Quintenzirkel, Ges und Fis, Wolfsquinte, harmonische, reine Stimmung

Eine Menge interessanter Beiträge. Vielleicht folgende Ergänzungen:
1. Schlage ich vor, den Begriff "glechschwebend" nicht menr zu verwenden. Es gibt keine einzige "gleiche Schwebung" zwischen verschiedenen Intervallen oder Akkorden bei der richtigerweise "gleichstufig" zu benennenden Stimmung.
2. Wichtig sind bei der klangästhetischen Beurteilung mehrstimmiger Musik die aus den Überlagerungen der Originaltöne entstehenden Kombinationstöne. So erklingen bei einem rein stimmenden C-Dur-Akkord nur (tiefe) Kombinationstöne C. Bei einem gleichstufig gestimmten C-Dur dagegen die Kombinationstöne C, H und Cis. Was nicht gerade zum Wohlklang beiträgt. Der Begriff "wohltemperiert" ist somit ein Euphenismus.
3. Zum Teil auch in den bisherigen Beiträgen erwähnt: In qualifizierten Ensembles mit Streichern und/ oder Bläsern sowie in Kammerchören wird eine reine Stimmung angestrebt und wird dem auch meist sehr nahe gekommen. Die entsprechenden Musiker müssen ja nur die Töne der augenblicklichen harmonischen Situation zurechtstimmen.
4. Mit LOGIC von Apple und CUBASE von Steinberg können Musikdateien in reiner Stimmung erstellt werden. Klingt bei Orchestermusik echter und bei Klaviermusik besser.
5. Es gibt sogar schon eine richtige Pfeifenorgel mit dieser Technologie (Hermode Tuning). Eine Revolution im Orgelbau.
6. Auf
***mod*
findet Ihr entsprechende Musikbeispiele. Im Kapitel "Musikalische Stimmung" wird auch sehr anschaulich die Entwicklung der westlichen Stimmungskultur dargestellt. In Grafik und Klangbeispielen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Schade, der Link hätte ich interessiert.
Gibt es eigentlich irgendwo eine Übersicht,bei der Frequenztabelle von verschiedenen historischen Stimmsystemen nebeneinander gestellt sind?
Ich hatte kürzlich das Vergnügen auf zwei historisch gestimmten Instrumenten zu spielen, eins nach Neidhart und eins nach der Silbermann-Sorge-Temperatur gestimmt.
Neidhart klang in c-Moll gar nicht so viel anders als eine moderne Stimmung.
Silbermann-Sorge dagegen sehr wohl.
 
Schade, der Link hätte ich interessiert.

Mich auch.

Gibt es eigentlich irgendwo eine Übersicht,bei der Frequenztabelle von verschiedenen historischen Stimmsystemen nebeneinander gestellt sind?

Hier z.B.:
http://www.instrument-tuner.com/tem...2jm6-F6SKnh8Ar883DKF-1_6Vp-3ak0dJxHrey4R0J_y0

Das ist natürlich eine moderne Zusammenfassung (und gewisse Idealisierung) der historischen Stimmbeschreibungen.
 
5. Es gibt sogar schon eine richtige Pfeifenorgel mit dieser Technologie (Hermode Tuning). Eine Revolution im Orgelbau.

elektronisch:



elektromechanisch:



Grüße
Häretiker

PS:
Statisch konnte das schon z.B. der Yamaha DX7 II von 1987.
Da konnte man die Stimmungen frei programmieren. "Last Christmas" in Werckmeister III ...
 
Zum Teil auch in den bisherigen Beiträgen erwähnt: In qualifizierten Ensembles mit Streichern und/ oder Bläsern sowie in Kammerchören wird eine reine Stimmung angestrebt und wird dem auch meist sehr nahe gekommen. Die entsprechenden Musiker müssen ja nur die Töne der augenblicklichen harmonischen Situation zurechtstimmen.

Ganz so stimmt das nicht. Die Gesetze der Mathematik gelten auch für die allerbesten Ensembles. Nimm als Beispiel den Beginn des Violinkonzertes von Alban Berg - hier werden drei Quinten übereinandergestapelt (die leeren Saiten der Violine). Stimmt man diese Saiten rein, ist die resultierende Sexte (mit zusätzlichem Oktavabstand) g-e'' nicht rein - soll diese Sexte rein sein, sind es die Quinten nicht. Dieses Dilemma lässt sich nicht auflösen.

Ein gutes Ensemble macht im Prinzip nichts anderes, als die in gleichstufiger Stimmung problematischen Terzen konsonanter Dreiklänge möglichst rein zu singen/spielen, vor allem bei länger ausgehaltenen Akkorden. Die Quinten in der gleichstufigen Stimmung sind per se ziemlich gut, da muss man wenig bis nichts anpassen. Ein generelles Problem bleiben aber Sextakkorde - es ist fast unmöglich, diese rein zu singen, weil es beinahe zwangsläufig dazu führt, dass ein Chor entweder steigt oder sinkt. Bei unbegleiteter Chormusik mag das noch tolerierbar sein, aber in Werken mit Orchester- oder Klavierbegleitung, die längere a capella-Abschnitte beinhalten (z.B. Bruckners e-Moll-Messe) führt das unweigerlich in die Katastrophe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo in die Runde und danke für die interessante Fragestellung.

Liege ich richtig in der Annahme, dass eben diese Summe an Obertöne DIE Tonleiter ist, die uns als natürliche im Kopf gespeichert ist, weil eben in der Natur alles so schwingt?

Meiner Meinung nach sind "natürliche" Schwingungen mit ihren Obertönen so interessent, weil sie nicht (sogar in keinem Fall) den idealen mathematisch ermittelbaren (Obertönen) entsprechen. Aufgrund dieser immer vorhandenen Inharmonizität (berühmtes Beispiel ist der Glockenklang) gibt es meiner Meinung nach nicht "die eine richtige" Tonleiter, die daraus ableitbar ist.

Ich denke, es ist eine Frage der Gewohnheit und der kulturellen Geschichte.

Viele Grüße!
tom
 
Zuerst einmal der Link nachgetragen. Ist mittlerweile erlaubt, weil "nicht-kommerziell". Also:
www.hermode.com

Dann zu mick:
Stimmt man diese Saiten rein, ist die resultierende Sexte (mit zusätzlichem Oktavabstand) g-e'' nicht rein - soll diese Sexte rein sein, sind es die Quinten nicht. Dieses Dilemma lässt sich nicht auflösen.
Stimmt zwar, aber nur, wenn man auf der G-Saite und der E-Saite gleichzeitig spielt. Was nicht ganz einfach ist. Richtig ist auf jeden Fall, dass man nur eine begrenzte Anzahl Töne zueinander rein stimmen kann und manchmal sich fragen muss: "quintenrein" oder "terzenrein"? Für Normalmusiker stellt sich diese Frage kaum, die intonieren in solchen Fällen eher "irgendwie temperiert" und der Hermode-Tuning Algorithmus, welcher solche Fälle erkennt, entscheidet je nach Zweckmäßigkeit (worunter möglichst unauffällige melodische Fortführeung zu verstehen ist), unterschiedlich.

Ein generelles Problem bleiben aber Sextakkorde - es ist fast unmöglich, diese rein zu singen, weil es beinahe zwangsläufig dazu führt, dass ein Chor entweder steigt oder sinkt. Bei unbegleiteter Chormusik mag das noch tolerierbar sein,aber in Werken mit Orchester- oder Klavierbegleitung, die längere a capella-Abschnitte beinhalten (z.B. Bruckners e-Moll-Messe) führt das unweigerlich in die Katastrophe.
Sollte wohl heissen: "Sextakkorde soll man ncht rein singen, weil es zu Katastrophen führen kann". Also, Sextakkorde sind für gut geschulte Chöre kein Problem, diese rein zu singen. Richtig ist, dass bestimmte harmonische Wendungen wie die Kadenz C-F-d(oder dm7)-G(oder G7)-C das Stimmungsnivau um 22 Cent nach unten driften lassen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Der Chor singt präzise quinten- und terzenrein/ Die Folgenoten werden, wenn identisch, genau gleich hoch intoniert. Da das meist nicht so unbedingt zutrifft, ist der Abdrift meist geringer. Ich habe das, im Orchester sitzend, ab und zu miterlebt, aber sobald Orchester und/oder Orgel wieder dazu kamen, hat sich der Chor sofort wieder angepasst. Ich behaupte: Die Zuhörer haben das nie oder kaum mitgekriegt. Ich glaube, nicht einmal immer alle Chormitglieder oder der Dirigent.
Hermode Tuning hat es da einfacher: Es arbeitet von Akkord zu Akkord unauffällig dem Abdrift entgegen, so dass am Ende der Kadenz das Stimmungsniveau kaum gesunken ist. Das könnte ein Chor auch tun, wenn er geschult wäre, das ursprüngliche Stimmungsniveau im Hinterkopf zu behalten. Aber das dürfte arg schwierig sein.
 

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