Rechtziges loslassen von Tönen

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Werschtfried

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Hallo Leute,

also die Diskussion über das rechtzeige Loslassen der Tasten beim Choralspiel wurde hier schon mehrfach geführt. Trotzdem gibt es einige Fälle, bei denen ich mir bezüglich der korrekten Ausführung unsicher bin. Ich habe zu allen Ausführungen ein kleines Beispiel gemacht (siehe Bild-Anlage).

Beispiele.jpg

Was ich mittlerweile verstanden habe:
1. Bei Atemzeichen wird die Note davor um eine Zählzeit verkürzt. Steht ein Atemzeichen nach einer Note, die nur den Wert einer Zählzeit hat, wird diese um die Hälfte verkürzt. Bei punktierten Noten wird nur ein Drittel abgeschnitten. (Beispiel A)
2. Bei Tonwiederholungen in einer Stimme wird die zu wiederholende Note gekürzt, damit sie neu angeschlagen werden kann. (Beispel B)

Meine Fragen dazu sind:
1. Was ist eingentlich wenn Alt, Tenor oder Bass vor einem Atemzeichen eine Durchgangsnote (in Beispiel C eine nachschlagende Septime) haben? Wird es dann gespielt wie bei D, E, F oder G? (Wobei F ja irgendwie unwahrscheinlich ist)
2. Wie verhält es sich bei Tonwiederholungen, die zwischen den Stimmen verlaufen (Beispiel H)? Das würde man doch nicht überbinden, oder? Würde man das d' auf der Silbe "Haus" verkürzen, wenn Sopran und Alt auf dem selben Manual gespielt würden und anonsten nicht?
3. Zu Primen die aus einer Seitenbewegung entstehen haben ich einen Scan aus der Kaller-Orgelschule beigefügt (Beispiel I). Ist das wirklich richtig? Das c' würde man doch auf dem Klavier neu anschlagen, oder?

Also schon mal vielen Dank an alle, die mir antworten!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wie stark Notenwerte vor Zäsuren verkürzt werden, läßt sich so generell und absolut nicht sagen. Das hängt zum Beispiel auch von der Raumakustik und der Geschwindigkeit ab. Bei deinem Beispiel A würd ich nur minimal kürzen, da das Tempo nicht mehr hergibt und in der nachfolgenden Pause genug Zeit zum Atmen ist. Selbst singend ausprobieren ist jedenfalls besser als starre Regeln anwenden.

Beispiel E kommt sicher der Wahrheit am nächsten, sonst würde man doch die schöne Wirkung des Dominantseptakkordes verschenken.

Das d auf "Haus" muß nochmal angeschlagen werden und nicht/kaum verkürzt werden, um den Melodiefluß der Oberstimme nicht zu unterbrechen.

Kaller kenne ich nicht und weiß nicht den Zweck dieser Übung. Vielleicht schreibt jemand anderes dazu.
 
Bei dem Kaller Beispiel wird erst das c nach dem gebundenen c wieder angeschlagen, weil bei dem c mit dem Sternchen ist das c das auf Schlag eins gespielt wird, noch nicht zu Ende. Insgesamt hält man das erste c von Schlag eins an zwei Schläge und ein 16tel und spielt es erst dann erneut als ein 16tel an. Man schlägt es auch auf dem Klavier nicht neu an. Es ist kein Druckfehler. Das passt schon alles so wie es dasteht.

Viele Grüße
Ida
 
Hallo Ida, hallo klafierspieler,

vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt mir zu antworten. Dass das starre Befolgen von Regeln etwas praxisfern und unmusikalisch ist und die eigentliche Ausführung von vielen anderen Faktoren abhängt, sehe ich genauso. Da ich aber nicht so gut Orgel spielen kann, möchte ich doch gewisse Orientierungshilfen haben damit ich mir keine falschen Sachen angewöhne bzw. die falschen Gewohnheiten wieder abgewöhne. Ich habe übrigens nochmal die Frage zu Beispiel C nach klafierspielers Tipp mitgesungen und finde F am besten (nachschlagende Septime weglassen), weil es meiner Erfahrung nach gerade in katholischen Kirchen wichtig ist, die Töne rechtzeitig loszulassen damit alle noch mit minimaler agogischer Verzögerung wieder einsetzen ohne aber das Metrum und damit den Fluss zu unterbrechen. Man kann ja das c' anstelle des d' spielen, dann ist die Dissonanz nicht durch einen kleinen Sekundschritt sondern durch eine übermäßige Prime (also Chromatik im eigentlichen Sinne) eingeführt, was ebenso korrekt ist. ;-)

Noch mal zum Zweck der Kaller-Übung: Hier geht es um die korrekte Ausführung mehrstimmigen Spiels auf einem Manual mit einer Hand. Nach allem was ich bisher gelernt habe, werden (harmonische) Primen, die aus einer Seitenbewegung heraus entstehen auf dem Klavier eben doch neu angeschlagen. Beim cis-moll-Präludium des Wohltemperierten Klaviers (erster Teil) findet man eine solche Prime in Takt 20 in der linken Hand (Beispiel A).

Beispiel 2.jpg

Jeder Pianist würde das fis in der Mittelstimme, das mit der Unterstimme eine harmonische Prime ergibt und aus einer Seitenbewegung heraus entsteht, neu anschlagen (Beispiel B bzw. Beispiel C auf Klavieren auf denen man nicht gut repetieren kann) und nicht halten (Beispiel D). - Zumindest kennen ich keine einzige Aufnahme, bei der das fis nicht neu angeschlagen wird.

Auf Kallers Übung (Beispiel E) bezogen wäre die korrekte Ausführung auf dem Klavier eben wie in Beispiel F dargestellt (für schlecht repetierende Klaviere Beispiel G) und nicht H.

Deswegen meine Frage, ob es für das Orgelspiel da andere Regeln gibt.
 
Ich würde das nicht so akademisch sehen. Das bekommt man ja kaum gezählt im Eifer des Gefechtes. Die Atemzäsuren sind das wichtigste Mittel um die Gemeinde auf Spur zu halten, danach würde ich dosieren. In 639 würde ich an dieser Stelle nach "Gott, wir loben dich" versuchen, keine Zäsur zu spielen, die nächsten 2 Takte müssten eigentlich auf den gleichen Atem gehen.

Der Kaller-Fall ist problematischer. Es gibt keine "Regel" dafür, "wie man es auf der Orgel macht". Das Repertoire umfasst einen größeren Stilbereich als das Klavierrepertoire, das sollte man heute differenziert sehen. Bei barocker non-legato Technik wäre eher der Fall G) angebracht, das was Kaller mit seiner romantischen legato Schule gerade nicht will. Er hat halt keine historisch differenzierte, sondern eine dogmatische Sicht auf die Dinge gehabt. Ein wichtiger Grund, dieses grauenvolle Heft nicht mehr zu verwenden.

Grüße
Axel
 
Hallo Axel,

danke auch für deine Antwort. Du hast meinen Blick auf die angesprochenn Themen erweitert.

Das Repertoire umfasst einen größeren Stilbereich als das Klavierrepertoire, das sollte man heute differenziert sehen.

Ja, leider wird, zumindest bei den Klavierabenden, die ich bisher besucht habe, außer Bach und Scarlatti fast nur Musik des 19. Jahrhunderts gespielt. Bei Kaller wundert mich, dass dort fast nur Barockmusik gelehrt wird, aber die ganzen Übungen eher auf ein sauberes Legato gerichtet sind.
 
Die historische Aufführungspraxis zeigt an der Orgel seit den 80er Jahren Wirkung, Kaller ist 1938 erschienen. Eben zu einer Zeit, in der man auch barocke Musik in strengem legato spielte.

Nochmal: das Heft gehört in den Kamin. Romantik gibt es bis auf ein Reger-Trio gar nicht, das 20. Jh. ist mit schwachen Komponisten vertreten, selbstverständlich nur deutsche Musik (1938!). Von der chaotischen Methodik gar nicht zu reden. Möglicherweise lernt man irgendwann trotzdem Orgelspielen, das wäre aber auch effektiver und mit mehr Spaß gegangen. Die Kollegen, die danach unterrichten, stellen sich leider selbst nicht das beste Zeugnis aus.

Grüße
Axel
Axel
 

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