komischer Mechanismus bei Oberdämpfer

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ich hab heute ein sehr merkwürdiges Oberdämpfer-Klavier gesehen mit 3 Pedalen: Dämpfung, Choirverschiebung und ....tja, keine Ahnung :confused:

Oben auf der Dämpferleiste liegt ein Kasten auf, der bei Pedalbetätigung nach vorne kommt, siehe Foto. In dem Kasten sind kleine Hebelchen, die mit Federkraft nach unten gedrückt werden. Allerdings war der ganze Mechanismus vom Pedalwerk her nicht aktivierbar, etwas desolat. Wie auch immer: an den Dämpfern sind so komische Drähte, deren Sinn anscheinend ist, bei getretenem Pedal diese federverstärkten Hebelchen nach oben zu bringen. Die Frage ist: wozu?? Um das Spielgewicht zu erhöhen? Keine Ahnung. Aber vielleicht hat ja hier jemand eine Idee? Mich interessiert auch, welcher Hersteller das sein könnte. Das Klavier dürfte so um 1880 sein, vermute ich mal. Hat auf jeden Fall schon so eine Art Gussplatte ;)
 

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Bitte das nächste Posting lesen
(Hallo Tastenscherge,
da erschließt sich mir, höchst aufwändig gestaltet, die folgende Logik:
Wenn der Kasten nach vorn kommt, hebt er kollektiv die Hebelchen an, und diese heben die Bassdämpfer an den Schlaufendrähten. Das soll dann wohl eine Teil-Entdämpfung beim Spiel bewirken und einen damit noch weiter dramatisch verstärkten Hall-Effekt (der ja schon generell bei Oberdämpfer-Klavieren zum System gehört).

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Dampf wird Krach ;) )
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Oh nein... da hab ich was Falsches gesehen.
Was du abgebildet hast, ist ja gar nicht der Bassbereich.
Der Kasten befindet sich also über der gesamten Dämpfung.
Aber nun geht mir erst recht die Logik der Konstruktion auf.

Es handelt sich, schlicht gesagt, um eine Sostenuto-Vorrichtung. Funktioniert genau analog zu den entsprechenden Konstruktionen im Flügel.

Konkret: Ein Ton wird angeschlagen. Dabei wird dessen Dämpfer angehoben. Dann wird das geheimnisvolle dritte Pedal gedrückt, und der entsprechende Hebel greift bei vorgeschobenem Kasten in die Drahtschlaufe und hält den Dämpfer oben. Alle anderen Dämpfer, bei nachfolgenden Anschlägen, drücken dagen ihre Drahtschlaufe gegen ihre zugeordneten Hebelchen und federn sie aufwärts, solange das Pedal getreten bleibt.

Ist doch genial, oder? Jedenfalls wenn's perfekt eingerichtet ist... :rolleyes:

Gruß
Martin
PianoCandle

... tolle Ideen gibts schon seit Menschengedenken
 
Ist doch genial, oder? Jedenfalls wenn's perfekt eingerichtet ist... :rolleyes:

ja, da hat einer wirklich nachgedacht. Aber hat denn jemand sowas schon gesehen? Mich würde nämlich interessieren, welcher Hersteller das war. Keinerlei Hinweis darauf im oder auf dem Klavier, lediglich die Seriennummer 302. Laut Besitzerin geht die Mär, dass früher ein Schild mit dem Namen Ibach darauf prangte, welches im oder nach dem Krieg gestohlen wurde. Es könnte demnach ein Gustav Adolf Ibach sein, der wohl Pianos mit einem "Patent-Harfen-Elegie-Pedal" produzierte. Das könnte wohl hinkommen, ein Sostenuto-Pedal so zu bezeichnen. Jetzt stellt sich mir die Frage: wann wurde das Sostenuto-Pedal erfunden? Anscheinend um die Zeit herum von Gustav Adolf Ibach oder schon vorher oder kurz später für Flügel von jemand anderem? Und noch eine historische Frage: wann wurde die Gussplatte erfunden? Ludwigsburg ist schon so lange her ;)

Das Klavier ist jedenfalls schon seit 70 Jahren im Familienbesitz und der Vorbesitzer hatte es auch schon mit nach Afrika genommen, wo er anscheinend mal lebte. Und irgendjemand hat das Klavier mal zum 2-chörigen "kastriert".

Übrigens, falls es jemanden interessiert: hier findet man eine Doktorarbeit über Ibach:

http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=959813403&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=959813403.pdf

Darin ist leider auch nicht erklärt, was das Elegie-Pedal sein soll.
 
hi!

das sieht ja interessant aus!

wie die sache aussieht, wurde das gute teil, meiner meinung, vor 1880 gebaut. wann genau? keine ahnunh... ich kann mich an etwas ähnliches aus 1870-75 erinnern...

der gusseisenrahmen wurde... 1825 oder 1829 in amerika patentiert und erst in den tafelklavieren eingebaut. die wienermeister haben ihn bis ca. 1870 nicht gemocht und haben geschraubte rahmen eingebaut...

sostenutopedal... sicher schon vor 1900. wann genau, weiß ich nicht...


lg
emmanuel
 
ich kann mich an etwas ähnliches aus 1870-75 erinnern...

Du hast sowas schon mal gesehen? Kannst du dich noch erinnern, welcher Hersteller das war? Sollte es ein Gustav Adolf Ibach sein, dann wäre ein Baujahr vor 1870 tatsächlich wahrscheinlich. Denn die wurden 1862 gegründet und haben 1880 schon 170 Instrumente pro Jahr gebaut. Somit dürfte die Seriennummer 302 tatsächlich auf die frühen Jahre der Firma deuten. Anbei noch Bilder vom ganzen Klavier.
 

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Lass mal Fotos vom gesamten Innenleben rüberwachsen, Tastenscherge.
Und noch eine Nachfrage:
Könnte es sein, dass "Patent-Harfe" und "Elegie-Pedal" zwei für sich stehende Begriffe sind?
"Elegie" steht übrigens, wie ich gerade nachsah, für "Klagelied". "Elegisch" wäre dann also ein "klagender, schwermütiger" Klang. Könnte ja auf gezielt langgezogene Melodietöne per Sostenuto passen.

Ich bin weiter neugierig.
Gruß
-m-
 
hier noch mehr Fotos. Einmal das Innenleben als Totale. Und noch Fotos von dem Mechanismus und der dazugehörigen Rückholfeder.
 

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und hier diese Sparversion von Gussplatte
 

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und hier der Verschiebemechanismus. Der durchgehende Mechanikbalken geht durch Schlitze in den Mechanikstützen (Mechanikstreben?). Links sorgt ein Holzhebel dafür, dass der Balken und somit auch die Hämmer samt Kapseln nach rechts verschoben werden. Auf der rechten Seite sorgt die Feder dafür, dass alles wieder zurück verschoben wird. Die langen Holzpiloten bewegen sich natürlich dann auch etwas zu Seite. Sieht witzig aus, als wenn die Tanzen würden.
 

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Klasse, Tastenscherge. Deinen Faden hab ich gesternt. Mach das Ding wieder flott!
Gruß
-m-
 

und hier der Verschiebemechanismus. Der durchgehende Mechanikbalken geht durch Schlitze in den Mechanikstützen (Mechanikstreben?). Links sorgt ein Holzhebel dafür, dass der Balken und somit auch die Hämmer samt Kapseln nach rechts verschoben werden. Auf der rechten Seite sorgt die Feder dafür, dass alles wieder zurück verschoben wird. Die langen Holzpiloten bewegen sich natürlich dann auch etwas zu Seite. Sieht witzig aus, als wenn die Tanzen würden.

Hallo Tastenscherge,

Schönes Klavier und eine interessante Konstruktion!
Hier ein Video, wie so ein Verschubmechanismus funktioniert. ;)

LG
Michael
 
Die grundsätzliche Idee des Oberdämpfers ist es ja gewesen, die Mechnik von der Dämpfung zu trennen und dadurch eine Verschiebung wie beim Flügel zu erreichen. Leider wurde dies meist aus Kostengründen nicht gemacht sondern, wie beim Unterdämpfer mit dem normalen Pianopedal imitiert - was den meisten heute noch existierenden Oberdämpfern die Daseinsberechtigung nimmt. ;-)
 
hi.

ich habe so was einmal (von 100000 jahren) in einem antiquitätenladen in triest gesegen... kann mich gut erinnern, weil die ich damals die komischen scheauben auf der dämpfung interessant fand. was für ein fiech das war, habe ich keine ahnung.

aber! dein klavier sieht (innenleben,filze, pedalmechanismus, gehäuse...) sehr sehr ähnlich wie ein mansfeldt&notny, der bei und in der firma steht, aus. unseres hat halt kein tonhaltpedal und die mechanik lässt sich nicht verschieben.
ich werde mal fotos machen, und dann kannst vergleichen.

lg
emmanuel
 
Hallo nochmal...
also den Verschiebe-Mechanismus für das linke Pedal finde ich recht unspektakulär, kommt halt bei vielen Oberdämpfer-Herstellern vor, die was auf sich gehalten haben.
Aber dieser Sostenuto, bei einem derart alten Klavier, der hat schon was.
Ich hoffe, es gelingt, die Dämpfung wieder richtig einzuregulieren, und dabei die Schlaufendrähte wieder korrekt zu den Sostenuto-Hebelchen auszurichten.

Tastenscherge, ich kann bislang auf deinen Bildern noch nicht recht erkennen, wie die Betätigungswege für den Sostenuto ab Pedal verlaufen. Kannst du das noch besser erkennbar machen?

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Tastenscherge, ich kann bislang auf deinen Bildern noch nicht recht erkennen, wie die Betätigungswege für den Sostenuto ab Pedal verlaufen. Kannst du das noch besser erkennbar machen?

Leider nein, hab keine besseren Fotos davon, aber in meinem Posting #8 das zweite Foto, da erkennt man schon was. Und zwar: ganz rechts an der Grenze zur Innenwand hat die Leiste eine Aussparung. Da hinein greift ein Holzhebel, den ich vorher entfernt hatte. Und das auf beiden Seiten. Also das Pedal bewegt 2 Stößer, an der linken und an der rechten Innenwand. Und diese Stößer bewegen jeweils einen Hebel, der in etwa die Form hat wie ein Winkel. Dieser Winkel ist an der Innenwand verschraubt. Der Stößer greift also an den horizontalen Teil des Winkels und der vertikale Teil steckt in der Aussparung, die auf dem Foto zu sehen ist. Hmm, irgendwie kompliziert ausgedrückt, aber ich hoffe ihr wisst, was ich meine ;)
 
Nee, gar nicht kompliziert, TS, voll verstanden. Zumal auf dem ersten Bild von Posting #8 ja der zugehörige linksseitige Stößer zu sehen ist. Auf den Bildern 1 und 2 sind jeweils die Schraublöcher für die Winkelhebel zu sehen. Klasse Sache.
Danke
-m-
 
Und jetzt hab ich doch noch mal genauer hingesehen und bin etwas verwirrt.
Ich sehe: Der Sostenuto wird mit dem LINKEN Pedal betätigt.
Das MITTLERE treibt die Verschiebung. soweit ok.
Aber wieso geht das rechte Pedal, mit Wippe, auf ZWEI Stößer?

??
-m-
 
Aber wieso geht das rechte Pedal, mit Wippe, auf ZWEI Stößer?

Das funzt etwas anders als üblicherweise bei Oberdämpfern. In diesem Fall wird keine Leiste nach oben gedrückt zum Dämpferabheben, sondern die Dämpferleiste wird zum Spieler hin verschoben, siehe Foto. Aus Stabilitätsgründen bzw. damit es schön gleichmäßig passiert, hat man die Stößer dann beidseitig angebracht.

Übrigens hab ich mittlerweile Rückmeldung von Ibach. Die können leider nicht sagen, was Gustav Adolf Ibach unter Patent-Harfen-Elegie-Pedal verstanden hat. Heute ist halt lediglich noch bekannt, dass er damit geworben hat. Finde ich erstaunlich, dass diese Information im Laufe der Zeit tatsächlich verloren gegangen ist.
 

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Das funzt etwas anders als üblicherweise bei Oberdämpfern. In diesem Fall wird keine Leiste nach oben gedrückt zum Dämpferabheben, sondern die Dämpferleiste wird zum Spieler hin verschoben...

Oh, das dämpft meine Begeisterung. OD-Mechaniken mit dieser Art der Entdämpfung (in der Regel nur linksseitig) mag ich nicht. Denn beim Abheben fallen die Dämpferstecherdraht-Püppchen vorn auf die Hebeglieder und machen den Anschlag schwerer.
Und im vorliegenden Fall verändern die Dämpfertangenten, und damit die Schlaufendrähte, bei jeder Pedalbetätigung ihre Position zu den Hebeln des Sostenuto"Elegie"-Kastens... so richtig schlau finde ich das nicht.
Vielleicht sind deshalb die Schlaufendrähte alle verbogen?

Gruß
-m-
 

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