Roth&Junius

Maddin

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21. Mai 2007
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Hallo Freunde der Musik!

ich bekam vor ein paar Tagen einen interessanten Anruf: Es hat jemand ein Klavier zu verschenken!

Ich also hin, um es mir anzuschauen. Und siehe da, obwohl das Klavier seit ca. 2 Jahren in einer Garage steht, sah es noch innen ziemlich gut aus.

Außen halt nicht.

Meine Frage: Kennt jemand die Klavierbaufirma Roth&Julius? Kann mir jemand sagen, wie alt das Instrument dieser Marke mit der Nummer: 7374 ist?

Just zu diesem Zeitpunkt will ein Schüler von mir von Keyboard auf Klavier umsteigen. Die Eltern haben es nicht so dicke, deshalb will ich denen jetzt kein Schrott geben.

Bis dann

Maddin
 
Roth & Junius war zu seiner Zeit ein durchaus angesehener Klavierbauer. Das Baujahr dürfte Anfang 1911 sein (lt. Witter, Klavierlexikon).
 
Die Eltern haben es nicht so dicke, deshalb will ich denen jetzt kein Schrott geben.

Die Frage: Schrott oder nicht, entscheidet sich nach 100 Jahren Nutzung nicht (mehr) anhand des Herstellers, sondern nur vor dem Hintergrund des Zustandes. Es gibt immer wieder Überraschungen, wenn so alte Klaviere in beneidenswert gutem Zustand sind, oder mit wenigen Handgriffen wieder gut spielen, aber der Erfahrungswert zeigt, dass das eher die Ausnahme ist (eine Lagerung in der Garage lässt zudem nichts gutes vermuten).

Es gibt Minimalansprüche, die man an ein Instrument haben muss (um es sinnvoll als Musikinstrument nutzen zu können). Es muss zunächst stimmbar sein (nicht unbedingt auf 440Hz, etwas tiefer wäre OK). Und die Mechanik muss in Ordnung sein, bzw. mit ein paar Handgriffen in Ordnung gebracht werden können. Eine komplette Überarbeitung kann am Ende teurer kommen, als wenn man lieber ein paar Hundert Euro in ein gebrauchtes Klavier investiert, was noch spielt. Da ich hin- und wieder zu Verkäufen mitgenommen werde, um den Zustand eines Instrumentes zu beurteilen, weiß ich, dass es durchaus für wenige Hundert Euro sehr brauchbare Klaviere gibt.

Die Idee, etwas geschenkt zu bekommen, kann funktionieren, muss aber nicht. Im Schlimmstfall bekommt ihr ein Klavier, was nicht nutzbar ist.

Ich würde in jedem Fall empfehlen, das Instrument von einem Fachmann beurteilen zu lassen, auch wenn man einem geschenkten Gaul normalerweise nicht ins Maul schaut.
 
Hallo Maddin,

Das erste, was man bei so einem Klavier zu tun hat, ist "Holzfeuchte messen!" - und zwar ehe man irgenwelche weiteren Schritte unternimmt, denn man merkt dem Klavier kaum an, dass es nie wieder eine Heizperiode in normal beheizten Räumen unbeschadet überlebt.

Der größte Gau besteht hier in folgendem: Das Klavier wechselt im Sommer den Besitzer und soll im Herbst in den neuen Räumlichkeiten gestimmt werden. Der Stimmer bemerkt nicht, dass die Holzfeuchte 10-12% anstatt 6% beträgt. Er könnte das nur feststellen, wenn er ein Holzfeuchtemessgerät ansetzt, doch misst er natürlich nur bei Verdacht, und der ist vordergründig nicht gegeben. Das Klavier lässt sich seiner Meinung nach wunderbar stimmen und auch der Resonanzboden ist toll intakt, allerdings empfiehlt er, dass die Mechanik überarbeitet werden soll, um eine gleichmäßige Spielart zu bekommen.

Nachdem das Klavier geschenkt war, lässt man sich darauf ein, einige Hundert Euro zu investieren um dann ein tadellos funktionierendes Klavier zu besitzen. Im Oktober ist die Arbeit getan. Er mühte sich wirklich sehr ab mit dem Klavier und alle inkl. Klavierlehrer sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Sobald die Heizperiode beginnt, also ein paar Wochen darauf, fangen die ersten Probleme an. Die Mechanik beginnt zu klappern, Stimmnägel werden locker, Der Resonanzboden reisst an allen möglichen Stellen und jede weitere Investition wird in Folge sinnlos.



LG
Klaviermacher
 
Ich spiele bis heute auf einem Klavier von 1917, das bestimmt 10 Jahre lang in einer kalten Garage gelagert wurde. Die ersten Jahre (als meine Ohren noch nicht so anspruchsvoll waren) hab ich auf dem Instrument problemlos gespielt (anfangs sogar ungestimmt - die Aufnahmen aus dieser Zeit tun mit heutzutage in den Ohren richtig weh, so grausig verstimmt wars). Als dann der Stimmer kam, brauchte er ein paar Stimmungen, um das Klavier hochzuziehen. Ganz die 440 Hz hat er nicht mehr erreicht, aber immerhin eine reine Stimmung in sich war möglich, die auch halbwegs (aber nicht ganz optimal) gehalten hat.

Dennoch musste das Klavier dann irgendwann innen ziemlich komplett überarbeitet werden, was dann schon etwas Geld gekostet hat. Im Endeffekt hab ich aber seither ein wunderbares Klavier, welches ich nimmer hergeben würde.

All das natürlich ein Einzelschicksal eines Instruments. Bei deinem Garagenklavier kann das wieder ganz anders aussehen, das müsste wohl ein Fachmann vor Ort mal anschauen.
 
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