Sprünge: Hören vs. Entfernungsgefühl vs. innere Tastenorientierung vs. Sicherheitshaptik

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Ruhrwestfale

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Ich hoffe mal das Thema ist bei 'Umfrage' richtig aufgehoben.

Was habt ihr selbst und ggf. bei euren Schüler:innen für Erfahrungen gemacht in Bezug auf Sprungsicherheit?
Wie ist das Verhältnis der oben genannten Komponenten (ggf. noch weitere?)?
Konstante Augenüberwachung hab ich bewusst ausgeklammert. Kurzes(!) Hinschauen VOR dem jeweiligen Sprung auf die Zieltaste(n) wäre vielleicht noch zu nennen, aber ich denke das kann u.U. sogar noch das Abgewöhnen von Sprungängstlichkeiten behindern.
Meiner Meinung nach lassen sich recht stabile Fortschritte am ehesten durch Fokussierung auf die präzise Tonvorstellung erzielen.
Evtl. gibt es ja irgendwo im Hirn eine unbewußt abrufbare Kopplung von Tonvorstellung und Ort (Lagesinn im Muskel/Gelenk Apparat?)?
Evtl. läuft auch synchron und unbewußt die innere räumliche Tastenorientierung mit?
Wo setzt ihr im Regelfall bei sprungängstlichen Schüler:innen an?
Wenn das Thema 'blinde Sprünge' ein Problem darstellt, welche Vorübungen wendet ihr ggf. an, bzw. welche haltet ihr für im Regelfall am erfogversprechendsten?
 

Wenn das Thema 'blinde Sprünge' ein Problem darstellt, welche Vorübungen wendet ihr ggf. an, bzw. welche haltet ihr für im Regelfall am erfogversprechendsten?
Übung 1: zum Ziel springen, aber nicht spielen
a) mit Hinsehen
b) ohne hinzusehen

Übung 2: zum Ziel springen und spielen
a) mit Hinsehen
b) ohne hinzusehen

Das Üben ohne Blickkontrolle fördert das "Armgedächtnis".

Bei Sprüngen in Akkorde ist es zudem noch nützlich, wenn die Finger bereits in der Luft so geformt werden, wie sie am Ziel gebraucht werden. Es ist auch sinnvoll, sich nacheinander auf einzelne Finger zu konzentrieren.

Interessant übrigens: G. Gruzman hat auf einem Meisterkurs mal empfohlen, bei Sprüngen von weißen zu schwarzen Tasten und umgekehrt eine Art Rechteck zu bilden anstatt eines Bogens.
 
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Ich habe als Kind Akkordeon gelernt.
Da gibt's kein hinsehen wo die richtigen Tasten sind für Sprünge im Bassbereich oder auf der Klaviatur.
Man denkt und fühlt und hört .
Und meine Klavierlehrerin hat 2015 als ich Klavier Anfängerin war auch großen Wert auf blind spielen und fühlen und hören gelegt.


Das war meine allerbeste KL die damals schon 75 Jahre jung war und seit 5 Jahren leider nicht mehr unterrichtet.
 
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Ich hoffe mal das Thema ist bei 'Umfrage' richtig aufgehoben.

Was habt ihr selbst und ggf. bei euren Schüler:innen für Erfahrungen gemacht in Bezug auf Sprungsicherheit?
Wie ist das Verhältnis der oben genannten Komponenten (ggf. noch weitere?)?
Konstante Augenüberwachung hab ich bewusst ausgeklammert. Kurzes(!) Hinschauen VOR dem jeweiligen Sprung auf die Zieltaste(n) wäre vielleicht noch zu nennen, aber ich denke das kann u.U. sogar noch das Abgewöhnen von Sprungängstlichkeiten behindern.
Meiner Meinung nach lassen sich recht stabile Fortschritte am ehesten durch Fokussierung auf die präzise Tonvorstellung erzielen.
Evtl. gibt es ja irgendwo im Hirn eine unbewußt abrufbare Kopplung von Tonvorstellung und Ort (Lagesinn im Muskel/Gelenk Apparat?)?
Evtl. läuft auch synchron und unbewußt die innere räumliche Tastenorientierung mit?
Wo setzt ihr im Regelfall bei sprungängstlichen Schüler:innen an?
Wenn das Thema 'blinde Sprünge' ein Problem darstellt, welche Vorübungen wendet ihr ggf. an, bzw. welche haltet ihr für im Regelfall am erfogversprechendsten?
Man kann dem Schüler zunächst mal folgende Aufgabe geben:

Man legt in der Nähe (also z.B. 50 cm weit weg) des Lichtschalters einen Löffel o.ä. ab.
Dann sagt man dem Schüler, er solle erst mit dem Zeigefinger den Lichtschalter drücken und dann ganz schnell danach mit Daumen und Mittelfinger den Löffel nehmen (mit der gleichen Hand natürlich).

Dann fragt man ihn, ob das schwierig gewesen sei.
Und ob es irgendeiner mentalen oder körperlichen Vorbereitung bedurft habe oder einer bestimmten "Choreographie".

Die Antwort wird "Nein" lauten.

Das Gleiche gilt für Töne oder Akkorde, zwischen denen man springt.

Das Ziel, das man greifen will, muss 100% klar vor Augen stehen. Dann klappt es auch. Anfangs noch nicht "blind" - das sollte man auch nicht erzwingen wollen, das kommt schon mit der Zeit.
 
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Bei Sprüngen in Akkorde ist es zudem noch nützlich, wenn die Finger bereits in der Luft so geformt werden, wie sie am Ziel gebraucht werden.
Das verhindert aber jegliche Entspannung und führt bei längeren Sprungsequenzen zu vorzeitiger Ermüdung. Ich bezweifle, dass man Stellen wie beispielsweise die Kadenz im Kopfsatz von Rach 3 auf diese Weise überhaupt durchhalten kann. Ich würde mir das nicht angewöhnen.
 
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Das verhindert aber jegliche Entspannung und führt bei längeren Sprungsequenzen zu vorzeitiger Ermüdung. Ich bezweifle, dass man Stellen wie beispielsweise die Kadenz im Kopfsatz von Rach 3 auf diese Weise überhaupt durchhalten kann. Ich würde mir das nicht angewöhnen.
Von Anspannung beim Formen der Finger habe ich nichts geschrieben. Das hab ich als seibstverständlich vorausgesetzt.
Nehmen wir z.B. in der linken Hand ein Walzer-Begleitmuster mit Oktavbass auf der 1 und Akkorden auf 2 und 3. Da ist es schon nützlich, wenn die Hand bereits während der Sprungbewegung die Form annimmt, die beim nächsten Griff gebraucht wird.
 
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Mir hilft diese Vorgehensweise:

Die Sprünge langsam üben, dabei aber den Sprung selbst nicht in gleichmäßigem Tempo (also ebenfalls langsam) ausführen, sondern direkt nach dem Loslassen der Tasten die Hand schnell in die Zielposition bewegen. Anfangs natürlich mir visueller Kontrolle. Schnell abspringen und gemütlich landen, statt gemütlich den Sprung starten und gestresst daneben hauen, ist die Devise. Am Ziel hat man dann Zeit, den korrekten Griff zu setzen. Sozuagen schon bei langsamem Übungstempo das Sprungtempo für schnelleres Spielen üben.
 
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Übung 1: zum Ziel springen, aber nicht spielen
a) mit Hinsehen
b) ohne hinzusehen

Übung 2: zum Ziel springen und spielen
a) mit Hinsehen
b) ohne hinzusehen

Das Üben ohne Blickkontrolle fördert das "Armgedächtnis".

Bei Sprüngen in Akkorde ist es zudem noch nützlich, wenn die Finger bereits in der Luft so geformt werden, wie sie am Ziel gebraucht werden. Es ist auch sinnvoll, sich nacheinander auf einzelne Finger zu konzentrieren.

Interessant übrigens: G. Gruzman hat auf einem Meisterkurs mal empfohlen, bei Sprüngen von weißen zu schwarzen Tasten und umgekehrt eine Art Rechteck zu bilden anstatt eines Bogens.

Edit:
Mist, da ist mir was verrutscht beim 'Zitat'.
Folgendes bezieht sich auf @hasenbeins Beitrag (#4).

Ja, so ähnlich habe ich das auch schon gemacht bei diagnostizierter 'Sprungängstlichkeit'.
Allerdings nicht mit Löffel, sondern mit Kaffeetasse (mittlerweile allerdings mit LEERER Kaffeetasse).
Als nächster Schritt funktioniert dann u.U. die Übung einen Ton (relativ weit außen) ggf, mehrmals anschlagen zu lassen mit der Aufgabe Tonhöhe und Klang präzise(!) ins innere Ohr zu übernehmen, und sodann die Hand in den Schoß zu legen und exakt diesen Ton zu anzuschlagen bzw. als Auftrag an die Kleinhirn Motorik: diesen Klang zu realisieren. Hirnareale sind ja in gewissen Grenzen koppelbar (hier Hörareal und Motoriknetzwerke).
Kann durchaus zu Aha-Erlebnissen führen.
Danach Übertrag auf einfache reale Spielfiguren a la linke Hand beim Minutenwalzer, etc., aber auch mit dem Auftrag jeden angesprungenen Ton präzise(!) vorzuhören bzw. keinen Ton zu spielen, der nicht vorher präzise gehört ist.
Ggf. auch 1Finger Trockenübungen wie Tonleiterspiel oder Arpeggien mit jeweils 'Hand in den Schoß legen' nach jedem Ton.
Ggf. auch 5-1, 1-5 Wechsel in Oktavspanne (falls Hand groß genug ist) auf dem selben Ton.
Trotzdem kann da eine Kluft bleiben zwischen der Erkenntnis der eigenen Möglichkeit sicherer Sprünge und einer sich dennoch einstellenden Angst bei öffentlichem Spiel/Vorspiel/Aufnahme. Möglicherweise spielt da dann eine oft jahrelang eingeübte Marotte des dauernden Hin- und Herschauens zwischen Noten und Tastatur eine Rolle, und die Macht der (schlechten) Gewohnheit schlägt zu?
Unter anderem deshalb ist es m.E. gut, nicht nur auf eine Karte zu setzen, sondern auch die anderen Orientierungsmöglichkeiten einzuüben zu lassen.
 
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Mir hilft diese Vorgehensweise:

Die Sprünge langsam üben, dabei aber den Sprung selbst nicht in gleichmäßigem Tempo (also ebenfalls langsam) ausführen, sondern direkt nach dem Loslassen der Tasten die Hand schnell in die Zielposition bewegen. Anfangs natürlich mir visueller Kontrolle. Schnell abspringen und gemütlich landen, statt gemütlich den Sprung starten und gestresst daneben hauen, ist die Devise. Am Ziel hat man dann Zeit, den korrekten Griff zu setzen. Sozuagen schon bei langsamem Übungstempo das Sprungtempo für schnelleres Spielen üben.
Ja.
Was haltet ihr davon auch den genau umgekehrten Weg zu versuchen, also bewußt sehr sehr langsam die Entfernung blind zu überbrücken und dabei die Tastaturlandschaft innerlich zu visualisieren, quasi wie mit einer Luftbildkamera in slow-motion aufgenommen, so dass jederzeit klar ist wo genau sich der zu verwendende Finger bzw. der antizipierte 'Griff' gerade in Bezug auf die darunterliegende Tastatur befindet? Bei Unsicherheiten dann notfalls kurz die Tastaturoberfläche fühlen lassen, um nicht den oft eingeübten Reflex

Unsicherheit->Stress->Auge->unflüssige Bewegungskorrektur (oft in Tateinheit mit Aufbau muskulärer Spannungen)

zu verfestigen.
Setzt natürlich die innere Repräsentanz des Tastenbildes bzw der Tastaturlandschasft voraus, aber das stellt sich ja meist nach einiger Zeit automatisch ein.

p.s.:
Da wir ja stets das lernen was wir tun, also auch das mit lernen was wir unbewusst anstellen:
welche Rolle spielt die Berücksichtigung von Atmung, Blockaden von Fußgelenk bis Zungengrund und Augen/Stirnpartie, dabei aus eurer Sicht? Da kann ja weit mehr passieren als das leicht festzustellende Heben der Schulterpartie.
Hab selbst mal während des Studiums mal eine Zeit lang Feldenkrais gemacht, war sehr hilfreich.
 
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  • #10
Die Oktavabstände bei Sprüngen vergrößern. Dann sind die originalen Abstände nur noch ein „Katzensprung“.
 
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  • #11
Ja kenn ich auch so, sehr effektiv, kann ggf. auch bei unbeholfenen Arpeggien anwendbar sein. Macht auch die Notwendigkeit der Armintegration direkt erfahrbar bzw. übt das ein.
Das adressiert aber im Schwerpunkt vielleicht eher die Bewegungseffizienz/Choreografie, als dass es auf die Sicherheit und Zuversicht bei Sprüngen fokussiert?

Btw.: auch der umgekehrte Weg ist ja für Sicherheitsgewinne möglich: statt zB Dezime links mit 5 einfach mit 1 in Oktavspanne die Terz vorstellen. Könnte aber evtl. die Gefahr bringen das Einüben des auditiv antizipierten Zieltonhörens zu stören. Vielleicht also weniger für's Üben, sondern eher als 'safety first'-Option für prima vista Spiel?
 
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  • #12
Von Anspannung beim Formen der Finger habe ich nichts geschrieben. Das hab ich als seibstverständlich vorausgesetzt.
Der Arm und das Handgelenk haben in dem Fall aber nicht mehr dieselbe gelöste Freiheit, die sie bei vollständig entspannter Hand haben. Ein lockeres Hinwerfen der Hand zum Ziel wird zumindest erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht.

Nehmen wir z.B. in der linken Hand ein Walzer-Begleitmuster mit Oktavbass auf der 1 und Akkorden auf 2 und 3. Da ist es schon nützlich, wenn die Hand bereits während der Sprungbewegung die Form annimmt, die beim nächsten Griff gebraucht wird.
In den allermeisten Walzern ist das Begleitmuster gar nicht schnell. Wenn der Sprung aber nur langsam bis mittelschnell ist (ist es dann überhaupt ein Sprung?), ist es viel sinnvoller, die Hand schnell und entspannt in die Zielregion zu bringen und dort in aller Ruhe den Akkord zu greifen.

Bei echten (also wirklich schnellen) Sprüngen behindert jede noch so kleine Spannung in der Hand die Geschwindigkeit des Wurfs. Das führt bei längeren Sprungsequenzen zur Ermüdung, vielleicht sogar zur völligen Verkrampfung; das gilt übrigens für sämtliche Doppelgriff- bzw. Akkordkaskaden - auch wenn die Entfernungen zwischen den einzelnen Akkorden nicht riesig sind. Probier spaßeshalber mal die Kadenz aus dem Kopfsatz des 2. Tschaikowsky-Konzertes (ab dem prestissimo) mit Vorgreifen in der Luft. Ich wünsche viel Vergnügen!
 
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