Spielen mit Gefuehl

  • Ersteller des Themas Normalo
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Ich lese hier hauptsächlich einen Fokus auf technische Dinge: Was muss ich wann wo wie (mechanisch) tun?

Habt ihr mal darüber nachgedacht, dass es um Musik geht?
Der Output sind die Schallwellen. Die kommen beim Hörer an, diese stellen die aufgeführte Musik dar.

Wenn ihr euch also überlegt, wie es klingen soll, und einfach über Hörkontrolle versucht, es so klingen zu lassen, dann findet der eigentlich Lernprozess statt.

Wenn man mit dem Auto eine Kurve fährt, überlegt man sich ja auch nicht über den Verlauf der Kurvenfahrt, um wieviel Grad man nun das Lenkrad weiter oder weniger einschlagen möchte, sondern man regelt über die Augen, ob einem die Position in der Kurve gefällt.

Und das ist nicht esoterisch, sondern der Unterschied zwischen Tastendrücken und Musizieren.
 
Ich lese hier hauptsächlich einen Fokus auf technische Dinge
Solange ich technisch nicht darüber stehe, kann ich ein Stück auch nicht ausdrucksvoll spielen.
Jeder Schauspieler, sogar jeder profane Nachrichtensprecher bekommt Sprech- und Bewegungsunterricht, obwohl wir kaum etwas besser können als Muttersprache und laufen. Wenn du als Naturtalent das alles nicht brauchst, freu dich. Nur die Anweisung: "spiel mal musikalisch" nützt dem TE überhaupt nicht. Wenn es ihm leicht fiele, hätte er es vermutlich schon gemacht...
 
Solange ich technisch nicht darüber stehe, kann ich ein Stück auch nicht ausdrucksvoll spielen.
Jeder Schauspieler, sogar jeder profane Nachrichtensprecher bekommt Sprech- und Bewegungsunterricht, obwohl wir kaum etwas besser können als Muttersprache und laufen. Wenn du als Naturtalent das alles nicht brauchst, freu dich. Nur die Anweisung: "spiel mal musikalisch" nützt dem TE überhaupt nicht. Wenn es ihm leicht fiele, hätte er es vermutlich schon gemacht...

Dieser Sprech- und Bewegungsunterricht läuft aber nicht taub und blind, sondern über Hören und Sehen.

Wohl ein typischer Fall von KKL.
 
Kann sein, wir wissen es nicht. Das weiß nur Hasenbein.
Aber daß ein technischer Unterricht -- z.B. zur Phrasengestaltung -- ohne Hörkontrolle abläuft, ist natürlich nur eine Unterstellung oder ein Mißverständnis. So war es bei mir nie.

Deshalb wird aber noch lange nicht andersum ein Schuh daraus, nach dem Motto: "Klavier spielt man mit den Ohren". Solcherlei Sprüche dienen lediglich dazu, sich ein Denkmal in irgendeinem Buch zu setzen.
Außerdem: wie würde das wohl aussehen... :party:
 
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Beethoven hatte auch keine Kontrolle übers Gehör!
 
Ein verkrampfter Umgang mit Emotion, dieses Rationalisieren ist schon ziemlich "deutsch".
All die im Thread genannten Aspekte gehören zusammen zum ausdrucksstarken und erfüllenden Spiel, man kann nicht auf einen allein, z.B. den technischen Aspekt, reduzieren.
Nach Winnicott (Entwicklungspsychologie, nicht Eso) haben Erwachsene (im Ggs. zu Kindern) nur noch durch Religion und Kunst einen sog. intermediären Raum - also etwas, das nicht allein verstandesmäßig zu beschreiben, zu begreifen und zu erfahren ist, stark verkürzt gesagt. Dieser "Raum" ist etwas zutiefst Menschliches, Essentielles, Heilsames.

Das ist doch auch das Faszinierende, Wohltuende an Musik, am Klavierspiel. Da darf Gefühl drin sein. Und warum nicht auch manchmal Pathos.
Was ist so schlimm, wenn man von dem, was man spielt, selbst bewegt ist und dies nachempfindet, warum darf das nicht auch sichtbar sein? Wenn sich da jemand fremdschämt - nicht mein Problem.
Die Fremdscham resultiert auch daraus, dass vom Vortragenden etwas Privates, sogar Intimes geteilt wird, das eigene Bewegtsein. Für Menschen, die stark rationalisieren und selbst wenig Gefühl zeigen, ist das wahrscheinlich besonders merkwürdig/peinlich.
Zum Glück gibt es darüber keine Vorschriften und keiner kann einem verbieten, wie man ein Stück spielt.
Keine Ahnung, ob das bei manchen Pianisten Pose und Selbstzweck ist. Finde das unwichtig zu wissen. Wenn es mich in meiner Rezeption stört, mach ich die Augen zu.
Wenn der KL des TE sagte, er solle mit mehr Gefühl spielen, interpretiere ich das so, dass der TE mehr nach-/mitempfinden, sich reinbegeben in die (vorgeschriebene) Stimmung und sich mehr "gehen lassen soll", das scheint ihm ja schwerzufallen. Natürlich ist die Grundlage dafür Technik, Verständnis der Artikulation, das ist doch selbstverständlich! Aber dies nicht sprachlich zu Benennende, zu Fassende trägt gleichwohl zum Klang bei.
 
Also @Sven - wenn, dann fände ich eher Beiträge, die in pampig-überheblichen Zweiwortsätzen in das Forum geworfen werden, zum "Fremdschämen".
;-)


Jeder empfindet Emotionen anders, jeder Mensch fühlt anders. Das hat mit Prägung, Erlebtem, Umfeld, undsoweiter zu tun.
Wenn das keine Ausmaße annimmt, die andere schädigt, oder sie in ihrem Gefühlsleben einschränkt oder unterdrückt, darf man so fühlen, wie man will, und das auch ausleben. Punkt. Sozusagen.

Edith: Natürlich sollte man darauf achten, dass man sich dabei nicht selber psychisch "schädigt".
 
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Ich hab gestern im Unterricht endlich begriffen, was es mit dem von mir geposteten Stueck auf sich hat. Ich wusste, dass es ein Einschlaflied ist, aber ich waere mir komisch dabei vorgekommen, es von piano ausgehend immer leiser und langsamer werdend zu spielen, bis man eben einschlaeft. Wenn ich mir andere YT-Videos von dem Stueck anschaue, dann spielt das KEINER so. Auch wusste ich nicht, dass man zwischen Phrasen oder auch inmitten einer Phrase einfach mal pausieren oder langsamer werden darf. Da muss ich meinen Horizont erweitern, hatte noch nie so ein langsames Stueck irgendwo bewusst gehoert oder gesehen.
 
Ich hab gestern im Unterricht endlich begriffen, was es mit dem von mir geposteten Stueck auf sich hat. Ich wusste, dass es ein Einschlaflied ist, aber ich waere mir komisch dabei vorgekommen, es von piano ausgehend immer leiser und langsamer werdend zu spielen, bis man eben einschlaeft. Wenn ich mir andere YT-Videos von dem Stueck anschaue, dann spielt das KEINER so. Auch wusste ich nicht, dass man zwischen Phrasen oder auch inmitten einer Phrase einfach mal pausieren oder langsamer werden darf. Da muss ich meinen Horizont erweitern, hatte noch nie so ein langsames Stueck irgendwo bewusst gehoert oder gesehen.

Sowas braucht einem neimand zu erklären, wenn man viel Hörerfahrung hat.

Anscheinend musst du dir viel mehr Musik anhören. Gerne auch mal in den Noten mitlesen.
 
Nur kurz: Hier wird gerne unterrichtet dergestalt: "Du musst alle Tonnamen wissen, wissen wie man sie greift (Blasinstrument) und auch noch wie lang sie sind. Jetzt spielen wir "Alle Jahre wieder."

Jene betraut man dann hernach mit dem Nachsatz: "Spiel mit mehr Gefühl." -.-

Kein wunder, dass hier Generation um Generation versaut wird. Und diejenigen "gesegneten", die ambitioniertes Umfeld haben und von Unterricht zu Unterricht gekarrt werden und 5x die Woche (selbst schlecht) unterrichtet werden, sind dann die Stöcke mit dem großen Maul, die mir dann in 15 Jahren adrett ans Bein pissen wollen, wie es nur sein kann "so wenig zu können bzw. geringes Repertoire zu haben". Philister! Und dann wird hier ein Stück / eine Eigenkomposition hochgeladen, und wenn darauf nicht "hey ich habe Klavier studiert" steht, dann wirds sogleich zerrissen. Wohingegen, wenn es dann von xy kommt dann: "HuRz! Oh und ah und ach wie fein. Und so legitim. So urkräftig unverkopft." Und ich denke mir nur ... "ja.... stimmt Pornostars MÜSSEN einfach DIE sensorische Offenbarung sein. Der Weisheit letzter Schluss. Denn NUR der Profi kann sich mit dem WAS ICH empfinde so LEGITIM auskennen, dass ich legitim Exaltieren darf."
 

@Normalo
Das was du beschreibst kenne ich gut. Es ging mir bei einem Stück ähnlich. Ich konnte nicht wirklich einen Bezug zu dem Werk aufbauen. Die Töne stimmten, doch es klang Sch.... . Dann hörte ich die Mondscheinsonate gespielt von Barenboim und dadurch hatte ich auf einmal eine Idee, wie ich mein Stück spielen wollte. Und nein, es war definitiv nicht die Mondscheinsonate. Soweit bin ich noch nicht.
 
Nur kurz: Hier wird gerne unterrichtet dergestalt: "Du musst alle Tonnamen wissen, wissen wie man sie greift (Blasinstrument) und auch noch wie lang sie sind. Jetzt spielen wir "Alle Jahre wieder."
Lieber Gefallener,

wo ist denn "hier"?

Hier im Forum zumindest wird immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass Klavierspielen bedeutet, Hirn, Herz und (fast) alle Sinne zu gebrauchen.

Ich kann nur dann den Klang finden, wenn ich emotional beteiligt bin. Das aber heißt nicht, sich mit dem Körper zu bewegen (im Gegenteil ist ein stabiler Sitz wichtig) oder in Gefühlen zu schwelgen, so dass sie die Überhand gewinnen und das Hirn so von Endorphinen überflutet wird, dass Intellekt und Verstand die weiße Flagge schwingen.
Wiki_Friede_DS.gif
:004:

Es gibt Untersuchungen vom Spiel berühmter Pianisten (ich glaube Brendel ...), bei denen gemessen wurde, wie emotional sie bei ihrem Spiel selbst sind. Fazit: niente. Es klang mordsmäßig agitato, aber der Pianist selbst war nicht in einem ähnlichen Erregungszustand. Das ist auch gut so, denn wäre man selbst gehetzt, würde man schnell die Übersicht verlieren.

Das heißt aber nicht, dass die eigenen Emotionen gar nicht beteiligt sind. Die Tiefe der Empfindung muss sich aber nicht im "Baden in Gefühlen" zeigen. Herz und Hirn und Sinne sind beteiligt!

Im Unterricht arbeite ich gern mit Schülern in Bildern und dem immer genaueren Finden von individuellen Wörtern und Ausdrücken. Es hilft oft, sich eine Geschichte oder bestimmte Situation vorzustellen, bei einem Nocturne z.B. einen See im Mondlicht, eine laue Sommernacht, eine wunderbare Ruhe und Stille sowie die entsprechende Stimmung.

Bilder sind sehr individuell und es ist Aufgabe von Lehrer und Schüler, die zu finden, die dem Schüler etwas sagen und ihn in die entsprechende Stimmung bringen. Maria Callas hat mal gesagt, dass sie sich vor dem ersten Ton in die Rolle verwandelt, die gleich die Arie singt. Eine bedrohliche Stimmung kann z.B. erzeugt werden, indem der eine sich die Szene aus "Herr der Ringe" vorstellt, in der in den Minen von Moria die Orks mit den Trommeln beginnen zu schlagen. Der andere kann damit nichts anfangen und stellt sich lieber die gespenstische Stille vor einem Vulkanausbruch vor. Es gibt tausende Möglichkeiten. Wir sprechen vom Charakter von Musik und die Charaktere und Stimmungen müssen erst mal wahrgenommen und präzisiert werden.

Wieder andere können mit Bildern nichts anfangen und machen es über Sprache. Wie soll das staccato an dieser Stelle klingen? Schon diese Frage löst einen Prozess aus. Hm, vielleicht lustig? O.k., wie lustig? Ist es frech mit sehr kurzen staccati? Oder soll es eher getupft klingen? Oder so, wie ein Flummi auf dem Boden abprallt - mit noch etwas Federung? Immer genauer versucht man, den Klangcharakter einzugrenzen, dazu ist ein Wissen um die Struktur und Stilistik des Stückes notwendig (Hirn), die Beteiligung des Ohrs und der Sensomotorik (Klangvorstellung, Realisierung und Überprüfung derselben) sowie der Emotionen (Herz), die individuell sind.

Es hilft aber nichts, verzweifelt in sich zu fühlen nach Gefühlen, während man nicht gleichzeitig mit der Arbeit am Klang beschäftigt ist! Das geht Hand in Hand.

Nach meiner Erinnerung geht Andreas Doerne in "Umfassend musizieren" mit Kindern auch gern so vor, dass er mit ihnen eine ganze Reihe Smilies erarbeitet, die er dann mit ihnen zusammen im Notentext platziert, so dass die Charakteränderungen sichtbar werden.

Meiner Meinung nach gibt es kein Problem mit der emotionalen Erfassung von Musik, wenn man einen guten Anfangsunterricht hatte. Jedes Kind spielt begeistert und musikalisch völlig richtig ihm bekannte Lieder nach Gehör. Sofortiges Spiel nach Noten legt hingegen den Fokus aufs Falsche und so klingt es dann auch. Hörschulung ist der erste und beste Weg, um nach und nach den eigenen Empfindungen auf die Spur zu kommen. Was empfindet man bei Dissonanzen, was bei Konsonanzen u.v.a.(s. auch der Beitrag von @Alter Tastendrücker).

Liebe Grüße

chiarina
 
Zumal Kinder eine ganz andere Wirklichkeitsaufassung, Lebens"erfahrung"und Geschwindigkeit haben. "mit Gefühl spielen" ist bei Ihnen fast immer nicht das was wir darunter verstehen. Da braucht man einen eigenen Schlüssel. Aber grade das ist das spannende, daß sie so anders als sind. Ein Grund vielleicht, warum ich Dressur so unfassbar grausam finde... Fötus spielt ungarische Rhapsodie etc. Etc.
 
Ich hab gestern im Unterricht endlich begriffen, was es mit dem von mir geposteten Stueck auf sich hat. Ich wusste, dass es ein Einschlaflied ist, aber ich waere mir komisch dabei vorgekommen, es von piano ausgehend immer leiser und langsamer werdend zu spielen, bis man eben einschlaeft. Wenn ich mir andere YT-Videos von dem Stueck anschaue, dann spielt das KEINER so. Auch wusste ich nicht, dass man zwischen Phrasen oder auch inmitten einer Phrase einfach mal pausieren oder langsamer werden darf. Da muss ich meinen Horizont erweitern, hatte noch nie so ein langsames Stueck irgendwo bewusst gehoert oder gesehen.
Hey, da hast Du durchs Zu- und Hinhören wirklich verdammt viel gelernt! (absolut ironiefrei gemeint) :super::super:

Das kann such nicht jeder Tastendrücker: beim Zuhören etwas konkret für sich mitzunehmen.

Mir ist auch aufgefallen, dass die Viertelterzen links sehr gradlinig laufen, selbst über Phrasenenden hinweg, quasi ohne Komma und Punkt. Dieses Ebenmaß ist für Anfänger eigentlich schwierig, weil die sich eher auf die Melodie konzentrieren und den Baß nach den Melodietönen hinterherschleppen. Bei Dir ist es andersherum: die Melodie beeilt sich manchmal, um "pünktlich" anzukommen.

Und diese sphärischen Akkorde aber bitte im fortlaufenden Takt spielen, nicht irgendwann im Zeitkontinuum, ja?! :-D

Weiter so! :-)
 
Mir ist auch aufgefallen, dass die Viertelterzen links sehr gradlinig laufen, selbst über Phrasenenden hinweg, quasi ohne Komma und Punkt. Dieses Ebenmaß ist für Anfänger eigentlich schwierig, weil die sich eher auf die Melodie konzentrieren und den Baß nach den Melodietönen hinterherschleppen. Bei Dir ist es andersherum: die Melodie beeilt sich manchmal, um "pünktlich" anzukommen.
Hahaha, da musste ich lachen :-D Kann sein, dass ich bei der Melodie die Tasten suchen musste und diese deshalb hinterherhinkt. Auch bin ich mehr konzentriert auf den Bass, weil: Ich hab den Bass erst ohne Pedal geuebt, weil ich lernen wollte, wie man die Terzen ohne Hilfsmittel legato spielt. Die Fingerwechsel sind fuer mich teilweise sehr schwierig, z.b. linke Hand von 5-3 nach 3-1 (Richtung links), also Uebergreifen ueber den kleinen Finger. Ausserdem muss der Bass leiser als die Melodie sein, und das bei piano ist fuer mich eine grosse Herausforderung. Dann noch die Terztoene gleichzeitig anzuschlagen... Also selbst wenn der Ausdruck nicht stimmt, gelernt hab ich viel.

Als Anfaenger macht es richtig Spass, weil man noch so viel lernen kann... :004:
 
Die Fingerwechsel sind fuer mich teilweise sehr schwierig, z.b. linke Hand von 5-3 nach 3-1 (Richtung links), also Uebergreifen ueber den kleinen Finger. Ausserdem muss der Bass leiser als die Melodie sein, und das bei piano ist fuer mich eine grosse Herausforderung.
Das zeigt, was ich vermutet habe: daß es eben auch um Technik geht. Solange du da nicht drüber stehst, nützt dir ein musikalischer Gestaltungswillen herzlich wenig.
Ich hatte mal eine Geigenlehrerin, die auch immer nur von Musik geredet und nicht erkannt hat, daß ich mit den Bewegungen schlicht überfordert war. Ein Wechsel hat mir sehr gut getan.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht nicht mehr um Technik, denn Normalo kriegt das Stück tastenmäßig längst hin. Es ist bemerkenswert, dass er diese Übersetzgymnastik links eigens geübt hat.


Worum es geht (schon den ganzen Faden lang), ist die Gestaltung der Melodie, hier hauptsächlich die Agogik.
 

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