Klavier Arnold Aschaffenburg aus 1909 retten

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StegdoppelDavid

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Guten Abend liebes Forum,

Bevor die ersten Bilder der Restaurierung kommen, kurz zur Vorgeschichte:
Nachdem ich sehr lange Zeit nur passiv mitgelesen habe, war jetzt Zeit für einen richtigen Account, da mich bei meinem aktuellen Projekt die Meinung erfahrener Klavierbauer und Meister sehr interessiert und ich ein paar Tipps gebrauchen könnte. Es geht um ein Klavier der Marke Arnold Aschaffenburg, welches ich bei Kleinanzeigen (bitte nicht erschrecken) entdeckt habe. Der Verkäufer hatte vor mir schon über 20 Interessenten vor Ort, die das Klavier dann doch nicht genommen haben, weil zum einen der Aufwand des Transports aus dem oberen Stock mit mehreren engen Treppen sowie die langfristig notwendige Instandsetzung der Risse in Resonanzboden und Stegdoppel und die Erneuerung der etwas zu leichtgängigen Stimmwirbel bisher zu abschreckend waren. Leider habe ich nicht das Budget, um genannte Arbeiten von einem Fachbetrieb durchführen zu lassen, wollte mich aber gerne selber daran wagen (bitte nicht direkt weg klicken :D ). Man muss dazu sagen, dass ich mich schon längere Zeit mit dem Thema Klavierbau intensiv beschäftige und mir die Holz- Arbeiten an der akustischen Anlage zugetraut habe, da ich sozusagen in einer Schreinerei aufgewachsen bin aber auch schon einiges im Bereich Feinwerktechnik gemacht habe. Also habe ich mich mit dem Verkäufer, der, mittlerweile frustriert von vielen Absagen potentieller Käufer, das Klavier nur noch entsorgen wollte, darauf geeinigt, dass ich das Klavier gratis bekomme und die erforderlichen Arbeiten selbst durchführe. Ich habe mir selbst einen Umlegebock aus massiver Buche gebaut und das Klavier vor Ort zerlegt, während alles gewissenhaft dokumentiert und beschriftet verpackt wurde, was den Transport sehr erleichtert hat. Der Verkäufer war davon so begeistert, dass er mit seinem Bruder den Transport zu mir mit Anhänger usw. gratis erledigt hat.

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Bevor der Beitrag noch länger wird, werde ich für die folgenden Bilder und anschließenden restlichen Fragen meinerseits neue Abschnitte hochladen. Es sind nur ein paar Fragen, welche ich weder im Forum noch in Fachliteratur wie bspw. beim Reblitz, an dem ich mich bisher in großen Teilen orientiert habe, zufriedenstellenden oder eindeutige Antworten finden konnte.


Falls jemand bis hier gelesen hat, vielen Dank für das Interesse und

freundliche Grüße, David.
 
Die neuen Stegdoppel aus Berg-Ahorn, feinjährig und mit stehenden Jahrringen, werden erst nach einpassen der Gussplatte und nach der neuen Wölbung des Resonanzboden festzulegenden Steg-Drucks auf die finale Dicke gehobelt, danach der alte Lack abgezogen und der Resonanzboden wie im Original mit Schellack neu lackiert.

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Und jetzt zu meiner Frage: Der Resonanzboden hatte vorher ca 3mm negative Wölbung, habe ihn dann aufgekeilt und gewölbt, quer zur Faser, bis er etwa entlang des Langsteg mittig ca 11mm höher stand als in den Ecken. Leider sind die Risse alle, wie auf den Bildern zu sehen, in etwa in einer Richtung und nicht mehrere parallel, wo sozusagen mit den neuen Spänen verloren gegangene Wölbung "addiert" werden kann (und ein Riss im Blindboden, den ich nur aus optischen gründen gespant habe). Ich habe alles so gewissenhaft wie möglich gemacht, Boden getrocknet, gewölbt, Späne eingepasst und mi Fischleim eingepresst, lange genug gewartet und die Keile zwischen Rippen und Rasten wieder entfernt. Leider musste ich enttäuscht feststellen, dass der Boden wieder fast flach ist, an den besten stellen nur 1-2m positiv gewölbt, trotz über 10mm während der Keile, aber immer noch besser als negativ. Ich führe das auf die wenigen Risse zurück, so lässt sich auch wenig Wölbung zurück gewinnen. Eine Überlegung von mir war, erneut zu wölben und künstlich risse parallel zu den stegen hinzuzufügen und zu spänen, um mehr Wölbung zu erreichen, was ich nur ungern machen würde und daher das gerne über den Stegdruck regeln möchte.

Auf der anderen Seite bin ich nicht sicher, wie viel Wölbung damals 1909 überhaut eingebaut wurde. Bevor ich die neuen Stegdoppel auf die endgültige Dicke hoble, wollte ich daher einmal hören, wie viel Überhöhung bzw Stegdruck die Klavierbauer hier für so einen flachen Boden empfehlen würden. Ursprünglich wollte ich zwischen Diskant und Bass 1-2mm Überhöhung erreichen, bin mir aber jetzt nicht mehr so sicher. Ich möchte nicht, dass der eh schon flache Boden mit wenig Druck zu schwach klingt, will ihn aber auch nicht mit mehreren Millimetern Stegüberhöhung "erdrücken".
Den Klaviermacher selig kann man ja leider nicht mehr um Rat fragen, hoffe aber auf Tipps der anderen üblichen verdächtigen.

Viele Grüße und Dankeschön im Voraus
 
Was noch nicht erwähnt wurde: Der Klang des Klaviers vor dem Zerlegen hat mir gefallen, sowohl im Bass (ist ja schließlich fast 1,4m hoch) als auch im Diskant. Nur sauber stimmen hat es sich nicht mehr lassen, aufgrund der teilweise lockeren Stegstifte, die wohl jemand mit Sekundenkleber oder Epoxy mal versucht hat zu stabilisieren. Damit die Stimmung wieder besser hält, kommen auch entsprechend neue, stärkere Wirbel rein, welche ich bereits organisiert habe sowie neue Saiten.
 
Ein Genuss, das hobbymäßig betriebenen Handwerk auf diesem Niveau miterleben zu dürfen. An dir ist offenbar ein Restaurator verloren gegangen!

Ich wünsche dir, dass sich hier die richtigen Leute zu deinen Anliegen äußern.
 
Beeindruckendes Vorhaben! Ich drück dir die Daumen, dass dich das Ergebnis am Ende für diesen Aufwand belohnt... Bin schon etwas neidisch über deine Möglichkeiten was Holzbarbeitung angeht...sowas eröffnet ja ganz andere Möglichkeiten als die haushaltsüblichen Dinge, die einem Durchschnittsbastler zur Verfügung stehen! :super:
 

Nur sauber stimmen hat es sich nicht mehr lassen, aufgrund der teilweise lockeren Stegstifte, die wohl jemand mit Sekundenkleber oder Epoxy mal versucht hat zu stabilisieren. Damit die Stimmung wieder besser hält, kommen auch entsprechend neue, stärkere Wirbel rein, welche ich bereits organisiert habe sowie neue Saiten.

Mit Deinen handwerklichen Fähigkeiten und Zugang zu holzbearbeitenden Maschinen würde ich eher dazu raten, auch den Stimmstock auszutauschen. Das wird handwerklich sicherlich sehr befriedigend sein, vor allem aber für eine durchgehend gleichmäßige Stimmbarkeit sorgen.
 
Ein Genuss, das hobbymäßig betriebenen Handwerk auf diesem Niveau miterleben zu dürfen. An dir ist offenbar ein Restaurator verloren gegangen!

Ich wünsche dir, dass sich hier die richtigen Leute zu deinen Anliegen äußern.
Beeindruckendes Vorhaben! Ich drück dir die Daumen, dass dich das Ergebnis am Ende für diesen Aufwand belohnt... Bin schon etwas neidisch über deine Möglichkeiten was Holzbarbeitung angeht...sowas eröffnet ja ganz andere Möglichkeiten als die haushaltsüblichen Dinge, die einem Durchschnittsbastler zur Verfügung stehen! :super:


Vielen Dank für die freundlichen Rückmeldungen :) ich werde weiterhin berichten

@Universaldilettant , hast du denn auch schon eigene versuche unternommen?
 
Mit Deinen handwerklichen Fähigkeiten und Zugang zu holzbearbeitenden Maschinen würde ich eher dazu raten, auch den Stimmstock auszutauschen. Das wird handwerklich sicherlich sehr befriedigend sein, vor allem aber für eine durchgehend gleichmäßige Stimmbarkeit sorgen.

@Clavierhaus vielen Dank für den Hinweis und das Kompliment.

Das war allerdings ein Missverständnis, da ich Stegstifte und Wirbel im gleichen Satz erwähnt habe.

Am Stimmstock wurde noch nicht gepfuscht, der Sekundenkleber oder Epoxy befindet sich nur an einigen Stiften im Bass- und teilweise Diskantsteg, die aufgrund der Risse nicht mehr feste sitzen und so ein sauberes Stimmen auch erschweren können. Sämtliche Stegstifte und Doppel werden mithilfe von Schablonen den alten nachempfunden.

Stimmwirbel waren alle 6,9 x 57,5 mm groß, könnten aber knackiger sitzen und daher habe ich bei Ebay zugeschlagen, als ein original verpackter Biene Wirbel Satz mit 7,1 x 64 mm für 40 Euro verkauft wurde. Diese sitzen gut im Stimmstock, die Löcher müssen lediglich ein paar mm tiefer gebohrt werden, dann greifen die Wirbel, da sie länger als die alten sind, in "jungfräuliches" Holz und sitzen zusätzlich zum größeren Durchmesser noch besser und haben hoffentlich den nötigen Drehmoment.

Da die Furniere der Stimmstock-Doppel, die ja bei dieser Fensterpanzer-Konstruktion zu sehen sind, oberflächlich nicht mehr schön anzusehen sind (ähnlich der Klaviatur und Pedalboden, siehe oben), werde ich diese vor dem neu besaiten noch erneuern. Ich schwanke zwischen Kirsche, was zum Gehäuse des Klaviers passt, Ahorn, was etwas "langweiliger" aussieht aber den neuen Stegdoppeln entspricht, und einem Mahagoni Furnier was dem Braunton des Gehäuses auch sehr nahe kommt.
 
Superinteressante Einblicke in deine Arbeit @StegdoppelDavid . Ich mag sowas.

Was für ein hübsches Klavier.
Meins hat auch "Kassetten" ist aber mittlerweile matt Schwarz (zwischen 1890 und 1900, Ferdinand Schaaf & Co, Franfurt a. M.) ... der Lack könnte wohl mal aufpoliert werden.

Wirklich ein tolles Projekt. Hoffentlich melden sich hier auch viele Experten ... gibt ja so einige hier.
 
Tolles Projekt! Und Deine Arbeit sieht sehr solide aus!
Zu Deiner Frage mit der Wölbung: Ich finde es merkwürdig, dass vor dem Auskeilen 3 und nun nur noch 2 mm Stegdruck da ist. Das verstehe ich nicht. Wie hast Du gemessen? Oder gibt es hier einfach ein Missverständnis?
Ich hatte ein ähnliches Problem (Bechstein 1870). Bei mir war der Stegdruck ca. 2mm negativ. Die Meinungen der Klavierbaumeister gingen hier weit auseinander, von "da machste nix, das lässte so!" (Balas aus Wien) bis zu "das muss in jedem Fall gemacht werden". Das Aufkeilen war jedoch schwierig, da ich einen geschlossenen Gussrahmen hatte (Raste und Rahmen ein Teil und der Reso bzw. Steg am Rahmen anstieß). Aber es ging dann doch irgendwie und ich hatte danach 2-4 mm Stegdruck. Die Risse waren bei mir auch parallel.
 
Das Lesen habe ich mit Freude gemacht, lieber David, weil Deine Leidenschaft für dieses schöne Projekt zwischen jeder Zeile erkennbar ist. Das macht Lust aufs Weiterlesen.

Herzlich Willkommen in der Runde der Tastenfreunde*, ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg bei Deinen Arbeiten.

* Zur besseren Lesbarkeit habe ich das generische Maskulinum verwendet.
 
Tolles Projekt! Und Deine Arbeit sieht sehr solide aus!
Zu Deiner Frage mit der Wölbung: Ich finde es merkwürdig, dass vor dem Auskeilen 3 und nun nur noch 2 mm Stegdruck da ist. Das verstehe ich nicht. Wie hast Du gemessen? Oder gibt es hier einfach ein Missverständnis?
Ich hatte ein ähnliches Problem (Bechstein 1870). Bei mir war der Stegdruck ca. 2mm negativ. Die Meinungen der Klavierbaumeister gingen hier weit auseinander, von "da machste nix, das lässte so!" (Balas aus Wien) bis zu "das muss in jedem Fall gemacht werden". Das Aufkeilen war jedoch schwierig, da ich einen geschlossenen Gussrahmen hatte (Raste und Rahmen ein Teil und der Reso bzw. Steg am Rahmen anstieß). Aber es ging dann doch irgendwie und ich hatte danach 2-4 mm Stegdruck. Die Risse waren bei mir auch parallel.

Vielen Dank :)

Ich muss unterscheiden zwischen der Wölbung des Resonanzbodens, welche vorher deutlich negativ war und jetzt minimal positiv ist, aber leider fast flach, und dem Stegdruck. Ich messe den Reso diagonal, also quer zu Faser. Mittig neben dem Langsteg den Höhenunterschied zu den Ecken.

Stegdruck war im Diskant vor dem Ausbau der Platte kaum, im Bass aber mehrere Millimeter, es sieht auch an den hölzernen Auflagen so aus als wäre unten gehobelt worden, um die Platte abzusenken und so trotz flachem Boden mehr Druck zu bekommen, was schon ein paar Jahrzehnte her sein dürfte. Durch die Absenkung unten wurde also entgegengesetzt ganz oben zwischen Gussrahmen und Stimmstock die entstandene Lücke mit Gips oder etwas ähnlichem aufgefüllt, was nicht sehr schön aussieht aber nur zu sehen ist bei ausgebauter Platte. Ich denke nicht, dass es ab Werk so war, da das Klavier grundsätzlich sehr hochwertig verarbeitet scheint mit guten Materialien. Ich möchte es rückgängig machen und die Platte neu einpassen, genauer und mit weniger Spannung, welche man beim lösen und wieder eindrehen der großen Schrauben deutlich spüren konnte.
 
Es wäre jetzt nur wichtig zu klären, wie viel Überhöhung die neuen Doppel der Stege bekommen sollen, um aus dem fast flachen Boden klanglich das beste heraus zu holen.
 

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