Ohne Musik – was denken die eigentlich?

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Liebe Clavios,

zu den schwierigsten Fragen, die man sich als Mensch stellen kann gehört wohl die, was in anderer Leute Köpfen vorgehen mag. Und die Antwort ist wohl immer: Letztlich weiß man es nicht.

Vielleicht gehört ihr wie ich zu denen, in denen quasi ständig Musik „spielt“. Man stellt sich Musik vor, mal nur halb bewusst und so nebenbei, manchmal bis zu einem intensiven Erlebnis. Mein Professor nannte es „imaginieren“.

Dass ohne Musik die Welt nicht existieren könne, ist eine Idee, die auf Plato zurückgeht, der die Sphärenharmonie als omnipräsent bezeichnete, wenngleich er aus Gründen der Glaubwürdigkeit anfügte, dass diese für den Menschen unhörbar sei. Die Idee findet sich aber immer wieder in der Literatur, und so lässt Molière seinen Maître de musique im „Bourgeois gentilhomme“ sagen: „Sans la musique un État ne peut subsister“ (Ohne Musik kann ein Staat nicht bestehen), eine Vorstellung wiederum, die sein Arbeitgeber Ludwig XIV. in Verbindung im Ballett höchstselbst verkörperte, wenn er die Sonne darstellte, die von den Gestirnen umkreist wird.

Worauf ich hinauswill: Ist es nicht eine immanente (potenzielle) Fähigkeit der Musik, die Menschen zu sozialen Wesen zu machen, das heißt zu Wesen, die einen Platz in der Gesellschaft finden und einnehmen können? Wir suchen die Harmonie der Musik wie die des Lebens. Musik beeinflusst unser Denken, also unser Gehirn und damit unser Verhalten. Kinder lernen mit der Musik das gemeinsame Musizieren. Eine hochkomplexe Fähigkeit.

Kann sich jemand vorstellen, was in Köpfen ohne Musik vorgeht? Worte? :confused:

Es grüßt
Die Drahtkommode
 
Kann sich jemand vorstellen, was in Köpfen ohne Musik vorgeht? Worte? :confused:

Liebe Drahtkommode,

ich behaupte mal frech, dass es das nicht gibt. :) Es gibt so viele Rituale mit Musik, da wird für jeden etwas dabei sein:

- Fußball

- Einschlafrituale als Baby/Kind (summen, Gute-Nacht-Lieder)

- Kirche/Religion

- Tanz

- Volksmusik

- Sauflieder bzw. das Gegröle bei 2 Promille :p

- Vereinslieder

- Schützenfeste/überhaupt Feste

- Filme

- Geburtstagslieder

........................................................


Ich glaube, es gibt keine Kultur, in der keine Musik gemacht wird/wurde. Falls doch, lass ich mich gern belehren. :)

Liebe Grüße

chiarina
 
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Kann sich jemand vorstellen, was in Köpfen ohne Musik vorgeht? Worte?
Geräusche...die Musik der Natur. :) Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der Ursprung des Musizierens im Nachahmen von Tierlauten bestand.

Ist es nicht eine immanente (potenzielle) Fähigkeit der Musik, die Menschen zu sozialen Wesen zu machen, das heißt zu Wesen, die einen Platz in der Gesellschaft finden und einnehmen können?
Ich denke, Menschen (und auch viele Tiere) sind von Grund auf sozial und die Grenzen zwischen Sprechen/Laute von sich geben und Singen verschwimmen. Musik ist für mich eine Art (von vielen) der Kommunikation, welche soziale Wesen ausmacht.
 
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Kann sich jemand vorstellen, was in Köpfen ohne Musik vorgeht? Worte? :confused:

Es grüßt
Die Drahtkommode

Bilder, bewegte Bilder (Filme, sogar Tonfilme),
Phantasievorstellungen (theoretische Abläufe, (un)realistische Vorstellungen von allem denkbar Möglichen)

Nein, im Ernst? :D
Das Hirn ist doch so mit der ständigen Steuerung des Apparates und der Verarbeitung der Sinneseindrücke beschäftigt - was soll da sonst noch vorgehen? ;)

Gruß cm
 
Hallo,

ich würde nicht so idealistisch-romantisch mit dem Begriff der Musik umgehen und einfach so sagen, dass sie es möglich mache, dass jeder seinen Platz in der Welt finden könne, so als wären wir alle in dem Maße privilegiert, dass wir ganz aus uns selbst heraus die Entscheidung treffen könnten, in welchen Sphären der Musik wir uns bewegten. Nicht übersehen darf man, wie ich finde, dass dies immer eine Sache der Sozialisation, der ökonomischen Verhältnisse sowie der Akkulturisierung ist. Dass also jemand lieber Hip Hop hört als klassische Musik, das liegt wohl in der Regel nicht daran, dass er aus Vernunftgründen entschieden hat, dass Hip Hop die objektiv bessere Musik sei; — ich finde also, dass das Verhältnis gerade umgekehrt ist: nicht finden wir durch Musik unseren Platz in der Welt, sondern wir gelangen zumeist durch unseren Platz in der Welt zu einer ganz bestimmten Art von Musik.

Schon Platon beschreibt im Staat eine disziplinierende Aufgabe der Musik; sie soll den Menschen zur Tüchtigkeit antreiben und ihm "Trunkenheit, Verweichlichung und Schlaffheit" versagen. Mindestens in der Militär- und Repräsentationsmusik aller sowie in der Kulturpolitik insbesondere der totalitären Staaten des 20. Jahrhunderts findet man diese Forderungen in gewisser Weise verwirklicht. Und wenn ich mir die heutige Popmusik ansehe und anhöre, die also vor allem die Triebbedürftigkeit der Menschen aufs Äußerste bedient und die vor allem von ganz und gar ökonomischer Bedeutung ist, so stelle ich mir auch dabei die Idee vor, die Menschen in gewisser Weise zusammenzufassen und nach den Bedürfnissen der herrschenden Verhältnisse auszurichten.
Weiterhin muss man einsehen, wie ich denke, dass es immer die gesellschaftlichen Verhältnisse gewesen sind, welche die zu ihrer jeweiligen Zeit etablierte Musik überhaupt hervorgebracht haben. Dass das Mittelalter eine so gestrenge Kirchenmusik fordert hat und noch keine "Stars" kennt, und dass sich der Komponist erst zum 19. Jahrhundert hin wirklich als herausragendes Subjekt konstituiert, ist ja kein Zufall und keine Willkür, sondern Ausdruck des Wandels von der Stände- zur bürgerlichen Gesellschaft.

Gerade durch die Belagerungsmaschinerie der Kulturindustrie ist Musik ein so totaler Bestandteil auch des Lebens desjenigen, der gar kein eigenes Bestreben hat, sich ihr explizit zu widmen, denn sie wird in allen Situationen, beim Einkaufen, in der Werbung, überhaupt im Fernsehen und im Radio und weiß der Teufel, wo noch, in unser Bewusstsein katapultiert.

Allein daher lässt sich die Frage, was die Welt ohne Musik ausmachte, nicht beantworten, denn es ist für uns schlicht undenkbar, was wäre, wenn...

Wohl wissend, die Fragestellung nur berührt, allerdings nicht gänzlich bedient zu haben, entsende ich herzliche Grüße!
 
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Worauf ich hinauswill: Ist es nicht eine immanente (potenzielle) Fähigkeit der Musik, die Menschen zu sozialen Wesen zu machen, das heißt zu Wesen, die einen Platz in der Gesellschaft finden und einnehmen können? Wir suchen die Harmonie der Musik wie die des Lebens. Musik beeinflusst unser Denken, also unser Gehirn und damit unser Verhalten. Kinder lernen mit der Musik das gemeinsame Musizieren. Eine hochkomplexe Fähigkeit.

Kann sich jemand vorstellen, was in Köpfen ohne Musik vorgeht? Worte? :confused:

Im Kopf eines musikalischen Laien -wie ich einer bin- könnte bei der Lektüre solcher und ähnlicher Überlegungen der Gedanke umgehen, daß Musiker gelegentlich dazu neigen, Ihre eigene Disziplin maßlos zu überschätzen.
 
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Worauf ich hinauswill: Ist es nicht eine immanente (potenzielle) Fähigkeit der Musik, die Menschen zu sozialen Wesen zu machen, das heißt zu Wesen, die einen Platz in der Gesellschaft finden und einnehmen können? Wir suchen die Harmonie der Musik wie die des Lebens. Musik beeinflusst unser Denken, also unser Gehirn und damit unser Verhalten. Kinder lernen mit der Musik das gemeinsame Musizieren. Eine hochkomplexe Fähigkeit.

Kann sich jemand vorstellen, was in Köpfen ohne Musik vorgeht? Worte? :confused:

Dies ist sicherlich ein (idealisierter?) Aspekt aus einer Vielzahl von Funktionen, die Musik seit Menschengedenken einzunehmen scheint. Es gibt dabei bisher keine validen Erkenntnisse darüber, wie Musik in unsere Köpfe kommt, und aus welchem Grund sie so wichtig zu sein scheint. Oliver Sacks zitiert hierzu in seinem Buch "Der einarmige Pianist" den Psychiater Antony Storr: Musik...hebe die Lebensgeister und sei ein Belohnungswert an sich....sie lenke die Aufmerksamkeit auf verdrängte Gedanken und habe daher möglicherweise die gleiche Funktion wie Träume.

Fakt ist: Musik kann viel bewirken, positives wie negatives, wird daher auch häufig instrumentalisiert, ist also durchaus u.a. mit daran beteiligt, uns zu einem sozialen Menschen zu machen, kann auf der anderen Seite aber auch zu Gruppenbildung und Ausschluss aus eben diesen Gruppen führen. Musik wirkt in vielfältiger Art und Weise auf das Individuum und die Gesellschaft, wird aber umgekehrt selbst von diesen beeinflusst. Beispiele wurden bereits genannt, sie würden hier den Rahmen sprengen.

Unterscheiden sollte man in Überlegungen zur Funktion der Musik aktives Musizieren oder Tanzen vom passiven Zuhören, auch scheint die Ausprägung, mit denen Menschen von Musik beeinflusst werden, sehr individuell zu sein. Manche spulen mühelos ganze Sinfonien im Kopf ab während andere nicht in der Lage sind, Tonhöhen voneinander zu unterscheiden und damit Musik lediglich als unerträglichen Lärm empfinden. Letztere dürften dann aber wenigstens nicht von einem Ohrwurm von wichtigen Gedanken (Worte, Filme, Bilder, Strukturen) abgelenkt werden.;)
 
Vielen Dank für Eure Gedanken, es ist mir klar, dass mein Posting sehr subjektiv ist – ganz aus einer persönlichen Empfindung heraus. Allein die Begriffe Musik und Harmonie ließen sich jeweils anders definieren, nach Kultur, Epoche und Individuum etc. Und dann steht da der große Bereich der "Gebrauchsmusik", denn die "reine Kunstmusik" macht einen sehr geringen Anteil an allem aus. Und die Frage nach Köpfen ohne Musik bezog sich eher auf Individuen als auf eine Welt ohne Musik, denn die ist ja nicht denkbar ;-)

Es grüßt
Die Drahtkommode
 

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