Scheunenfund der Extraklasse: C. Bechstein Modell 1 Konzertflügel, 267cm, Jahrgang 1861

Dabei seit
17. Okt. 2017
Beiträge
2.245
Reaktionen
2.194
Kaum zu glauben, aber wahr: Diese Schönheit habe ich vor kurzem entdeckt und mir als Eigentümer sichern können:

Gesamtansaicht.jpgLogo.jpg

Tastaturklappe.jpg

Seriennummer 427, 1861 ausgeliefert an einen nicht wirklich bekannten Tonsetzer in Österreich - und wirklich im Originalzustand. D.h. Komplette Akustikanlage mit Resonanzboden, Agraffen, Stegen, Stegstiften, Dämpfern, Saiten.

Saiten! Das ist noch der Originalbezug vom Bass bis in den Diskant.

Mittlerweile ist der Flügel auch durch meinen Meister begutachtet worden, der mit mir bereits eine Strategie entworfen hat, das Instrument zu restaurieren, mit der klaren Maßgabe, all das im Original zu behalten, was möglich ist. So z.B. wird der originale Baßbezug erhalten bleiben, nachdem er vorsichtig gereinigt wurde und alle Stahlsaiten ohne Umspinnung werden mit den identischen Neumaterialien ersetzt werden, die den damaligen Zugwerten entsprechen.

Äußerlich wird nicht viel zu tun sein, da müssen 3 Versatzstücke an den Beinen nachgefertigt werden, aber da sowohl Holz als auch Originallack bekannt sind, wird das so gemacht, wie man es auch vor 160 Jahren gemacht hätte.

Mechanik:

Mechanik+Hammer1.jpgMechanik-Seite1.jpg

Kaum zu glauben, ja, die Hämmer sind noch original und wir werden in einer ersten Annäherung die Hammerköpfe nicht ersetzen, sondern lediglich abschleifen, um Rückschlüsse auf die Zusammensetzung zu ziehen und wie man diese mit neuer Befilzung 1:1 wieder nachbilden kann.

Etwas vergleichbares an Instrument habe ich ja schon einmal gespielt, also den angeblichen Liszt-Flügel von 1862, dessen Bauart ziemlich identisch mit der des Konzertflügels ist. Der Unterschied ist diese Beule am untersten Baßsteg, die es beim Konzertflügel nicht gibt. Ich finde den Sound nach wie vor betörend und was dann ein 60cm längeres Intstrument produzieren wird, läßt mich geradezu erschauern.



Geht halt alles nicht von heute auf morgen, aber der Plan sieht schon vor, es richtig zu machen- und ich glaube, ich habe den richtigen Mann dafür.

Stay tuned.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Lagerung der Hämmer erinnert an Schiedmayer. Mach doch bitte mal ein Foto von der Mechanik von der Seite.
 
Mechanik-Seite2.jpgKlaviatur-gezogen.jpg

Mehr Fotos habe ich aktuell nicht und der Flügel wird auch bald abtransportiert und eingelagert. Fotos wird's also erst wieder im nächsten Jahr geben, wenn der Flügel in der Werkstatt in Hainburg steht.

Vielleicht kannst Du einmal beim Fabian Sarbach nachfragen oder auch direkt in Berlin. Von dem 1862er habe ich leider auch keine aussagekräftigen Bilder gemacht.
 
So z.B. wird der originale Baßbezug erhalten bleiben, nachdem er vorsichtig gereinigt wurde und alle Stahlsaiten ohne Umspinnung werden mit den identischen Neumaterialien ersetzt werden,
So etwas werde ich nie verstehen. Wie lange soll das denn halten? Wenn man eh schon die Blanksaiten erneuert, dann sollte man auch den Bassbezug erneuern. Der ist immerhin 160 Jahre alt. In 20 Jahren ärgerst du dich darüber. Aber so etwas sehe ich total oft.
 
eher schon früher, wie die Verfahrensweise in einem ähnlichen Fall zeigt...
Ja, höchst wahrscheinlich. Aber ich wollte hier jetzt nicht so als Spielverderber und Pessimist auffallen. :005:

Ich ärgere mich jedes mal, wenn ich so eine Restaurierung sehe. Authentizität hin oder her: halten sollte es schon. Und der Blankbezug ist dann ja auch neu. Am Geld sollte es auch nicht scheitern. Natürlich kostet das mehr, aber in der Gesamtsumme ist der relative Anteil nicht wirklich exorbitant.
 
Es ist halt eine Grundsatzfrage, was man mit einer Restaurierung erreichen will. Manche wollen möglichst viel Substanz erhalten. Aber ich bin da auch anderer Meinung. Die Substanz ändert sich mit der Zeit. Nach 150 Jahren ist sie in einem anderen Zustand als was die Klavierbauer damals erreichen wollten (bzw. erreicht haben). Deren Ziel war der damalige Neuzustand. Für möglichst viel Authentizität sollte man versuchen, diesem Neuzustand möglichst nahe zu kommen. Das wären in dem Fall neue Saiten, nach alter Methode hergestellt (falls sich beim Spinnen oder den Legierungen überhaupt etwas Relevantes geändert hat).

Aber die Entscheidung liegt natürlich letztendlich beim Besitzer.
 
(falls sich beim Spinnen oder den Legierungen überhaupt etwas Relevantes geändert hat)

Und jetzt stell Dir mal vor, wie Du als Besitzer entscheidest, wenn Dir der beauftragte Klavierbaumeister erzählt, dass die heutigen Legierungen andere sind und auch die Herstellungsweise eine andere ist und Dir von mehreren Instrumenten berichtet, bei denen er so vorgegangen ist und durch diesen Substanzerhalt einen besonderen Klang erzielt hat.

Die Entscheidung, den alten Baßbezug nach entsprechender Behandlung beizubehalten, ist reversibel, sollte das Ergebnis nicht das gewünschte sein. Nimmt man von vornherein komplett neue Saiten, dann würde die alten im Müll landen. und das wäre dann irreversibel.

Ich möchte am Ende ein Instrument haben, das möglichst nah am Original ist und das auf eine Art und Weise aufgearbeitet wurde, die einen Konzertflügel wiederherstellt, der auch tatsächlich aktiv für Konzerte und Aufnahmen genutzt wird. Dabei verlasse ich mich auf einen Klavierbaumeister, der in den letzten Jahrzehnten Instrumente auf genau diese Art und Weise wieder hergerichtet hat und ich sehe keinen Anlaß, an seiner Expertise zu zweifeln.

Wer meint, es besser zu wissen, kann mir gerne einen Kostenvoranschlag schicken. Anhand dann auch beigefügter Arbeitsbeispiele werde ich vielleicht meine Entscheidung überdenken; noch ist der Flügel nicht eingelagert und könnte jederzeit woanders hin transportiert werden.
 
wenn Dir der beauftragte Klavierbaumeister erzählt, dass die heutigen Legierungen andere sind und auch die Herstellungsweise eine andere ist
Deswegen schreibe ich ja, die erste Wahl wäre
in dem Fall neue Saiten, nach alter Methode hergestellt
Ob das leistbar ist, weiß ich nicht.
Ich weiß aber, dass sich das Metall in den 150 Jahren im Instrument verändert. Dass der Klang "besonders" ist, glaube ich gerne. Wie nah er am Original (das wäre der Klang dieser Saiten vor 150 Jahren) ist, weiß ich aber nicht. Ich weiß nicht, ob das überhaupt irgendjemand weiß...

Nimmt man von vornherein komplett neue Saiten, dann würde die alten im Müll landen. und das wäre dann irreversibel.
Spricht etwas dagegen, sie nicht in den Müll zu werfen? Dann wäre auch das reversibel.
 
Spricht etwas dagegen, sie nicht in den Müll zu werfen? Dann wäre auch das reversibel.

Vor allem aber spricht gar überhaupt nichts dagegen, das originale Material erst einmal zu nutzen, bevor man überhaupt damit anfängt, mit neuen Materialien und Fertigungsmethoden dahin zu kommen, wo man mit dem Originalmaterial eh schon ist.
 
eher schon früher, wie die Verfahrensweise in einem ähnlichen Fall zeigt...

Nö, das eine ist mein 136 Jahre alter Privatflügel, an dem sich über die Jahrzehnte geradezu eine Legion von Klavierbauern vergangen hat. In Auftrag gegeben habe ich nach Übernahme genau ein einziges Element: Generalüberholung der Mechanik, die eh schon übelst zugerichtet war, aber durch sorgfältigste Arbeit wieder in den aktuellen Zustand überführt wurde, der göttlich ist.

Alle anderen "Reparaturen" waren übelster Pfusch - und damit muß ich leben, weil bestimmte Pfuschereien irreversibel sind. Aber genau deswegen habe ich jemanden damit beauftragt, dieses einzigartig geniale Instrument zu restaurieren, ohne Kompromisse und Zeitdruck, aber einem klar definierten Ziel.

Nochmal: Wenn jemand meint, es besser zu können: Noch kann der Flügel begutachtet werden und mir ein Kostenvoranschlag übermittelt werden. Aber theoretische Besserwisserei ohne vorzeigbare Substanz ist dann doch nicht das, was ich im Kontext einer teuren Restaurierung dieses Juwels ernstnehmen werde.
 

Man kann es mit den alten Saiten ja ruhig mal versuchen. Aber falls das Ergebnis nur "besonders" anstatt gut ist, sollte man sich das nicht schönreden wollen.
 
Der Punkt war, dass man mit dem Originalmaterial eben nicht mehr dort ist, weil es 150 Jahre unter Spannung gestanden und entsprechend gealtert ist.

Weil, Beweis durch Behauptung?

Flügel existiert und ich stelle ihn gerne bereit dafür, genau solche Thesen verifizieren oder falsifizieren zu lassen.

Dazu gehört dann natürlich ein entsprechender Versuchsaufbau mit entsprechender Dokumentation und Beschreibung der Vorgehensweise. Sollte für einen Mann vom Fach ja kein Problem sein.

Aber wenigstens ein konkretes Beispiel der eigenen Kunst sollte ich dann doch als Kriterium dafür sehen/hören dürfen, ob ich den/diejenigen tatsächlich an das Juwel lasse. Wer so unwidersprüchliche Axiome aufstellt, wird ja dann doch genügend dokumentierte Erfahrung auf dem Buckel haben und Ehrgeiz genug, mein Dummwissen als solches bloßzustellen.

Ich warte.
 
Die Dinger vermehren sich einfach wie die Karnickel, unfassbar!

Gesamtansicht.jpgInnenansicht.jpg
Front-mit-Tastaturklappe.jpg

Zufallsfund in einem lokalen Online-Kleinanzeiger. Seriennummer 1252, Baujahr 1863, ebenfalls ein Modell 1, also 267cm lang - und damit ein Pendant zu No. 427. Die Jury berät noch, ob es ein Ersatzteilspender für den älteren ist, oder ob sich der Aufwand doch noch lohnt, das Schmuckstück zu retten. Das Innenleben ist unverbastelt, Mechanik komplett original, aber die Hammerfilze haben sich schon von Kern gelöst. Wie man sehen kann, ist das Emblem vom Resonanzboden entfernt worden, ebenso von der Tastaturklappe. Es liegt die Vermutung nahe, dass man in der kommunistischen Tschechoslowakeit keine offensichtlichen deutschen Bechstein-Flügel propagieren wollte. Die linke Backe der Zarge ist auch einem Unfall anheimgefallen, aber ein einigermaßen begabter Holzexperte wird das schon richten können.

Wäre natürlich schon schön, zwei identische Konzertflügel aus dieser Zeit wieder konzertreif aufzuarbeiten; eine solche Konstellation dürfte einigermaßen einzigartig sein. Schaumama.
 
Bevor man sich sehr alte Instrumente aufwendig restaurieren lässt, sollte man sich einmal Aufnahmen mit so alten Instrumenten anhören. Der Klang ist nicht vergleichbar mit dem von heutigen Instrumenten und gefällt mir z.B. generell nicht. Es gibt viele solcher Aufnahmen. Ich kaufe mir inzwischen keine mehr davon. Die Aufnahmen z.B. von Griegs Orginalflügel - im Instrumentenklang einfach grauenhaft, und es ist fast erstaunlich, dass unter solchen Voraussetzungen so tolle Musik entstehen konnte. Wenn einem der Klang gefällt, ist das natürlich etwas anderes. Und wenn ein schmuckes Instrument nur als Möbelstück dienen soll und nur selten benutzt werden soll, natürlich auch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich beziehe mich auf die Aufnahme des Gesamtwerkes für Klavier von Grieg verlegt bei Naxos. Soweit ich mich erinnere sind zwei Bonus-CDs unter Verwendung des Originalinstrumentes dabei. Was für ein Instrument das war, weiß ich nicht. Das wird irgendwo in dem dicken Booklet stehen. Das herauszusuchen, ist mir jetzt aber zu aufwendig. Der letzte Flop dieser Art war eine Aufnahme mit einem uralten Pleyel- oder Erard-Flügel. Ich verkneife mir aber die Nennung des Künstlers.
 

Zurück
Top Bottom