Spielgefühl und Klangwahrnehmung

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17. Okt. 2021
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Ich wollte einmal meine Erfahrung teilen, die (und vor allem deren Ausmaß) mich etwas überrascht hat.

Letztens habe ich ausprobiert, ob ich meinen Flügel leiser machen kann, ohne den Klang maßgeblich zu verzerren. Dafür habe ich unten 10cm-Pyramidenschaumstoff montiert, siehe Foto. Zugeschnitten und einfach zwischen die Rasten geklemmt. Links unten sieht man nicht verbaute Pyramiden, das ist das gleiche Material.
Das Resultat: der Flügel wurde tatsächlich etwas leiser bei erstaunlich guter Klangqualität. Ich hätte erwartet, dass die Höhen mehr in Mitleidenschaft gezogen würden (disclaimer: Ob ich das unterbewusst zurechthöre, kann ich nicht sagen). Der überraschende Teil war aber das veränderte SpielGEFÜHL. An den Tasten und der Mechanik habe ich nichts verändert. Trotzdem fühlte sich das Spielen deutlich zäher und schwergängiger an. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass sich das Niedergewicht erhöht hat.

Eventuell hat das auch mit der Hörerwartung zu tun und nach einer Gewöhnungsphase geht es wieder.

Hattet ihr ähnliche Erfahrungen?
 

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Ja, sehr häufig sogar. Immer wieder erzählen mir Kunden, dass, nachdem ich ihr Klavier gestimmt habe, etwas nicht funktioniert oder anders ist (kann besser oder schlechter sein). Auch wenn ich definitiv nur gestimmt habe und zum Abschluss alles auf Funktion geprüft habe und ein wenig darauf zum Test gespielt habe.
 
Wenn ich alte Instrumente spiele, deren akustische Anlage keine Klangkraft mehr entfaltet, kommt mir das ebenfalls so vor. Hände und Ohren bilden sich bei Musikern zu einem Regelkreis aus. Nimmst Du dem Flügel sein Klangvolumen, kompensieren die Handmuskeln.
 
Eine "Computerbrille" müsste da gut passen. Das ist eine Gleitsichtbrille mit nur zwei Entfernungszonen, unten 40 cm fürs Lesen, oben 80 cm für den Bildschirm. Der Übergang ist recht unauffällig und die Brille damit angenehmer als eine normale Gleitsichtbrille.
 
Ich hab damals den Abstand gemessen und bin mit dem Ergebnis und Noten zum Optiker gegangen. Keine Computerbrille, Einstärkenbrille für den Flügel.
 

Wenn ich alte Instrumente spiele, deren akustische Anlage keine Klangkraft mehr entfaltet, kommt mir das ebenfalls so vor. Hände und Ohren bilden sich bei Musikern zu einem Regelkreis aus. Nimmst Du dem Flügel sein Klangvolumen, kompensieren die Handmuskeln.
Das ist sicher ein wichtiger Effekt. Ich habe mal beobachtet, wie eine Freundin extra den Moderator im Pianino aktiviert hat, um die Nachbarn weniger zu stören - und dann automatisch entsprechend fester in die Tasten gegriffen und damit den Effekt des Moderators quasi komplett kompensiert hat.

Interessanterweise hatte ich die Erfahrung bzgl. zäheres Spielgefühl nicht, wenn ich bei einem Digi die Lautstärke niedriger gestellt habe. Vielleicht hatte ich an das nicht-akustische Instrument einfach absolut keine Erwartungen... ;)
 
Vielleicht hatte ich an das nicht-akustische Instrument einfach absolut keine Erwartungen... ;)
Ich hab keine Ahnung was das anbegeht aber mein Eindruck ist dass am Digi der Ton generell gleichförmig ist und dann eben einfach zusätzlich „nur leiser“ ist. Das erzieht einem den Willen zur Beeinflussung ab, wie einer Labormaus die Taste am leeren Futterspender zu drücken. Ich versteh jeden den es durchs Digi nicht langfristig am Instrument hält. Auch ein gedämpftes akustisches ist besser als Ton aus der Dose.
 
Dieser Eindruck trügt. Es ist schon lange Stand der Technik, Multisamples einzusetzen. D.h. es werden verschiedene Anschlagsstärken gesampelt, um die dabei entstehenden Klangveränderungen zu erfassen.
Schon, aber wenn man die Lautstärke insgesamt verändert und die Taste gleich stark drückt, verändern sich die Samples nicht. Die werden nur entsprechend lauter oder leiser abgespielt - das ist ja auch der Sinn der Sache.
 
Schon, aber wenn man die Lautstärke insgesamt verändert und die Taste gleich stark drückt, verändern sich die Samples nicht. Die werden nur entsprechend lauter oder leiser abgespielt - das ist ja auch der Sinn der Sache.
Was dann dazu kommt, ist der psychoakustische Effekt, dass bei niedrigeren Lautstärken die tiefen und hohen Töne weniger deutlich wahrgenommen werden. Moderne Digis versuchen das mit einer automatischen Loudness zu kompensieren.
 

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