Frage zur Sinfonia Nr. 11 (BWV 797)

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Liebe Pianisten,

Ich habe eine Frage zur 11. Sinfonia (BWV 797) von Johann Sebastian Bach.

[Edit: wer sich den Notentext ansehen will:
http://erato.uvt.nl/files/imglnks/usimg/e/ef/IMSLP00767-BWV0797.pdf ]

Es geht mir um den Sprung zwischen Takt 47 und 48. Was Bach dort geschrieben hat, befremdet mich irgendwie, und ich wäre euch um Ratschläge dankbar, wie man die Melodieführung der ersten Stimme verstehen kann - wenn an dieser Stelle davon überhaupt die Rede sein kann.

Intuitiv erwarte ich am Anfang des 48. Taktes einen Unisono-Akkord, der aus g, g' und g'' besteht, z.B. eine Achtel lang, um dann in der ersten Stimme auf der zweiten Achtel auf das b' zu fallen. Mir ist klar, dass im Takt 48 eine Sequenz anfängt, und dass Takte 48/49 als Vorlage für die Takte 50/51 und 52(53) konzipiert ist. Takt 48 ergibt im Kontext der darauffolgenden Takte guten Sinn, aber die Melodie (falls es als solche gesehen werden kann) ist zwischen Takt 47 und 48 nach meinem Empfinden völlig unterbrochen.

Nun ist meine Frage, ob ich diese Stelle anders interpretieren und/oder sinnvoll(er) gestalten kann.

Ich würde mich über Hinweise sehr freuen!

Mit Gruß,
Klimperer
 
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Die Stelle ist doch gerade wunderbar!

Stimme 1 macht einen herrlichen ausdrucksvollen Große-Septim-Sprung abwärts. Laß dieses Intervall richtig wirken, koste es aus!

Stimme 2 löst sich ganz normal ins g' auf, welches nur von der rechten Hand übernommen wird. (Das gilt es aber auch im Moment des Spielens so zu hören!)

Stimme 3 geht ebenfalls ganz normal ne Quinte runter zum g.

Wo ist das Problem?

LG,
Hasenbein

P.S.: Nächstes Mal wäre es nett, nicht "Takt 47" zu schreiben, denn das Durchzählen ist ätzend, wenn in den Noten keine Taktzahlen sind. Ist doch viel einfacher mit: Seite 2, 2. Zeile, 5. Takt. Daaanke! :)
 

Vielleicht für dich! Aber ich habe noch keinen Zugang zu ihr gefunden - sonst würde ich doch wohl nicht hier um Hilfestellung bitten, oder!?

Stimme 1 macht einen herrlichen ausdrucksvollen Große-Septim-Sprung abwärts. Laß dieses Intervall richtig wirken, koste es aus!

Genau darum ging es doch. Du findest den Sprung "herrlich ausdrucksvoll". Auf mich wirkt er nicht nur melodisch sondern auch kompositorisch fremd, und ich suche Hilfe dabei, einen neuen bzw. anderen Zugang dazu zu finden. Ich habe ihn schon oft und viel auf mich einwirken lassen, viel damit herumexperimentiert, nur "herrlicher" und "ausdrucksvoller" wird er (mir) davon nicht.

Stimme 2 löst sich ganz normal ins g' auf, welches nur von der rechten Hand übernommen wird. (Das gilt es aber auch im Moment des Spielens so zu hören!)

Stimme 3 geht ebenfalls ganz normal ne Quinte runter zum g.

Wo ist das Problem?

Das Problem liegt nicht bei Stimme 2 und 3 - die lösen sich wie erwartet auf - das schrieb ich ja auch in meinem Eingangspost: g' und g. Es ging mir spezifisch um Stimme 1, wo mein Ohr anstelle des b' ein g'' erwartet. Da ist das Problem: "wirken lassen" ist eins, aber diese Stelle würde mir vielleicht schmackhafter, wenn ich sie melodisch und kompositorisch anders (besser?) verstehen lernte. Dabei erhoffe ich mir Hilfe.

P.S.: Nächstes Mal wäre es nett, nicht "Takt 47" zu schreiben, denn das Durchzählen ist ätzend, wenn in den Noten keine Taktzahlen sind. Ist doch viel einfacher mit: Seite 2, 2. Zeile, 5. Takt. Daaanke! :)

'tschuldigung... ich hätte das beim Link dazuschreiben sollen. Ich gab die Taktzahl an, weil ich annahm, dass nicht alle den IMSLP-Link verwenden, sondern in ihren eigenen Noten nachsehen. Das ist nämlich schon öfter mal vorgekommen. Danke, dass du dir trotzdem die Mühe gemacht hast, bis 47 zu zählen. ;)
 
Genau darum ging es doch. Du findest den Sprung "herrlich ausdrucksvoll". Auf mich wirkt er nicht nur melodisch sondern auch kompositorisch fremd, und ich suche Hilfe dabei, einen neuen bzw. anderen Zugang dazu zu finden. Ich habe ihn schon oft und viel auf mich einwirken lassen, viel damit herumexperimentiert, nur "herrlicher" und "ausdrucksvoller" wird er (mir) davon nicht.

Nimm doch bitte mal die Stelle auf, wie Du sie spielst, und stell das hier rein, ok?

Ich habe den Verdacht, daß Du die Stelle ungünstig gestaltest. Am einfachsten kann man helfen, wenn man hört, wie Du's bislang spielst, viele Worte behindern hier eher.

LG,
Hasenbein
 
Lieber Klimperer,

vielleicht hilft dir Folgendes:

die vorhergehende Stelle ab Takt 41 (wenn ich richtig gerechnet habe) bewegt sich in ihrer Dreistimmigkeit ja in einem anderen Register als sonst im Stück - das Bassregister fehlt und die oberen Register werden als Klangraum verwendet. Da du ja von der Orgel kommst, kannst du dir das sicher gut vorstellen.

An besagter Stelle in T.48 nun ist die alte Registrierung wieder da. Für mich ist das "b1", was dich so stört, also doppelt besetzt:

einmal ist es die Fortführung der Sechzehntel in T.47 zum eigentlichen "b2", zum anderen ist es der Einsatz eines (orchestral gedachten) anderen Instruments auf "b1", das dann die Linie in den nächsten Takten fortführt.

Um diese Doppelfunktion zu üben, könntest du erstmal ein "b2" statt des "b1" spielen und das über die nächste Zeit auch immer wieder machen, damit das Ohr sich daran gewöhnt.

Als Nächstes könntest du eine Oktave "b1/b2" (gleichzeitig) spielen, so dass du hörst, wie das vorherige Instrument (ich denke oft bei Klavierstücken orchestral) die Sechzehntel zum "b2" weiterführt und gleichzeitig ein anderes Instrument bei "b1" mit der nächsten Phrase einsetzt. Lange auch so spielen!

Als Drittes spielst du nur das "b1". Es ist aber wichtig, dass du innerlich zweistimmig hörst, also die Doppelfunktion des "b1" als Ende der einen Phrase auf einem nur innerlich gehörten "b2" und als Anfang der neuen Phrase auf "b1" wahrnimmst.

So sehe ich diese Stelle und so etwas gibt es sehr häufig bei Bach. Er konnte hier kein zusätzliches "b2" schreiben, weil ja sonst eine Vierstimmigkeit entstünde, wenn auch nur kurz. Dennoch undenkbar für Bach. :-P

Liebe Grüße

chiarina
 
So sehe ich diese Stelle und so etwas gibt es sehr häufig bei Bach. Er konnte hier kein zusätzliches "b2" schreiben, weil ja sonst eine Vierstimmigkeit entstünde, wenn auch nur kurz. Dennoch undenkbar für Bach.

Beleg für eine derartige Sichtweise?

Ich betrachte bis zum Beweis des Gegenteils das, was Bach hier geschrieben hat, nicht als ein "Als-Ob" oder "Behelf", sondern als das, was es ist: Einen Septimsprung abwärts, der einen völlig anderen Ausdrucksgehalt hat als eine kl. Sekunde aufwärts.

LG,
Hasenbein
 
Vielleicht hilft es dir ja auch, das Genie Bach darin zu erblicken, dass er die Auflösung des a'' in dein erwartetes g'' durch diesen speziellen Move bis in die letzte Zeile hinauszögert. Unaufgelöste Leittöne (in derselben Oktave) bleiben bei Bach fast nie in der Luft hängen, sondern die Auflösung wird irgendwann (meist wenig später, so dass sie noch hörbar nachvollziehbar bleibt) nachgereicht.
 
Beleg für eine derartige Sichtweise?

Ich betrachte bis zum Beweis des Gegenteils das, was Bach hier geschrieben hat, nicht als ein "Als-Ob" oder "Behelf", sondern als das, was es ist: Einen Septimsprung abwärts, der einen völlig anderen Ausdrucksgehalt hat als eine kl. Sekunde aufwärts.


Lieber hasenbein,

meine Sichtweise liegt in der Phrasenbildung bzw. der Länge der Phrasen begründet.

Beginnt man von vorn, so dauert die erste Phrase 16 Takte. In Takt 17 beginnt die 2. Phrase, die der Phrase ab T.48 entspricht, nur ist sie dort eine Oktave tiefer gesetzt und die 2. und 3. Stimmen sind vertauscht (grob gesagt).

Die Phrase ab Takt 17 dauert 20 Takte und endet also 2.Seite, 1.Zeile, 1.Takt.
2. Seite, 1. Zeile, 2.Takt beginnt die nächste Phrase (für mich auch die zweite Hälfte des Stücks) mit Auftakt. Die dauert 12 Takte, wobei eben T.48 die Doppelfunktion des Endes dieser Phrase und des Anfangs der nächsten Phrase hat. Früher haben wir so etwas auch einen "Schnitt" genannt. Denn die nächste Phrase beginnt klar in Takt 48 analog zu Takt 17, gleichzeitig ist die vorhergehende Phrase bis zu T.47 nur 11 Takte lang (welches eine unübliche Phrasenlänge ist - meistens ist es ja eine gerade Anzahl von Takten, die eine Phrase bilden) und endet auf der Dominante ohne Auflösung zur Tonika. Es ist vermutlich auch dies, was Klimperer irritiert: dass dort vermeintlich ein Takt fehlt. Weiß man aber über die Doppelfunktion des Taktes 48 als Ende der vorherigen Phrase und Anfang der nächsten (so etwas passiert auch in der Wiener Klassik sehr oft) Bescheid, wird alles logisch. Dann hat die Phrase ab 2. Seite, 1. Zeile, 2. Takt nämlich ihre 12 Takte + Auflösung. Die Phrase ist komplett.

Liebe Grüße

chiarina
 
Jeeetzt wird's interessant!

@ Hasenbein:
Zu deinem Beitrag #4: Eine Aufnahme (bzw. evtl. sogar drei, siehe unten) mache ich gelegentlich gern, aber sei bitte freundlich in deiner Biopsie. :) Mein Benutzername hat seine guten Gründe - mit meinem Spiel ist es längst nicht soweit her wie mit meiner online-Klappe. :p Aber ich versuch's halt. Ich muss dazusagen, dass ich letzthin auf mindestens drei Weisen versucht habe, diese Stelle zu gestalten, und keine mich wirklich zufriedenstellt. Ich kann sie selber gar nicht genau in Worte fassen... Ein Versuch:
1) Den metronomischen und dynamischen "Tempomat" einzuschalten und mich einfach mechanisch durch die Stelle hindurchzupflügen (find ich abscheulich),
2) Auf Takt 48 als neue Phrase hinzuzielen, ohne Takt 47 dabei besondere Gestaltung/Gewicht/Wichtigkeit zukommen zu lassen (dann hängt Takt 47 aber irgendwie in der Luft),
3) Takt 47 bewusst auszuspielen und Takt 48 als neue Phrase kommen zu lassen (wobei nach meinem Empfinden ein Bruch zwischen den beiden entsteht).

Ob ich es hinkriege, sie jeweils so zu spielen, dass der Zuhörer es nachvollziehen kann, bezweifle ich, aber ich will's gern versuchen...

Zu deinem Beitrag #6: Was genau ist denn der Ausdrucksgehalt eines Septim-Abwärtssprungs? (Im Gegensatz zum Halbton aufwärts)

@ Chiarina:
Dass die vorige Phrase eigentlich erst im 48. Takt abgeschlossen wäre (siehe Beitrag #8 ), und sich die Phrasen somit (im Takt 48 ) überschneiden, war mir schon aufgefallen. Ich muss aber eingestehen, dass ich noch nie daran gedacht hatte, die letzte(n) Sechzehntel des 47. Taktes leittonhaft auf ein B ausgerichtet zu verstehen (hier gedanklich: auf b' als "umorchestriertes" b'', siehe Beitrag #5), sondern suchte immer nach Auflösung zu einem G, in diesem Fall das g''. Und damit wurde der (vermeintlich) fehlende Takt, wie du schon schriebst, zur Irritation, weil in und mit ihm auch die melodische Auflösung der Phrase fehlte. Dein Hinweis, Takt 47 mal als (innere) Hinführung zum b'' zu denken, ist ein (wenn nicht DER) Durchbruch für mich, weil er mir die Phrasenüberschneidung melodisch zugänglicher macht. :kuss:

@ rappy:
Für deinen Hinweis schlicht und ergreifend: danke. So bekommt auch der Schluss des Stücks, den ich in seiner Schlichtheit besonders schön finde, noch tiefere Bedeutung.
 
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