gestern etwas anders erschien als heute...

Ganz was anders ist es natürlich, wenn man für ein älteres Publikum Kinderliedmelodien mit anderen Texten versieht und verfremdet. Das kann als Stilmittel einen Beitrag zum Gesamtkunstwerk leisten.

Ich persönlich würde da aber lieber auf Küchenlieder oder Moritaten zurückgreifen, in meiner Bardenzeit habe ich gelegentlich Kästners "Ballade vom Nachahmungstrieb" http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Ballade_vom_Nachahmungstrieb
zur Melodie vom "house of the rising sun" in diesem Stil vorgetragen (besser nicht im Herbst weil näher am Wasser...)
LG
PS: ich hatte "sie kannten aus der Zeitung" ersetzt durch "sie kannten aus dem Fernsehen"
 
die heile Welt der Kinderlieder aufbrechen --- hm...

Ich frage mich gerade, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zweck das überhaupt notwendig ist (wenn man mal vom gerade Bock drauf haben absieht).

Es wäre notwendig, wenn die Mehrheit der Kinderlieder eindeutig den Eiapopeia-Einschläfer-Verniedlichungszweck hätte -- aber ich fürchte, dass sich das angesammelte Liedgut nicht überwiegend in diesem Sinne eindeutig einordnen lässt. Ja schlimmer: die aus der Romantik stammenden Lieder eignen sich nur selten für diesen Verdacht - - aber viel eher findet dieser Verdacht seine Nahrung in neuerer pädagogischer Liederliteratur... :rolleyes:

...des Knaben Wunderhorn (Arnim, Brentano) ist da ganz was anderes, als das Liederbücherzeugs jüngerer Tage, welches eindeutig und oft plump "pädagogisiert" :D:D
 
...................................Eiapopeia-Einschläfer-Verniedlichungszweck .......................................................

...des Knaben Wunderhorn (Arnim, Brentano) ist da ganz was anderes, als das Liederbücherzeugs jüngerer Tage, welches eindeutig und oft plump "pädagogisiert" :D


Zum Ersteren: mein Sohn hat immer jämmerlich angefangen zu weinen, als ich ihm im zarten Kleinkindalter "Der Mond ist aufgegangen" zum Einschlafen vorgesungen habe. :p Sooo traurig! Das habe ich dann schleunigst gelassen. :p

Zum Letzteren: Meinst du etwa die Literatur deines Namensvetters? :D Es gibt aber auch sehr tolle neue Kinderlieder, z.B. von Gerhard Schöne.

Kinder lieben grundsätzlich Wortspiele, Verdrehereien, Provokationen. So heil ist deren Welt ja auch nicht. Deshalb können sie in der Regel auch gut mit den Grimmschen Märchen umgehen. Sie können Realität und Fiktion ab einem gewissen Alter durchaus auseinanderhalten ( aber deshalb muss man m.E. auch mit Märchen etc. bei Kindern unter drei vorsichtig sein).

Viola hat das ja mit Jugendlichen gemacht. Wenn die Klavier lernen wollen, spielen dann nach Gehör o.ä. Kinderlieder und denken über die Texte nach, ist es doch wunderbar, dies aufzugreifen und kreativ damit umzugehen. Wenn die Anregung von den Schülern kommt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zum Ersteren: mein Sohn hat immer jämmerlich angefangen zu weinen, als ich ihm im zarten Kleinkindalter "Der Mond ist aufgegangen" zum Einschlafen vorgesungen habe. :p Sooo traurig! Das habe ich dann schleunigst gelassen. :p
Mein Ältester hatte die Phase, da musste ich mich ("NUR der Papa...") vor ihm ans Bett auf den Boden legen, das Händchen halten und eine Eigenkomposition singen: "Lady Bodysuit, I love your lingerie".
Kein Scherz. Er sprach zu dieser Zeit kein Englisch, kaum Deutsch, ich kann auch nicht gut singen.
EINGESCHLAFEN ist er immer ganz schnell.
 
Mein Ältester hatte die Phase, da musste ich mich ("NUR der Papa...") vor ihm ans Bett auf den Boden legen, das Händchen halten und eine Eigenkomposition singen: "Lady Bodysuit, I love your lingerie".
Kein Scherz. Er sprach zu dieser Zeit kein Englisch, kaum Deutsch, ich kann auch nicht gut singen.
EINGESCHLAFEN ist er immer ganz schnell.


Damit er das nicht länger mit anhören MUSSTE? Hey, DAS nenne ich mal einen richtigen Kinderquäler, der die Kinder schnellstens ins Traum(ata)land flüchten lässt!

*grins*

Hier ein Liederbuch mit echten schweinischen Texten - falls man sie zu Motivationstexten einsetzen muss. Nicht jugendfrei (Frau Wirtin!!)

thumbnail.aspx


Das Büchlein steht in einer Neuauflage bei mir direkt neben den Gesangsbüchern der Katholen und den evangelischen KJG-Bänden.

Auch andere Texte der Romantik sind ganz unverholen Schilderungen von Entjungferungen:

Christian Schubart:

In einem Bächlein helle,
Da schoss in froher Eil’
Die launische Forelle
Vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh’
Des munter’n Fischleins Bade
Im klaren Bächlein zu.

Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Ufer stand,
Und sah’s mit kaltem Blute,
Wie sich das Fischlein wand.
So lang dem Wasser Helle,
So dacht ich, nicht gebricht,
So fängt er die Forelle
Mit seiner Angel nicht.

Doch endlich ward dem Diebe
Die Zeit zu lang. Er macht
Das Bächlein tückisch trübe,
Und eh’ ich es gedacht,
So zuckte seine Rute,
Das Fischlein zappelt d’ran,
Und ich mit regem Blute
Sah die Betrogene an.

von Schubert nicht vertont:

Die ihr am goldenen Quelle
Der sicheren Jugend weilt,
Denkt doch an die Forelle,
Seht ihr Gefahr, so eilt!
Meist fehlt ihr nur aus Mangel
Der Klugheit, Mädchen, seht
Verführer mit der Angel!
Sonst blutet ihr zu spät!


Vorsicht, wenn man diese Version bei der Interpretation durchblitzen lässt mit eindeutigen Färbungen... die eine Hälfte des Publikums findet das erhellend und dankt es einem, dass man sie über den wahren Inhalt des Textes und des Liedes aufklärt, von anderen wird man deswegen beschimpft!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zumal die Melodie aus "Schlaf Kindlein schlaf" irgendwie für Endgültigkeit, Trostlosigkeit,... steht.

Auf dieselbe Melodie zu singen, aus dem 30jährigen Krieg:

"Bet, Kindlein, bet!
Morgen kommt der Schwed,
morgen kommt der Oxenstern,
wird die Kinder beten lehrn.
Bet Kindlein, bet!"

Der "Oxstenstern" war Axel Oxenstierna, der Kanzler des Schwedenkönigs Gustav Adolph, vor dessen Eingreifen in den Krieg die katolische Franktion erhebliches Fracksausen hatte.
 
Seine große lange Flinte
schießt auf dich den Schrot, schießt auf dich den Schrot
bis dich färbt die rote Tinte
und dann bist du to-o-ot,
bis dich färbt die rote Tinte,
und dann bist du tot.

Fuchs du hast die Gans gestohlen, 2. Strophe :shock:

Euer Morn
 

Zurück
Top Bottom