"Konzertklavier" - was ist das?

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15. Dez. 2009
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Hallo an alle.

In einem anderen Faden wurde gerade beiläufig die Frage nach der genauen Definition eines Konzertklavieres gegeben. Da dieser Begriff sehr häufig gebraucht wird, lohnt es sich wohl, ihm einen eigenen Faden zu widmen.

Ein paar Eckdaten gebe ich, sozusagen als Gedankenraster:

- Konzertklaviere sind unter den aufrechten Klavieren die Flaggschiffe der Klavierhersteller.

- Konzertklaviere sind groß, typischerweise 130 cm und höher.

- Konzertklaviere, im Sinne der Flaggschiffe (siehe oben), waren anfangs des 20. Jahrhunderts oftmals daran zu erkennen, dass sie 88 Tasten hatten, und nicht 85 wie die meisten anderen.

- Konzertklaviere galten etwa 50 Jahre lang, so von 1880 bis 1930, als das Nonplusultra des Erstrebenswerten. Je größer sie waren, desto mehr prestigeträchtige Faszination lösten sie aus.

- Etwa ab 1930 kippte diese Mode um. Wiederum ca. 50 Jahre beherrschten Kleinklaviere den Markt. Sie konnten gar nicht klein genug sein. Als wollten die Hersteller sagen "Bittebitte, kauft doch unser Klavier, wir machen es auch so klein dass ihr es fast nicht sehen könnt neben eurem Röhrenradio, Plattenschrank und Fernseher." Auch in dieser Zeit gab es anerkannte Konzertklaviere, die waren dann aber nur ca. 120 cm hoch.

- Konzertklaviere waren schon immer genau das nicht, was ihr Name verspricht. Denn je größer ein Klavier ist, umso weniger ist es konzerttauglich - weil es dafür auch möglichst mobil sein sollte und zugleich dem Pianisten die Korrespondenz mit Orchester und Dirigent ermöglichen sollte. Insofern wuurde bislang ein echtes konzertantes Klavier wohl bislang noch nie gebaut. Es müsste die klanglich-technischen Kapazitäten eines 150-cm-Klavieres haben und dürfte allerhöchstens 120 cm hoch sein, besser aber 115.

- Der Begriff "Konzertklavier" wird in letzter Zeit auch gern zum Anpreisen mittelgroßer und niederpreisiger Massenprodukte verwendet. Hört sich gut an. Das Wort, meine ich. Ob's zum jeweiligen Instrument passt, ist eine andere Frage.

Was gibt's noch?

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Hallo Martin,

finde ich sehr interessant, was Du schreibst, vor allem was die Größe in Verbindung mit der Konzerttauglichkeit betrifft.

Ich als Laie dachte mir immer, dass Konzertklaviere das Nonplusultra sind, weil sie sehr belastbar, groß, klanggewaltig und bei Profis dementsprechend gefragt sind. Mit den hohen Ansprüchen sowie der geforderten Belastbarkeit habe ich mir immer auch den hohen Preis erklärt - es müssen ja sehr hochwertige, möglichst verschleißbeständige Materialien usw. verbaut werden.

Dass die Dinger vor allem durch ihre Größe aber wieder unpraktisch werden, kam mir aber gar nicht in den Sinn...

Außerdem habe ich soweit ich mich erinnern kann noch nie ein Konzertklavier in einem Konzertsaal stehen sehen, sondern immer nur Flügel mittlerer bis großer Bauart. Auch an meiner Schule damals gab es sowas nicht - immer nur Flügel. Wo stehen solche Kontertklaviere denn - und merkt man da überhaupt einen großen Unterschied im Vergleich zu einem hochwertigen "Normalklavier"?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Konzertklaviere müssten konzerttauglich sein, sowohl in klanglicher als auch in mechanischer Hinsicht - mir ist bislang kein Klavier (Pianino) begegnet, welches wie ein spielbarer Flügel repetieren würde... ebenso habe ich Zweifel, dass Klaviere die Dynamik eines großen Flügels erreichen können.

Aber interessant ist die Geschichte solcher "Flaggschiffe", wie Piano Candle sie dargestellt hat - und da stellt sich mir die Frage: gibt es den etwas irreführenden Begriff "Konzertklavier" auch in anderen Sprachen?

Gruß, Rolf
 
Konzertklaviere müssten konzerttauglich sein, sowohl in klanglicher als auch in mechanischer Hinsicht - mir ist bislang kein Klavier (Pianino) begegnet, welches wie ein spielbarer Flügel repetieren würde... ebenso habe ich Zweifel, dass Klaviere die Dynamik eines großen Flügels erreichen können.

Aber interessant ist die Geschichte solcher "Flaggschiffe", wie Piano Candle sie dargestellt hat - und da stellt sich mir die Frage: gibt es den etwas irreführenden Begriff "Konzertklavier" auch in anderen Sprachen?

Gruß, Rolf

also das "flaggschiff" von steingraeber und söhne soll ja angeblich, durch magneten in der mechanik, wie ein flügel repitieren...
ich selbst habe es aber noch nicht angespielt.
aber zum beispiel das steinway k - konzertklavier käme für mich für ein konzert niemals in frage, da es meiner meinung eine schlecht repitierende mechanik, als auch eine äußerst schwierige pedalisierung hat.
da geben konzertklaviere anderer hersteller deutlich mehr her... :D
aber ich habe auch schon konzerte auf klavieren gesehen... :)
 
Ein Konzertklavier darf man natürlich nicht mit einem Konzertflügel vergleichen. Wenn man einen Konzertflügel ersetzen möchte, nimmt man ja doch am besten einen Flügel.

Ich rate mal ein bischen drauflos. Zwar habe ich auch einiges gelesen und auf einem verkommenen Konzertklavier gelernt, aber Fakten kann ich keine beitragen.

Vermutlich war die Idee des Konzertklaviers entweder ein Marketinggag, dann wären alle Überlegungen damit beendet. Oder es ging darum, ein Instrument zu bauen, was in kleineren Konzerträumlichkeiten unterkommen kann, als ein Flügel, denn sonst wäre wohl ein Flügel die erste Wahl. Gleichzeitig muß es dann natürlich ein gewisses Durchsetzungsvermögen haben, also nicht gerade ein Kleinklavier, denn Anfang des 20. Jahrhunderts waren Verstärkeranlagen noch nicht so üblich wie heute. Ich weiß zwar nicht, wann Sänger angefangen haben, über Mikrophon zu singen, aber bis auf rein elektroakustische Instrumente kam Musik doch ziemlich lange ohne Verstärkung aus und ich glaube, Hammond-Orgel und E-Gitarre kamen doch etwas später. Obendrein glaube ich nicht, daß Konzertklaviere zu irgendeiner Zeit der klassischen Musik vorbehalten waren und viele standen sicherlich dort, wo es nicht auf Mobilität, wohl aber auf den Platzbedarf ankam, z.B. in Musikclubs. Wenn es lediglich auf den Platzbedarf ankommt, gibt es heutzutage natürlich auch Digitalpianos und Playback, aber das würde jetzt den Rahmen des Themas sprengen.

PS: Auf Englisch gibt es z.B. "upright grand", also zusammengesetzt aus "upright piano" - Klavier - und "grand piano" - Flügel.

PPS: Klaviere wurden früher häufig in Kinos benutzt
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo,

ich freue mich solch eines zu besitzen (einige von Euch kennen es ja bereits).

Beste Grüße

H.
 
Vielleicht macht es Sinn, einfach mal die Innereien eines Standardklaviers mit einem Konzertklavier an einem konkreten Beispiel zu vergleichen. Mir fällt da z.B. Schimmel ein (120 Standard gegen 122 Konzert). Marketinggag oder echter Unterschied ? Wer kann das vergleichen ?

Gruß
Rubato
 
In einem anderen Faden wurde gerade beiläufig die Frage nach der genauen Definition eines Konzertklavieres gegeben. Da dieser Begriff sehr häufig gebraucht wird, lohnt es sich wohl, ihm einen eigenen Faden zu widmen.

Ein paar Eckdaten gebe ich, sozusagen als Gedankenraster:

- Konzertklaviere sind unter den aufrechten Klavieren die Flaggschiffe der Klavierhersteller.

- Konzertklaviere sind groß, typischerweise 130 cm und höher.

Guten Abend Martin,

wenn ich Deinen Beitrag recht verstehe, sind die oben genannten Eigenschaften die beiden einzigen, die dem Begriff Substanz verleihen.
Wenn das so ist, braucht man offenbar die Verwendung des Begriffs in dem o.g. anderen Faden nicht allzu ernst nehmen, denn beide Eigenscahften treffen auf das in Rede stehende Instrument nicht zu. Ich ziehe für mich persönlich den Schluß, daß der Begriff "Konzertklavier" wegen seiner inflationären Anwendung auch auf Instrumente, die nicht unter Deine Kriterien fallen, beim potentiellen Käufer wenig Beachtung rechtfertigt.

Dank und Gruß,

Friedrich
 
- Konzertklaviere sind unter den aufrechten Klavieren die Flaggschiffe der Klavierhersteller.
- Konzertklaviere sind groß, typischerweise 130 cm und höher.
Guten Abend Martin, wenn ich Deinen Beitrag recht verstehe, sind die oben genannten Eigenschaften die beiden einzigen, die dem Begriff Substanz verleihen.
Friedrich

So streng möchte ich nicht sein, Friedrich. Ich denke, die Hersteller, denen dieser Begriff - im Sinne ihres Flaggschiffes - wirklich etwas bedeutete, haben dann auch gern, wie von Guendola für den englischsprachigen Raum erwähnt, hier zu Lande ihre Großklaviere als "stehende Flügel" bezeichnet. Sie werden auch auf manches Weitere Wert gelegt haben, was man noch heute bei etlichen alten Instrumenten sehr eindrucksvoll verwirklicht findet.

Z. B.:
- dass das Konzertklavier in elementaren Bauteilen besonders stabil ist,
- dass die innere Konstruktion, gemessen an ihrer Zeit, besonders modern und im Detail high-endig gefinisht ist (z. B. bei Rönisch-Konzertklavieren ab ca. 1900),
- dass der Klang nicht nur bassstark, sondern insgesamt souverän durchsetzungsfähig ist (z. B. beim Grotrian-135 der 20er Jahre),
- dass die Mechanik großzügig bemessen ist, mit langen Tastenhebeln (Rönisch, s. o.), hoch belastbarer Konstruktion, ggf. Repetitionshilfen (z. B. beim alten Bechstein Concert-7), groß angesetztem Hammerweg nahe der 5-cm-Grenze, ggf. gut funktionierender echter Verschiebung (z. B. bei großen alten Steingraeber Oberdämpfer-Konzertklavieren),
- dass das Instrument repräsentativ gestaltet ist, entweder mit offensichtlich teurer Aufwändigkeit (wie z. B. bei burgers Instrument) oder betont dezent-gediegen (siehe Bildbeispiel unten)
- etc pp.

Sicher ist m. E. in der Tat, dass heute und schon seit geraumer Zeit die Maßstäbe verschwimmen. Und dass es ein wirklich auf die realen konzertanten Anforderungen zugeschnittenes Klavier bislang noch nicht gibt. (Wird aber womöglich kommen. Ich habe schon von Experimenten in diese Richtung gehört.)

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 

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Was ist dann mein ARNOLD für eine Kategorie. Da messe ich auch fast 5cm Hammerweg und das Ding haut ganz schön Bass raus (ACHTUNG ich bin Laie) aber empfinde das ganz schön gewaltig. Ist ein 50Jahre Jubiläumsklavier (1887 bis 1927 steht auf der Plakete. Müsste als von 1927 sein. Arnold Aschaffenburg steht drauf.
Edit: Oberkannte Deckel ist vom Boden 130cm hoch. Oder wo misst man die Höhe? Zählt vielleicht nur der Rahmen ohne die Rollen drunter?
 

Ein Klavier ist ein Klavier und für große Konzerte nicht geeignet - in sofern ist die Bezeichnung "Konzertklavier" irreführend.

LG
Henry
 
Ein Konzertklavier sollte ich mal für eine verblichene Pianistin im Auftrag verkaufen. War der letzte Schrott, auch Goethe hatte auf die Tastatur gekotzt. Museum und Antiquariat haben es auch nicht gewollt.

Gruß altermann
 
In der Nachkriegszeit wurden die Klaviere dann miniaturisiert.
Ich habe hier Verkaufsprospekte aus den 60ern von Herstellern aus dem mittleren Preissegment, wie Euterpe, Feurich, Ibach, May, Schiedmayer und Schimmel. Die angebotenen Größen bewegen sich fast alle zwischen 97 und 110cm, nur 2 Ausreißer nach oben wurden mit 115 und 116cm angeboten.
Erst später ging es dann wieder nach oben.

Das ist womöglich den zeitweilig veränderten Wohnraumbedingungen geschuldet?

1. Wohnraumverknappung bis ca. 20 Jahre nach Kriegsende
2. Diese wurde gelöst durch tendenziell eng konzipierte Zweckbauten (heute auch "Bausünden" genannt und zumindest teilweise nicht renovierungsfähig)
3. Niedrigere Plafonds im Vergleich zu den Altbauten

:denken:

Spätestens ab den Siebzigern ging es kontinuierlich bergauf. Die Einkommen, zuvor auf einem heute unvorstellbar bescheidenen Niveau, stiegen, die Häuslebauer zogen in den Speckgürtel...

Wohnungsbau Nachkriegszeit – Großwohnsiedlungen:
Nach dem 2. Weltkrieg herrschte in den deutschen Städten akute Wohnungsnot. Unter den Prioritäten des Krieges war jeglicher Wohnungsbau zum Erliegen gekommen. Und durch die Bombenangriffe der Alliierten, hatten die deutschen Städte auch bei Wohnhäusern viele Verluste zu verzeichnen. Das Bild der deutschen Trümmerfrauen, das so prägnant geblieben ist, macht deutlich, wie viele Häuser im städtischen Raum zerstört worden waren. Zudem kehrten nach Kriegsende Aussiedler aus den ehemaligen Ostgebieten Deutschlands zurück. Auch sie brauchten Wohnraum.
Bis in die 80er Jahre hatte also der Wohnungsbau auf kommunaler Ebene größte Priorität. Neben dem Auffüllen von Baulücken im städtischen Raum waren die 60er Jahren vor allem von sehr ambitionierten städtischen Großwohnsiedlungen geprägt (zum Beispiel das Märkische Viertel oder Gropiusstadt in West-Berlin). Sie zeichnen sind durch ihren einheitlichen hochgeschossigen Baustil aus und entstanden innerhalb kürzester Zeit. Die Grundlage für diese Entwicklung bildete eine aktive Wohnraumpolitik, die vor allem mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz von 1957 in Angriff genommen wurde. Hiernach sollte sozialer Wohnungsbau, also „Wohnungsbau unter besonderer Bevorzugung des Baues von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für breite Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind, als vordringliche Aufgabe“ gefördert werden. Die Großwohnsiedlungen wurden auf unbebauten Flächen – auf der grünen Wiese – innerhalb der Stadtgrenzen errichtet und folgten ganzheitlichen Konzepten, in denen öffentliches Leben, Infrastruktur und Freizeitaktivitäten mit in die Entwürfe integriert wurden. Bauträger waren in den meisten Fällen städtische Gesellschaften oder Genossenschaften. So konnten mit Hilfe kommunaler Subventionen die Mieten unterhalb der Kostenmiete gehalten werden. Während diese großen neuen Wohnsiedlungen in den 60er und 70er Jahren vor allem junge Familien der Mittelschicht beherbergten und schwächere oder unterrepräsentierten Gesellschaftsschichten in den unsanierten Altbeständen der Städte lebten, gab es in den 80er Jahren einen Umschwung. Mit dem aufkommenden Ideal des Einfamilienhauses zog es junge Familien mehr und mehr in die Neubausiedlungen der ländlichen Umgebungen – das sogenannte Speckgürtel-Phänomen. Zugleich begannen die zentralen Altbauviertel der Städte für diese Bevölkerungsschichten wieder interessanter zu werden. Die Refugien, die sich Künstler, Studenten und Einwanderer dort auf Grund der günstigen Mieten geschaffen hatten, wurden nun für breitere Bevölkerungsschichten attraktiv. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das sogenannten Schanzenviertel in Hamburg. Das Prestige der Großsiedlungen hingegen sank zunehmend und sie wurden immer mehr mit Armut, Arbeitslosigkeit und Verwahrlosung assoziiert. Auch wenn dies von den Einwohnern selten so gesehen wird, haftet Großsiedlungen in der allgemeinen Wahrnehmung ein schlechtes Image an. Die Notwendigkeiten, unter denen sie entstanden sind, werden dabei zumeist außer Acht gelassen. Unter ökologischen Gesichtspunkten sind Großsiedlungen sehr sinnvolle Wohnformen, die mit einfachen Mitteln zu sehr energieeffizienten und nachhaltigen Einheiten umgebaut werden können. Während der kommunale soziale Wohnungsbau Anfang der 2000er Jahre komplett zum Erliegen kam und vielerorts ehemalige soziale Wohnquartiere privatisiert wurden, wird heute – knapp 10 Jahre später – wieder von allen Seiten der Ruf nach bezahlbarem städtischem Wohnraum laut.

http://www.immobilienfairmarkter.de/news/ein-uberblick-uber-die-baustile-unserer-zeit/
 
Das ist womöglich den zeitweilig veränderten Wohnraumbedingungen geschuldet?

Nicht nur; das kleine Klavier zog auch in große Haushalte ein. Es steht für einen Paradigmenwechsel: es trat seine Funktion als »Hausaltar« an die »Musiktruhe« (so hieß die Kombination aus Radio mit »magischem« Auge plus Plattenspieler von Nordmende, Telefunken, Saba, Perpetuum-Ebner und anderen Marken, die heute keiner mehr kennt) und an den Fernseher ab. Und die neuen Wohlhabenden der 60er Jahre kamen oft aus den heute sog. »bildungsfernen« Schichten, die ihre Kinder zwar aufs Gymnasium schickten, aber dennoch robust ihre eigenen Anschauungen pflegten. Sie teilten zwar die Meinung, dass ein Klavier »dazugehörte«, aber das bitte in einem angemessenen Rahmen. Ich hatte einen Klasskameraden, Sohn des lokalen Busunternehmers (mit stolzen drei Bussen), der diese Einstellung fast idealtypisch verkörperte: Selber Musik machen war für ihn ein unproduktives Totschlagen der Zeit - während die Musiktruhe allerliebst ihre Schlager dudelte (»Zwei kleine Italiener«), konnte man ja noch was Nützliches tun, z.B. Angebote von Urlaubsorten sortieren und damit potentiell Geld verdienen.

Das kleine Klavier war somit ein Symbol der »Moderne« und hob sich, so meinte man, vorteilhaft von seinem verschnörkelten, staubfangenden Vorkriegspendant ab. Ein Flügel galt in den 60ern ohnehin als etwas, das sich nur Musiklehrer und andere verschrobene Gestalten aus einer skurillen und versunkenen Gegenwelt als nutzlosen Platzfresser ins Wohnzimmer stellten. Erst als die Neureichen richtig reich wurden und glaubten, nun sei es Zeit, sich um »Geschmacksfragen« zu kümmern, wurde der Flügel, gleich hinter dem Swimming Pool, wieder in den Renommierwettbewerb einbezogen. Die Performance der Schrazen wurde dadurch freilich nicht regelmäßig besser.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt dachte ich, endlich interessiert sich mal jemand für meine historische Stimmgabel, aber nein, es geht bloß um die Viecher aus meiner Signatur :-D
 
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440Hz. Leider kann ich meinen Großvater, der mir das gute Stück vermachte, nicht mehr fragen, und die Musiktruhe ging ebenfalls bereits den Weg alles Irdischen, so dass ich nicht sagen kann, ob das Sendersuchrauschen möglicherweise stimmbar war.
 

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