Ausschnitte aus der Rede zu meiner musikalischen Verabschiedung als Kantor
im Jahre 2007:
Damit das Singen recht gut gelingt, unterstützt die Königin der Instrumente, die Orgel, den Gesang. Das geschieht mit Händen und Füßen. Davon möchte ich heute erzählen. Nicht jede Art von Schuhwerk eignet sich zum Pedalspiel. Der Kantor besitzt Orgelschuhe. Aber niemand macht sich ernstlich Gedanken, was solche, für spezielles Treten ausgesuchte Schuhe im Laufe einer Dienstzeit mitmachen:
Ein Beispiel: An einem Sa. (1997) nach dem Üben für den GD sah ich mir die Orgelschuhe einmal näher an und meinte, ein Orgelspiel zum Lobe Gottes mit derartigen Schuhen ist unwürdig. Es fehlte der Putz, die Schuhcreme und einige Teilchen wollten sich vom Schuh lösen. Also, nach Jahren einmal mit nach Hause nehmen und den alten Glanz wieder herstellen.
Aber am nächsten Morgen, am So, hatte ich zum Glück genügend Zeit zum Einspielen, suchte ich an der Orgel meine Schuhe. Die standen doch immer hier. Habe ich sie in oder neben die Orgel gestellt? – Was nun? Sollte ich in meinen Straßenschuhe zu spielen, auch auf die Gefahr hin einen Pedalton daneben zu treten? Oder, wie ein Gastorganist einmal seine Schuhe vergaß, einfach nur mit Socken zu spielen? Das wiederum wollte ich den Pedaltasten nicht antun. Also suchen! Zunächst meine Frage an den Küster, ob er etwa – aber was sollte er mit Orgelschuhen auch anfangen? Ohne Ergebnis. - Jetzt kam die erste Erinnerung, ich wollte sie doch mit nach Hause nehmen zur Verschönerung. Anruf zu Hause – ohne Ergebnis. Weiter erinnerte ich mich, die Schuhe nahm ich doch mit – und stellt sie auf das Autodach – musste aber noch schnell ins Pfarrhaus zum Notenschrank. Die Schuh-Verschönerungs-Idee war vergessen. - Auf dem Autodach – da muss ich wohl Abschied nehmen von meinen langjährigen Orgelschuhen? Am Sa fuhr in glücklicherweise ohne Umwege nach Hause, so konnte ich die Route, soweit es die Zeit bis zum GD erlaubte, doch einmal ablaufen.
Welche Freude, beim Abbiegen von der Einbahnstraße zur Marktstraße lag einer. Damals, vor der Straßensanierung zwar in einem Häufchen Sand und auch mit deutlichen Reifenspuren verschiedener Autos. Ob die eingedrückten Profile von Zwei- oder Viertaktern, mit oder ohne Anhängern stammten, konnte ich nicht erkennen.
Wenn ich einen gefunden habe, dann müsste sich der zweite sich auch finden. Auf der Marktstraße parkten auf der rechten Seite Autos. Ob mein Schuh unter einem lag? Ich vergewisserte mich, ob mich niemand beobachtete dann bückte ich mich und suchte unter jedem Auto. Ohne Erfolg. Marktplatz, mit dem Bücken und Suchen unter den Autos war ich dort noch vorsichtiger. Ohne Erfolg. Na, bis Topfmarkt wollte ich gehen. Hat ein ordnungsliebender Anwohner meinen wertvollen Schuh gar entsorgt oder übermütige Personen ihn als Fußball benutzt?
Vor den Stufen der Videothek sah ich etwas Schwarzes liegen, ob es vielleicht ...? Ja, er war es und nicht mit Reifenspuren versehen. Zurück zur Kirche – glücklich. Aber zum Treten, nein, möglicherweise hätten sich meine Füße noch verformt.
Nach dem GD nahm ich die Schuhe behutsam in einem Beutel mit in das Auto. Sie wurden liebevoll gepflegt, so dass sie bis heute ihren Tretedienst versehen.
Sogar ein Choral hat etwas für die Orgelschuhe übrig, heißt es doch so schön: Nun lasst uns gehen und treten.
Ergänzung:
Nach der Verabschiedung trafen wir uns in unserer Wohnung. Ein Kantor-Kollege war auch dabei, er meinte: „Wenn du in der ganzen Zeit bloß ein Paar Orgelschuhe gehabt hast, da haste nicht viel geübt“.
www.dieter-gocht.de (Kantor i. R.)