Je neuer, desto unverständlicher ist die Musik für mich

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Castati

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Liebes Forum,

ich versuche klassische Musik aller Epochen von Bach bis Schönberg zu hören, aber mir fällt immer stärker auf, dass mir die Musik umso unverständlicher wird, je neuer sie ist. Damit meine ich nicht den musiktheoretischen Verstand, den ich sowieso nicht habe, sondern ob ich einen "roten Pfaden" im Werk höre und es für mich eine Emotion transportiert.

Wenn ich als Beispiel wegen ihrer gegenüber Klaviersolos größeren Komplexität Orchesterwerke nehme, vor allem Klavierkonzerte, so kann ich noch alle von Bach durch und durch genießen. Bei den Klassikern hängt es vom Stück ab, aber Mozart, Haydn, Beethoven sind noch recht verständlich für mich, bei den Romantikern nimmt es schon etwas ab und bei den Spätromantikern und danach, Prokofieff, Rachmaninoff bis Schönberg und Berg setzt es teilweise bis vollkommen aus. Natürlich verläuft das nicht trennscharf und es trifft nicht für alle Werke zu, es geht nur um die Tendenz.

Mich stört es, dass ich diese Musik trotz ihrer Genialität nicht schätzen kann. Bin ich einfach zu doof für diese Musik und könnte das Verständnis sich noch entwickeln? Oder geht es euch auch so und es hat mehr mit dem unmittelbaren Hörerlebnis zu tun, das einem missfällt und so unterbewusst ist, dass es sich auch nicht ändern wird?

Freue mich über alle Antworten und besonders freuen würde ich mich über eine von Haydnspaß.
 
unbegreifliches

Mein alter, geschätzter Klavierlehrer, ein böhmischer Musiker alten Schlages:

Es gibt Musik, die, wenn sie nicht geschrieben worden wäre, niemand vermisst hätte .... (bemerkt im Umfeld der Donaueschinger Musiktage für neue Musik)

Liebe Grüße

Walter
 
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Freue mich über alle Antworten und besonders freuen würde ich mich über eine von Haydnspaß.

Oh? Wieso ausgerechnet von mir :D

Also die "neue", schräge Musik hat mich spontan immer schon angesprochen, je schräger, schriller und ungewohnter, umso mehr. Woran das liegt, weiß ich nicht, ich wurde in dieser Hinsicht überhaupt von niemandem unterstützt Im Gegenteil, diese Art von Musik wurde immer mit übelsten Adjektiven bedacht.

Dabei machen die neuen Komponisten doch nichts anderes, als was Bach oder Haydn in ihrer Zeit auch gemacht haben: die Zuhörer schockieren 8)

Ich finde es echt schade, daß heute kaum noch jemand die Schockeffekte eines Bach oder Haydn nachempfinden kann.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Du musst dich nur reinhören.
Das Verständnis kommt mit der Zeit, je öfter du solche Musik hörst.
 
Also erstmal gibt es natürlich überhaupt keinen Zwang, Neue Musik gut zu finden! Schön ist aber, dass Du die Offenheit mitbringst, Dich der Auseinandersetzung (immer wieder) zu stellen. Wenn es dann am Ende trotzdem nichts ist, hat man es wenigstens versucht. Es gibt hochkarätigste Musiker, denen die neuere Musik nichts sagt, man befindet sich also nicht in schlechtester Gesellschaft ;)

Vor Musikvorschlägen ein kleiner Buchtipp: "Keine Angst vor neuen Tönen" (Ingo Metzmacher). Enthält viele Musiktipps und ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die neueste Musik.

Hast Du's mit Klaviermusik versucht? Mir persönlich fällt das immer am leichtesten, einfach weil mir der Klang an sich am vertrautesten ist. Ein paar willkürliche Tipps (gibts alles auch auf Youtube)

Es muss nicht unbedingt Schönberg sein (beachte ausserdem, dass op. 11 und op. 19 noch keine 12-tönigen Werke sind, aber auf jeden Fall unbedingt hörenswert, am besten auch mal mit Noten, dann lernt man die unerhörte Differenziertheit des Klangbilds am besten schätzen) -- vieles danach ist sicher auf Anhieb leichter verständlich.

Bartok ist wohl einer der neueren Komponisten, der einem den unmittelbar sinnlichen Zugang oft leichter macht, trotz der Radikalität vieler seiner Werke. Das "Allegro Barbaro" kann man seiner Berühmtheit wegen fast schon als "Fantaisie Impromptu" des 20. Jahrhunderts bezeichnen :D
Die Etüden sind der reine Wahnsinn....

Überhaupt ist das Etüdengenre eine recht ungebrochene Tradition bis zurück zu Chopin, mit Ligetis Etüden als Krönung des Schaffens im 20./frühen 21. Jh., z.B. eine der berühmtesten L'escalier du diable:
http://www.youtube.com/watch?v=hqVfp3mOSzE

Ein guter Einstieg sind sicher auch stilistisch heterogenere Werke wie

Messiaen: Vingt Regards

Rzewski: The people united will never be defeated (wird heute schon oft neben Goldberg-, Diabelli- und Händelvariationen gestellt):
http://www.youtube.com/watch?v=_s0H38-NJe8 (Teil 1 von 8)

Puh, werde gerade etwas müde, aber das sind ja schon ein paar Tipps, die vielleicht interessant für Dich sein können...
 

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