Sehr vieles andere in seinem Buch ist jedoch zum Teil kaum verständliches Gelaber über angebliche 3 Grundtypen (statisch, ekstatisch, expansiv) mit angeblichen 3 dazugehörigen Technik-Ansätzen. Man muss es ihm nachsehen -
Ich möchte da vorsichtig widersprechen!
Ich habe zu viele extrem unterschiedliche Pianisten gehört (und auch unterrichtet) um noch an eine allgemeinverbindliche "Technik" zu glauben.
In der Tat ist der Schreibstil von Herrn Martienssen sehr gewöhnungsbedürftig und die Begrifflichkeit etwas angejährt. Aber der Schritt, den Martienssen hier vollzogen hat, nämlich anzuerkennen, dass es verschiedene Wege nach Rom gibt und nicht nur seine allein seeligmachende Methode (sic!) ist im Umfeld der damaligen Szene sehr tolerant und an sich positiv.
Daneben habe ich es immer ganz nett und auch nützlich gefunden für Schüler und bei der Betrachtung und Beschreibung von Pianisten diese Typen als Tendenz zu verwenden.
Dabei sind die Begriffe 'statisch, extatisch und expansiv' m. E. wirklich unbrauchbar.
Aber dass es Pianisten gibt, die eher von der Fingeraktivität ausgehend spielen (Horowitz, französische Schule [Cortot, Casadesus, ...], Perahia, viele Pianisten aus Asien) und solche, die eher vom der Aktivität des 'Hinterlandes' ausgehen (Gilels, russische Schule, ...) ist wohl kaum abzustreiten.
(Die merkwürdige und etwas hilflose Idee des expansiven Stils war der Tatsache geschuldet, dass Martienssen die singuläre Gestalt Busonis nicht zuordnen konnte).
Fast alle guten Pianisten verkörpern natürlich Mischformen!
Irgendein Methodiker (ich habe den Namen erfolgreich vergessen!) ging dann noch viel weiter und verlangte, dass man die Pianisten wie die Sänger bereits in der Ausbildung nach Fächern einteilen sollte und deren Repertoire dann entsprechend einseitig gestaltet sein sollte, sozusagen der/die Dramatische spielt nur die großen Bekenntnis-Werke von op. 111 aufwärts und die/der Soubrette nur nette leichte Werke wie Mendelssohn LoW. Das ist spielverderberischer Quatsch.
Zur Groborientierung:
Statischer (besser klassischer) Stil: eher Fingeraktivität, leichtere Tongebung, Perfektion, Präzision, ...
Extatischer (besser romantischer) Stil: eher Gewichtstechnik, massiverer Klang, nicht so perfektionistisch, Ausdruck, cantabile, ...
Zwischen diesen Polen lassen sich Pianisten ganz gut einordnen und vielleicht sogar eigene Präferenzen (beim Hören und Spielen) besser verstehen.
Dass man dennoch beim Unterrichten isolierte Fingeraktivität meiden sollte (schon aus gesundheitlichen Gründen wie Überlastungsfolgen bei [fast!] ausschließlicher Fingeraktivität) versteht sich hoffentlich von selbst!