Klavier oder Flügel?

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Leoniesophie

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Ich lasse mal den finanziellen Aspekt weg.

Ich hätte gerne gewußt, wie sich die Spielweise zwischen Klavier und Flügel unterscheidet? Wie wirkt sich das für mich als Hobbypianistin aus? Ich habe dabei die laienhaft Idee, daß die horizontale Anbringung der Saiten wegen der Schwerkraft mir das Spielen auf einem Flügel im Vergleich zum Klavier mit der vertikalen Anbringung erleichtert. Mal abgesehn vom Sostenuto -Pedal.

Oder ist das jetzt zu einfach gedacht?


PS: in 3 Jahren kriegt mein Pferdchen sowieso Zuwachs von einem Flügel :D
 
Hi Leoniesophie: Du hast wesentlich direkteren Kontakt zu den Tönen - im Anschlag ist ein F. deutlich feiner dosierbar, wesentlich höheres Dynamikspektrum, mehr Ausdrucksmöglichkeit. Außerdem taktile Rückmeldung - Du spürst die Töne in den Fingerspitzen. Was fehlt, ist der Schalldruck auf Brust/Oberkörper.

Und - was man nicht unterschätzen sollte: Der freie Blick!!!
 
Hi Leoniesophie: Du hast wesentlich direkteren Kontakt zu den Tönen - im Anschlag ist ein F. deutlich feiner dosierbar, wesentlich höheres Dynamikspektrum, mehr Ausdrucksmöglichkeit. Außerdem taktile Rückmeldung - Du spürst die Töne in den Fingerspitzen. Was fehlt, ist der Schalldruck auf Brust/Oberkörper.

Und - was man nicht unterschätzen sollte: Der freie Blick!!!

das hast du schön beschrieben, fisherman!
Aber ich seh schon, wenn ich akustisch spielen würde, dann bräuchte ich beides.
Einen schönen Flügel für coolen Jazz und Meditation und ein Klavier für Musik, die richtig hämmern soll :p
Allein der Aspekt des Schalldrucks beim Klavier ist schon faszinierend. :guitar2:

Na, ja, vielleicht suche ich mir irgendwann tatsächlich ne neue Wohnung mit einem riesengroßen Musikzimmer.

Lieber Gruß, NewOldie
 
Da ich gerade mein Klavier gegen einen Flügel "getauscht" habe und damit beides im gleichen Raum (gleiche akustische Bedingungen) vergleichen kann, außerdem Vergleiche in zahllosen Klaviergeschäften gemacht habe, von mir noch folgende Ergänzungen zu den bereits abgegebenen Kommentaren:

Ein guter Flügel ab einer gewissen Größe (so ab 175cm +) ist eigentlich klanglich gar nicht mit einem (modernen) Klavier vergleichbar - zwar kann das eine oder andere hochwertige Klavier durchaus einen "schöneren" (Einzelton)klang haben, aber in der Gesamtklangfülle wirkt ein Flügel eben immer "größer" und "raumfüllender" (nicht unbedingt: lauter). Ähnliches gilt auch für das Spiel-Gefühl der Flügelmechanik, die in der Regel direkter und feiner dosierbar, damit aber auch anspruchsvoller ist.

Was ich etwas bedaure: Das schönste Klangerlebnis beim Flügel gibts leider oft nicht unbedingt in der (Raum)Position des Spielers, sondern seitlich einige Meter entfernt. Ich denke, das ist es, was in den vorherigen Posts mit "Schalldruck auf den Oberkörper" (auch) gemeint war.

Fazit: Ich würde (finanzielle Aspekte mal ausgelassen) nach längerer Abwägungs- und Testspielphase immer zu einem Flügel tendieren. Für eine Wohnung im Mehrfamilienhaus müßte man das aber vielleicht nochmal genauer überdenken.

Gruß
Rubato
 
Spiel-Gefühl der Flügelmechanik, die in der Regel direkter und feiner dosierbar, damit aber auch anspruchsvoller ist
Dem fett markierten würde ich widersprechen wollen, Rubato. Bei gleich feiner Abstimmung/Regulierung ist ein F. m.E. viel "verzeihender". Ich habe beim F. immer das Gefühl, als könnte ich nach dem Anschlag noch irgendwie/irgendwas verändern - beim K. ist nach Auslösung die Kontrolle komplett weg. Ist das Einbildung oder gibts dazu Hintergründe aus dem Lager der Klavierbauer?

Übrigens ist auch das beste Hörerlebnis beim Klavier NICHT in der Spielerposition (vor allem bei geöffnetem Deckel) - dennoch aber besser als beim F. Das mit dem Schalldruck war wortwörtlich zu verstehen.
 
Bei gleich feiner Abstimmung/Regulierung ist ein F. m.E. viel "verzeihender". Ich habe beim F. immer das Gefühl, als könnte ich nach dem Anschlag noch irgendwie/irgendwas verändern - beim K. ist nach Auslösung die Kontrolle komplett weg. Ist das Einbildung oder gibts dazu Hintergründe aus dem Lager der Klavierbauer?

Deine Aussagen möchte ich nivellieren, fisherman. Klavier und Flügel verzeihen an unterschiedlichen Stellen und sind eklig an unterschiedichen Stellen. Wer Flügel spielt, muss souverän mit dem Druckpunkt beim Anschlag umgehen können. Wer Klavier spielt, muss manchmal für flinke Repetition etwas nachhelfen. Beides sind nur Auswahlbeispiele, es gibt noch anderes.

Nach dem Anschlag beginnt unmittelbar der Bewegungsablauf für den nächsten Anschlag. Es ist wohl möglich, dies mental und anteilig als nachträgliche Beeinflussung des gewesenen Anschlags aufzufassen. Physikalisch ist das nicht möglich, abgesehen von nachträglicher Teilbedämpfung (Taste nur teilweise hochkommen lassen) oder ggf. gezieltem Doppel-Anschlag (willentliches Trommeln). (Beides geht sowohl beim Flügel als auch beim Klavier.)

Gruß
Martin
PianoCandle

... beste Wünsche für das neue Jahr!
 
(1)
Wer Flügel spielt, muss souverän mit dem Druckpunkt beim Anschlag umgehen können.
(2)
Wer Klavier spielt, muss manchmal für flinke Repetition etwas nachhelfen. Gruß
Martin
PianoCandle

(1)
das gilt insgesamt für das Klavierspiel!!!
(2)
wenn es wirklich flink wird, beginnt die Klaviermechanik im Gegensatz zum Flügel zu versagen: erst werden die Anschläge sowie das Tastengefühl schwammig, beschleunigt man, so bleiden Töne aus (mehr Anschläge als Töne)

das Problem mit den wirklich sehr schnellen Repetitionen mag sich gewiß nicht allzu häufig stellen, denn sie kommen nur in einem Teil der virtuosen Literatur vor, aber wie man sich auch dreht und wendet: weder für die mechanischen noch für die dynamischen Anforderungen von Liszts Tarantella oder Ravels Alborado ist ein Pianino das optimale Instrument.
 
Zitat:
Spiel-Gefühl der Flügelmechanik, die in der Regel direkter und feiner dosierbar, damit aber auch anspruchsvoller ist
Dem fett markierten würde ich widersprechen wollen, Rubato. Bei gleich feiner Abstimmung/Regulierung ist ein F. m.E. viel "verzeihender". Ich habe beim F. immer das Gefühl, als könnte ich nach dem Anschlag noch irgendwie/irgendwas verändern - beim K. ist nach Auslösung die Kontrolle komplett weg. Ist das Einbildung oder gibts dazu Hintergründe aus dem Lager der Klavierbauer?

Die Flügelmechanik bietet - wie von vielen übereinstimmend beschrieben - mehr (Nuancierungs-) Möglichkeiten. Damit ist sie aber auch anspruchsvoller, denn diese Möglichkeiten wollen auch beherrscht und genutzt werden.

Gruß
Rubato
 
Die Flügelmechanik bietet - wie von vielen übereinstimmend beschrieben - mehr (Nuancierungs-) Möglichkeiten. Damit ist sie aber auch anspruchsvoller, denn diese Möglichkeiten wollen auch beherrscht und genutzt werden.

Gruß
Rubato

So ist es! Und man kann mit einem Flügel aktiv "Tonformung" betreiben, d.H. der Anschlag der Taste überträgt sich direkt auf die Tonqualität. Diese Tonformung ist mit einem Klavier fast unmögich, der direkte Bezug zwischen Taste und Ton ist nicht vorhanden.
 

....immer das Gefühl, als könnte ich nach dem Anschlag noch irgendwie/irgendwas verändern.... Ist das Einbildung oder gibts dazu Hintergründe aus dem Lager der Klavierbauer?
Hallo fisherman,

Während des Anschlags kann man etwas verändern - was mehr Kontrolle verschafft (Tonformung etc.) ...

Der Hammer steht am Pianino ziemlich aufrecht und die in den Fingern gefühlte Schwere des Hammers fühlt man im wesentlichen am Anfang der Bewegung und selbst da ist sie nur ein kleiner Teil des tatsächlichen Gewichts. Kurz bevor er die Saite berührt hat er eigentlich gar kein schwerkraftbedingtes Gewicht, dass man noch irgendwie in den Fingern spüren könnte, wo man was gezielt "formen" könnte. Lediglich die Rückholfeder an der Hammernuß verhindert, dass der Hammer nicht unkontrolliert zur Saite fällt und bei manchen Klavieren sogar an ihr kleben bleiben würde.

Am Flügel spürt man das Gewicht der Schwerkraft des Hammer ziemlich kontinuierlich von Anfang bis zum Schluss. Der viel besprochene Druckpunkt ist eine Art Widerstand und ensteht mit dem verbundenen und eingeleiteten Reibevorgangs an der Hammerrolle, wo die Stoßzunge gegen das Gewicht des Hammers weg (auslösen) will. Wenn die Auslösung vollzogen ist, fällt die Taste ohne weiteres Zutun nach unten, egal ob der Hammer genügend Schwung hatte, die Saite zu berühren oder nicht. Das Anschwillen an Kraftaufwand den man für die Auslösung aufbringen muss und sein plötzliches Abfallen nennt man Druckpunkt. Bei langsamer Tastenbewegung ist er besser vernehmbar.

Dieses Prinzip gibt es auch bei der Pianinomechanik, allerdings spürt man diesen Reibevorgang nicht oder kaum, weil die Stoßzunge in dieser Position keiner Schwerkraft des Hammers entgegen wirkt.

Man hat also beim Flügel während der Bewegung des Hammers von unten nach oben immer das Gleiche gefühlte Gewicht, im Gegensatz zum Pianino wo sich die Bewegung von hinten nach vorne abspielt und vom Gewicht her abnehmend ist. Das erlaubt beim Flügel kontrollierteres Anschlagen.

Daraus resultiert dann:
Du hast wesentlich direkteren Kontakt zu den Tönen - im Anschlag ist ein F. deutlich feiner dosierbar, .... , mehr Ausdrucksmöglichkeit. Außerdem taktile Rückmeldung - Du spürst die Töne in den Fingerspitzen

Wenns zu kompliziert war, lags an mir :p

LG
Michael
 
Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ja, sowas wollte ich hören! Toll erklärt! Also: ein Flügel muss her! :D
Aber auch den anderen Kommentatoren dankeschön!
Während des Anschlags kann man etwas verändern - was mehr Kontrolle verschafft (Tonformung etc.) ...
Der Hammer steht am Pianino ziemlich aufrecht und die in den Fingern gefühlte Schwere des Hammers fühlt man im wesentlichen am Anfang der Bewegung und selbst da ist sie nur ein kleiner Teil des tatsächlichen Gewichts. Kurz bevor er die Saite berührt hat er eigentlich gar kein schwerkraftbedingtes Gewicht, dass man noch irgendwie in den Fingern spüren könnte, wo man was gezielt "formen" könnte. Lediglich die Rückholfeder an der Hammernuß verhindert, dass der Hammer nicht unkontrolliert zur Saite fällt und bei manchen Klavieren sogar an ihr kleben bleiben würde.
Am Flügel spürt man das Gewicht der Schwerkraft des Hammer ziemlich kontinuierlich von Anfang bis zum Schluss......
Man hat also beim Flügel während der Bewegung des Hammers von unten nach oben immer das Gleiche gefühlte Gewicht, im Gegensatz zum Pianino wo sich die Bewegung von hinten nach vorne abspielt und vom Gewicht her abnehmend ist. Das erlaubt beim Flügel kontrollierteres Anschlagen.

LG
Michael
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Danke, Micha, für die Erklärung!!! war super!
Man hat also beim Flügel während der Bewegung des Hammers von unten nach oben immer das Gleiche gefühlte Gewicht, im Gegensatz zum Pianino wo sich die Bewegung von hinten nach vorne abspielt und vom Gewicht her abnehmend ist.

Und genau das "hasse" ich mittlerweile am Piano. Was die Beherrschung angeht (Rubato), so sehe ich das als nicht "soooooo schwer", weil: siehe Christian15. Direkter Kontakt ist viel leichter als das Erahnen einer Bewegung, die aus meiner Bewegung resultiert (Piano).

Leoniesophie: zwei jahre sind besser als drei und eines besser als ... :D (Aber Vorfreude ist auch was wert...)
 

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