Steinway B, Seriennummer 60103 (1887)

Kleiner Fortschrittsbericht: Flügel ist nun zur Besaitung aufgebockt und die Filze werden vorbereitet:

Aufgebockt.jpg

Filzplaettchen1.jpg

Man sieht sehr schön, dass die vordere Duplexskala jeden einzelnen Ton abgestuft hat, weswegen as sinnvoll ist, das mit runden Filzplättchen zu machen als vorher mit einem durchenden Streifen.

Fertig ist dann so:

Filz-Fertig.jpg

Filz-Fertig2.jpg

Hinter dem Capo d'Astro , vor den Anhangsstiften ist eine Stahlgußleiste für die DulexSkala. Die ist nicht befestigt, aber man kann auf der Platte erkennen, dass der Umriß mit einem Stahldorn angerissen wurde:

Anriss-Caposilie1.jpg

Ja, die Agraffen sind auch fertig eingepasst. Eine der originalen wurde früher schon mal nachbearbeitet und hat ein anderes Gewindemaß. Diese Agraffe wurde gereinigt und in den Löchern geglättet und wieder eingebaut. Und jetzt kommen auch die ersten Saiten drauf:

Erste-Saiten.jpg

Und das ist der aktuelle Stand:

Besaitung-Tag2.jpg
 
Bin gespannt was der Ausflug in die Werkstatt gebracht hat, verfolge den Thread weiter mit!
 
Bin gespannt was der Ausflug in die Werkstatt gebracht hat, verfolge den Thread weiter mit!

Vor dem nächsten Update wird wohl einiges an Zeit vergehen. Die Saiten sind zwar vorgestreckt worden, aber an eine saubere Stimmung, die länger als eine Stunde hält, ist überhaupt noch nicht zu denken. Ich werde das Home Office natürlich nutzen, regelmäßig drauf zu spielen und abends dann zumindest provisorisch nachzustimmen, aber es dauert einfach seine Zeit, bis sich das alles ein wenig "gesettled" hat.

Aber nach erster Bestandsaufnahme sind schon ein paar Sachen klar geworden:

  • Ich werde einen neuen Aufsatz für den Stimmschlüssel benötigen. Derzeit ist es ein Watanabe mit Größe 2, aber der passt nicht mehr so gut, also ist ein neuer Aufsatz mit Größe 3 schon bestellt.
  • Die Stimmbarkeit hat sich dahingehend deutlich verbessert, dass die Saiten im Diskant signifikant reiner sind. Die Obertonspektren passen zusammen und es läßt sich ein schöner Ton deutlich schneller setzen und stabilisieren.
  • Einige Wirbel, vielleicht 3-5 an der Zahl, sitzen ein wenig lockerer als der Rest und man wird beobachten müssen, inwiefern das die Stimmhaltung beeinflußt. Nichts dramatisches, das kann mann, wenn nötig, relativ schnell beheben.
  • Gefühlt hat sich die Abfallrate und Ausklingdauer im Diskant deutlich verbessert. Das werde ich konkret aber später nur mit vergleichenden Ausnahmen herausfinden und dokumentieren können.
  • Der eklige Ton ist weg! Wirklich, einfach weg! Keine Psychospielchen mehr mit diesem einen Ton, der mir wirklich viel Ungemach bereitet hat, mich genervt hat, sich quasi in mein Gehör eingebrannt hat. Das alleine war die ganze, aufwändige Aktion wert, wirklich.
Im nächsten Schritt wird der Flügel nächste Woche komplett durchintoniert, da die letzte Aktion schon wieder über ein Jahr her ist und immer noch genügend Härte im Hammer drin ist, die man herausnadeln kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein kleiner Blick zurück, auch wenn es ein sehr schmerzhafter Blick ist. Aufgenommen habe ich das Stück wenige Tage nachdem der Flügel bei mir daheim einzog. Das war noch vor der ersten Begutachtung und dem ersten Stimmen, nachdem er 5 Jahre ebenerdig stand und nicht gespielt wurde. Und nachdem ich selbst praktisch über 20 Jahre nicht mehr Klavier gespielt, geschweige denn geübt habe.

Eine Momentaufnahme, in der der Flügel noch eine Ruine war mit Hämmern aus Beton, nicht zueinander passenden Teilen in der Mechanik, keine Kontrollmöglichkeit nach oben oder unten außerhalb von Mezzoforte. Irgendwie schon peinlich, auch das Spielen, aber die Pflicht zur vollständigen Dokumentation überwiegt.

Auch der Klang hat gewisse Schwächen, vorsichtig ausgedrückt. Auch wenn es noch die gleichen Mikrofone sind, die auch heute noch nutze, war ich damals schon ziemlich planlos im Hinblick darauf, wie man diese Mikrofone für gescheiten Klang aufstellt.

Genug der Worte, seht's mir nach und hört es als historisches Dokument ohne künstlerischen Anspruch.

 
Ja, da hat sich viel getan :super: :-) Wünsche Dir, dass Du das "schmerzhaft" bald streichen wirst können. Das Ergebnis ist doch wunderbar und der Weg dorthin war voller Erkenntnisse und toller Erfahrungen. Wünsche Dir noch viel Freude mit deinem schönen Flügel und freue mich auf weitere Einspielungen von Dir!

Liebe Grüße
Gernot
 
Am Donnerstag also dann schlußendlich der Teil der Restaurierung, der praktisch die Fertigstellung nach drei Jahren darstellt. Der Techniker, der diesen letzten Schritt an einem vollen Arbeitstag durchgeführt hat, ist auch derjenige, der unsere Flügel im Konzerthaus Wien und im Ehrbar-Saal betreut. Ich wußte also, dass hier jemand an meinen heißgeliebten Mr. Tinway rangelassen wird, dem ich wirklich vertraue und ich habe ihn einfach das machen lassen, was er für richtig und sinnvoll hielt und mich überhaupt nicht eingemischt.

Erst einmal Bestandsaufnahme:

Testen-Regulierung.jpg

Erstes Vorregulieren:

Regulieren-innen1.jpg

Weiteres Regulieren mit der Mechanik außerhalb des Flügels:

Regulieren-aussen1.jpg

Dabei hat er den Flügel gespielt, ein Gespür für den Zustand der Hämmer bekommen und anhand dessen die Hämmer durchgehend vorintoniert:

Vorintonieren-aussen1.jpg

Im Video sieht das dann so aus:





Danach Hammerköpfe abgezogen:

Haemmer-abgezogen1.jpg

Haemmer-abgezogen2.jpg


Letzte Feinschliffe für die genaue Anpassung der Hammerköpfe auf die Saiten:

Haemmer-abhziehen-fein-innen1.jpg

Dann noch gestimmt - und fertig war die Laube, also ein definiertes Ende von drei Jahren Planen, Überlegen, Pläne umwerfen, Dritt- und Viertmeinungen, Zweifel, ausgeräumte Zweifel und nun ein Ergebnis, das ich nächsten Posting vorstellen werde.
 

Und jetzt bitte ich um Nachsicht ob des folgenden Klavierspiels, aber ich wollte Euch wenigstens daran teilhaben lassen, wie der Flügel jetzt klingt. Das Stück habe ich überhaupt erst vor drei Wochen angefangen zu üben, da ist also noch massig Luft nach oben, aber es ist klanglich eben auch dafür geeignet, den Flügel vorzuführen. Für mich ist da nun auch eine neue Dimension des Klanges hinzugekommen: Er kann jetzt auch dunkel und mysteriös. Der Vollständigkeit halber noch ein Bild mit der Positionierung der Mikrofone:

Mikrofone1.jpg

Also, bitte seid nachsichtig, ich verspreche auch, weiter sorgfältig an diesem Brocken zu üben:

 
Hast du dich nicht mal über deine verhältnismäßig geringe Handspannweite beklagt? Dann ist der Franck wohl als eine Art von Konfrontationstherapie gedacht... :blöd:
 
Hast du dich nicht mal über deine verhältnismäßig geringe Handspannweite beklagt? Dann ist der Franck wohl als eine Art von Konfrontationstherapie gedacht... :blöd:

Noch bin ich auch nicht bis zur Fuge durchgedrungen...

Aber ich habe mich seinerzeit nicht über meine Handspannweite beklagt, sondern über mangelnde Flexibilität zwischen den inneren Fingern, so dass etwas wie einen Des-Dur-Akkord in der ersten Umkehrung echt schwer zu greifen ist für mich. Im Prélude kann man sich einiges arrangieren zwischen LH und RH, so dass ich bisher noch nicht an Griffgrenzen gestoßen bin.
 
Es ist sehr beeindruckend den Unterschied zwischen der „historischen“ und der heutigen Aufnahme zu hören.
Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Restaurierung und allzeit viel Freude mit diesem schönen Instrument!

Viele Grüße,
Bluesman
 
1979 wurde die Tanzschule geschlossen und das Instrument an einen Musikstudenten und angehenden Pianisten verkauft, der auch noch heute Eigentümer des Instrumentes ist.

Ich darf das mal korrigieren.

Ich bin nun der Eigentümer der Kiste; mein sein jetzt.

Was übrigens großartig ist, denn so einen B muß man erst einmal finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kleine Wasserstandsmeldung:

Mittlerweile ist die Neubesaitung 7 Monate drauf und der Flügel hat die volle Breitseite der Nachteile einer wunderbaren Dachgeschoßwohnung auf dem Balkan in klimatischer Hinsicht mitbekommen. Es ist de facto unmöglich, dem Flügel ein einigermaßen gleichbleibendes Klima zu bieten. Im Winter geht's zwar nie unter 20°C, aber die Luftfeuchtigkeit war auch schon ein paar Mal unter 15%, trotz Luftbefeuchter. Die Größe des Zimmers und Höhe der einen Wand mit 4.5m - da werde ich klimatisch nichts mehr ändern können.

Was ist zwischendurch passiert?
  • Regelmäßiges Stimmen auf 443Hz, praktisch im Wochenabstand, teilweise weniger
  • Sanftes Nachintonieren einiger Diskanttöne
  • Festigen einiger Stimmwirbel durch Auffüllen mit Furnier
Warum letzteres notwendig war, sei hier kurz demonstriert:



Und so klingt er aktuell:

 
Im Winter geht's zwar nie unter 20°C, aber die Luftfeuchtigkeit war auch schon ein paar Mal unter 15%, trotz Luftbefeuchter. Die Größe des Zimmers und Höhe der einen Wand mit 4.5m - da werde ich klimatisch nichts mehr ändern können.
Trotz Luftbefeuchter? Also nur einer.

Ich kenne Deinen Raum nicht, aber dann muss es eben ein größeres Gerät sein. In meinem großen Luftraum hat ein LW74 das umfangreiche Raumvolumen (die Wand unter dem First ist 7,4 m hoch) problemlos auf 52-53 % angehoben. In Köln standen damals drei LW 44 und 45, die je nach Außentemperatur (schlecht isoliertes Dachgeschoss) um die 47-50 % erreicht haben.
 

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