Hans-Joachim Rotzsch, Peter Schreier und Hermann Christian Polster hatten mindestens zwei Gemeinsamkeiten: Sie erhielten ihre Gesangsausbildung bei Fritz Polster und musizierten vielfach mit den renommierten Chören unter der Leitung der Brüder Erhard und Rudolf Mauersberger zusammen.
Man stelle sich eine Aufführung der Lehár-Operette "Paganini" vor: Die solistischen Einlagen auf der Violine erklingen nicht etwa aus dem Orchestergraben, während der Solist auf der Bühne lediglich mit markierenden Spielbewegungen agiert - nein, der Solotenor agiert in einer sehr anspruchsvollen Doppelfunktion und spielt das Violinsolo selbst! Peter Schreier singt und spielt Peter Schreier, wenn man so will, faszinierende Vorstellung! Das wäre dann doch zu schön gewesen, gab und gibt es aber. Da war der Darsteller des Niccolò Paganini im Frühstadium seiner Sängerlaufbahn bereits mit abgeschlossenem Violinstudium als Konzertmeister eines Orchesters aktiv und imstande, die Instrumentalpartie ebenso überzeugend zu gestalten. Selten, aber alles schon mal dagewesen.
Für viele Bürger der DDR in den späten 1980ern kaum zu ertragen, durchaus nachvollziehbar. Zum einen liegt es in der Natur der Sache, dass sich viele Künstler mit den politischen Rahmenbedingungen mehr oder weniger arrangieren, um ihren Beruf der Sache dienlich ausüben zu können. Zum anderen waren viele der auch etwa in Westeuropa und Amerika tätigen "Vorzeigekünstler" der DDR etlichen Repressalien, Einschränkungen und Druckmitteln nicht so ausgesetzt wie der im eigenen Lande lebende und bleibende Staatsangehörige mit bürgerlichem Beruf. Dazu leisteten viele Kulturschaffende in der DDR in Chören, Orchestern oder auch in den Bereichen Jazz und Popularmusik Großartiges auf absolut international konkurrenzfähigem Leistungsniveau. Handwerklich und künstlerisch erstklassig ausgebildet wurde dort der Nachwuchs, der zur Berufsausübung erst mal hohe Qualität unter Beweis zu stellen hatte. Dass man sich ideologische Verirrungen abseits der Lebensrealität der Menschen auf den Müllhaufen der Geschichte wünscht mitsamt allem in Verblendung begangenem Unrecht und Leid, ist absolut nachvollziehbar. Die beeindruckenden künstlerischen Leistungen und erlangten fachlichen Kompetenzen gleich mit hinterher zu werfen ist aber nicht minder fragwürdig. Beides ist nun mal nicht klar voneinander abgrenzbar. Die Zusammenführung zweier unterschiedlicher deutscher Staaten mit dem einzig wahren richtigen Einigungstempo zu vollziehen war mit der Quadratur des Kreises vergleichbar. Und nein, mit meiner Westbiographie habe ich keine Veranlassung, an der DDR irgendetwas schön zu reden.
LG von Rheinkultur