Operninszenierungen: Hinweise, Empfehlungen und Kritik

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Ambros_Langleb

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Dankenswerterweise haben die Moderator*innen den Wunsch nach Einrichtung eines eigenen Opernforums bei der hohen Direktion durchsetzen können - in einer auf alle Vokalgattungen erweiterter Form. Herzlichen Dank dafür!

Damit dieser Platz nicht allzulange leer bleibt, verlinke ich einstweilen meinen Bereicht von meinem jüngsten Opernkino-Erlebnis hier.

Es wäre schön, wenn alle Opernfreunde in Zukunft hier schreiben könnten, damit der etwas unglückselige "Mögt Ihr Oper?" - Faden ausklingt.
 
Auch derzeit Semperoper: "Tosca". Die Inszenierung soll großartig sein und gut zu den Sängern passen.

Der diesbezüglichen Schwierigkeiten bin ich mir bewusst. ABER trotzdem ist es suboptimal, wenn Scarpia von einem extrem attraktiven und stimmstarken BB dargestellt wird und Cavaradossi von einem dicklichen und hässlichen Tenor mit mickriger Stimme. Grausam aber wahr...

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In meiner Jugend war ich ein weit und viel reisender Opernfan, und die Welt der Oper übte die allergrößte Faszination auf mich aus. Irgendwo im Hinterkopf lief immer ein kleiner Film ab, wie ich selbst die Oper inszenieren würde. :herz:

Die Inszenierung sollte sich als zusätzliches Stilmittel ins Werk einpassen. Wie die Inszenierung konkret gestaltet ist (Kostüme/Bühnenbild), darf durchaus unorthodox sein, aber es muss dem Wesen nach passen. Es ist die Personenführung bzw. die Interaktion der Sänger im gegebenen Bühnenbild, die langweilig oder faszinierend ist. (Ja, mir ist bewusst, dass eine ausgefeilte Personenführung nur möglich ist, wenn es mehrere Proben gibt. Wenn für Einzelvorstellung eingeflogene Stars recht statisch agieren, dafür aber großartige Stimmen erschallen lassen, sehe ich über eine oft damit verbundene Statik gern hinweg)

Der Chéreau-Ring oder der Kupfer-Ring in Bayreuth oder Götz Friedrich in Berlin beispielsweise waren unorthodox, aber passend. Was Ruth Berghaus in Frankfurt machte, habe ich als störend symbolistisch-überfrachtet empfunden, war aber immerhin durchdacht (Fricka auf schiefer Ebene mit dem Stuhl drohend :lol: entbehrte nicht einer unfreiwilligen Komik, und man muss schon um mindestens eine Ecke herum grübeln, um darin das "Gesetz" herauszuinterpretieren). Der Ring in Strasbourg (~ 1988) hingegen gibt mir bis heute das irritierte Rätsel auf – sorry – ob dort überhaupt Sinn gestiftet wurde (Wotans Monolog in der Badewanne im Schaumbad, ich sehe es heute noch vor mir :schweigen: – ob er sich wohl reinwaschen wollte? Albern.) Was ich nicht sehen kann, sind die fast schon obligatorischen Nazis (unglaublich, in welchen Opern eine Zeit lang Nazis zugegen waren, von Fidelio bis Tosca). :müde:Eine inspirierende, dynamische Inszenierung von "La Clemenzia di Tito" habe ich mal in (glaube ich) Wiesbaden gesehen.

Ich habe die Personenführung in meiner Phantasie immer ergänzt. Hachja. *nostalgischseufz*
 
es gibt auch mancherlei fürs "Heimkino" mittlerweile :-):drink:

Den Jahrhundertring erhält man auf DVD, musikalisch spitze, tolle Inszenierung

Wer sich an konventionellem Plüschtheater nicht stört und prima Stimmen hören will, kann sich dito auf DVD die Aida aus der Scala gönnen (Pavarotti, Chiara!!)

@Barratt originell in Stuttgart vor beinahe 20 Jahren ein Don Carlo ohne Nazis, aber dafür mit quasi rumänischen Securidadkostümen als Inquisition - Filmaufnahmen davon sind mir nicht bekannt.
 
Auch derzeit Semperoper: "Tosca". Die Inszenierung soll großartig sein und gut zu den Sängern passen

Ich bin Tosca geschädigt aufgrund schlechter Erlebnisse. Aber vielleicht, wer weiß......

In meiner Jugend war ich ein weit und viel reisender Opernfan, und die Welt der Oper übte die allergrößte Faszination auf mich aus

Das kann ich gut nachvollziehen. Ich habe sogar damals ein paar Leute in die Welt der Oper eingeführt, die gar nix damit am Hut hatten, indem ich sie v.a. ab und zu in meine "Hausoper" verschleppte. Heute sind sie aktives Mitglied eines Fördervereins der Oper einer Bundeslandeshauptstadt.

Und, großes Glück, ich habe bis heute jemanden an meiner Seite, der (die :002: ) auf der gleichen Welle funkt. :super::herz:
 
Ja die Semperoper ist für mich ein Stichwort für ein Erlebnis der besonderen Art. Bei unserem allerersten Besuch in Dresden sind wir in der Frauenkirche in den Gottesdienst zur Feier des zehnjährige Jahrestages nach der Wiedereröffnung geraten. Eine schöne Überraschung.
Ergriffen von dieser besonderen Feierstunde mit sehr viel schöner und ergreifender Musik in einem so edlen Rahmen, sind wir durch diese herrliche Stadt spaziert.
An der Semperoper angekommen erfahren wir, dass in einer Stunde eine Frühvorstellung beginnt, und dann wurde die Oper, die unser Glück noch gesteigert hat, " La Boheme ". gespielt.
Karten waren auch noch zu bekommen.
Glück im Überfluss.

Eine Musik, zum dahinfließen schön, in einem Tempel der Musik.
So, jetzt hör ich auf, sonst schwärme ich auch noch von Leipzig.
:-)
 
Ich habe letztens Lucia di Lamamoor in der Grazer Oper gesehen.
Ausgangspunkt für die Inszenierung ist die seinerzeitige - ich sag mal - Faszination für die "Hysterie" bei Frauen. Die gesamte Inszenierung ist in einem Krankenhaus/einer psychiatrischen Abteilung angesiedelt. Das Bühnenbild besteht aus einer Hörsalgalerie, wie sie irgendwann in die Krankenhäuser Einzug gehalten haben. Ärzte haben da vor Kollegenschaft und anscheinend auch vor interessierten Kreisen aus Kunst und Society Vorträge gehalten und wohl auch die Patienten als Anschauungsobjekt vorgeführt. Die Inszenierung greift diese Mischung aus Wissenschaft und Voyeurismus und historisch belegte Behandlungsansätze und Experimente auf (u.a. künstliches Herbeiführen von "Hysterie"-Anfällen). Das Geschehen spielt sich zum Teil im Auditorium ab, zum Teil dahinter. Die Bühne dreht sich, von hinten wirkt das Auditorium wie die Außenansicht vieler Stadien, was den Voyeurismus-Effekt noch mehr betont. Insgesamt fand ich das Konzept durchaus stimmig, vor allem in der Wahnsinns-Arie kommt das Zurückweichen der Society vor der armen Lucia in einer Mischung aus Abscheu und Faszination visuell sehr gut zur Geltung. Auch Intrige und Machtmissbrauch passen in dieses Setting gut hinein. Im ersten Akt wird zur Etablierung dieses Settings ziemlich dick aufgetragen: die Patientinnen werden entkleidet und mit einem Wasserschlauch abgespült. Da haben ein paar ältere Zuschauer die Vorstellung verlassen. Ich fand das auch ziemlich grenzwertig. Mehr noch als die Abtreibung, die Enrico offenbar an Lucia zwangsweise vollführt. Dafür wird einiges an Bühnenblut eingesetzt, sehr intensiv auf dem weißen Kittel, den Lucia trägt, ebenso wie dann später, nachdem Sie Arturo getötet hat. Musikalisch fand ich es ganz toll. Ein sehr bewegender Abend.
 
Ich bin Tosca geschädigt aufgrund schlechter Erlebnisse.

Ich würde sagen, dass Tosca die einzige Oper des Maestro ist, die tatsächlich eine tragische Handlung hat. Butterfly und Boheme kratzen arg an der Grenze zum kitschigen Rührstück und auch Turandot hat durch die Hinzuerfindung der Liù einen Stich ins Kitschige bekommen.
 

Die gesamte Inszenierung ist in einem Krankenhaus/einer psychiatrischen Abteilung angesiedelt. Das Bühnenbild besteht aus einer Hörsalgalerie, wie sie irgendwann in die Krankenhäuser Einzug gehalten haben.
@Gernot die Idee, eine Opernhandlung ins Krankenhaus zu verlegen, beschränkt sich nicht einzig auf die naheliegende Lucia (samt ihrer Wahnsinnsarie) - G. Herheim hatte den Parsifal mal als Fiebertraum des Amfortas im Krankenbett einer Klinik inszeniert.
 
Butterfly und Boheme kratzen arg an der Grenze zum kitschigen Rührstück und auch Turandot hat durch die Hinzuerfindung der Liù einen Stich ins Kitschige bekommen

Da kommt es umso mehr auf gute Regie und passende Sänger an. Eine Gratwanderung.
(Ich habe vor Jahren mal den Brief eines Regisseurs eines großen Opernhauses an einen Kollegen gelesen, in dem er händeringend um Tipps bat, weil ihm vor dem "Rührstück" Butterfly graute, das er zu inszenieren hatte....:005:)
 
Ich wollte schon länger mal ganz banausenhaft nachfragen: @rolf welche Inszenierung/Aufnahme ist für Dich der "Jahrhundertring"?
 
Danke. Dann werde ich beizeiten mal gucken. Mit dem Ring habe ich's ja bis jetzt noch nicht so. Aber früher mochte ich Wagner gar nicht, mit Ausnahme des Holländers. Mittlerweile habe ich mir auch Lohnengrin schon ein paarmal angesehen. Und die Meistersinger finde ich großartig. Kommt Zeit, kommt Ring ;-)
 

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