Flügeloberflächen

Wieso „ohne Rim“? Jeder Flügel hat doch diese Zarge und der Ausdruck „Rim“ stammt aus dem Hause S&S. Was unterscheidet denn den breiten Steinway-Rim von den dampfgebogenen S-Planken (abgesehen davon, dass sie dünner sind als der S&S-Rim)? Wenn dünner sich auf den Klang auswirkt, warum macht S&S ihn so dick?

Der Sprachgebrauch betreffs "Rim" ist uneinheitlich. Die einen verstehen darunter per sei die Flügelkontur, egal mit welcher Fertigungstechnik sie entstand.

Die anderen nehmen den "Rim" als Fertigungsweise, wie sie 1880 für Theo Steinway als geschichtete, verleimte Dickten patentiert wurde, eine Technik, die aus dem Möbelbau durchaus anderwärts bekannt war, nur bei Flügeln eben so noch nicht eingesetzt gewesen war.

Bei Bösendorfer ist es so, dass die "Großen" noch heute als "gebaute Gehäuse" gemacht werden, also gerade und geschwungene Einzelplanken haben, die beim Bösendorfer drei Eckleisten haben. Hinten links an der Basswand, hinten rechts am Flügelende, und vorn rechts am Ende der Diskantwand.

Die Technik des "Gebauten Gehäuses" (constructed case) bei Steinway war eine leicht andere, bis 1880. Da gab es die geschwungene Planke nicht hinten rechts geteilt, da findest du Eckleisten nur hinten links am Ende der Basswand, und halb vorn rechts am Ende der Diskantwand. Die geschwungene Planke schwingt sich von vorne rechts in zwei gegenläufigen Kurven bis hinten links. Irgendwo hatte ich das auch schon mal skizziert hier.

Die Beteiligung des Gehäuses oder Rims an der Schallpropagation ist eine unterschiedliche, und da ist teils wohl auch Esoterik mit im Spiel. Physikalische Tatsache ist, dass der Rim bei Steinway i.w. NICHT primär zur Klangentfaltung wohl beitragen solle, sondern für die mechanische Stabilität des Flügels Gewähr zu bieten hat - mit Ausnahme der "bell"; dieses eigenartigen Metallwinkel-Gusstückes, das an der Diskantwand verschraubt wird seit ca. 1882, und Anteil an einer besseren Tonbildung haben solle.

Da nun aber Holz ein Naturmaterial ist und auch eine Rim-Fertigung immer mal leicht unterschiedliche Ergebnisse liefert, ist eben die Klangabstrahlung des dann fertigen Flügels bei Steinway variant... Damit ergibt sich Notwendigkeit und Sinne einer Flügel-Auswahl. Weil unterschiedlich... Kommt eben indirekt daher, dass das Spannungsverhalten des Rims auch Auswirkung auf die Überwölbung des Resonanzbodens hat, der in mehreren Achsen eien vorgespannten Zustand braucht, um diejenige Leistung zu zeigen, die im Minimum von einem Steinway-Instrument erwartet werden darf, weil der Kunde es sehr teuer bezahlt.

Andere Hersteller machen und handhaben das anders.

Bei Grotrian z.B. wird zuerst der Resonanzboden und die Klanganlage gefertigt. Dann wird der Klanganlage die Hülle in Form de Rims verpasst.

Bei Mason & Hamlin, ein anderer herausragender US-Flügelbauer, gibt es unter dem Flügelbauche die metallene "Spinne", einen Stahlring mit sechs-sieben ... Zugankerschrauben, mit der i.W. alle anfallenden Zugspannungen im Rim aufgefangen werden.

Bei den alten Franzosen (Erard., Pleyel, Boisselot) baute man das Gehäuse weitenteils spannungsfrei..., auch der Resonanzboden ist da oft nicht wirklich unter Druck gesetzt. Wohingegen die Gebrüder Mangeot aus Nancy sich sehr für das interessierten, was die Herren Steinway zustandebrachten, und sich dann anboten, dass man das für Europa gemeinsam tun könne und solle - Ausgangspunkt die Ausstellung von 1867, woraufhin man sovier-fünf Jahre zusammenarbeitete. Die Brüder Mangeot faszinierte der große Klang, den die Steinway-Instrumente machen konnten. Betreffs der ollen Franzosen gibt es ja bis heute sehr differente Auffassungen, was man alles klangtechnisch machen und bewirken könne, wenn denn man in der Lage sei, auf das maximale an Klangstärke zu verzichten... Wenn die Ambition eben nicht darauf rauslaufe, dass man die Carnegie mit 2.500 Leuten beschallen wolle, oder gar die Royal Albert in London mit bis zu 8.000 Zuhörern, sondern wenn man sich auf Kammermusik beschränken könne und wolle, oder auf ein Auditorium von max. ca. 400-450 Leuten, die einst auch Chopin beschallte in einem der seltenen Konzerte.

Wenn man von dem ganzen Spannunngs-Gehype also mal die Finger lässt..., und den Resonanzboden aus Fichte spannungsarm oder -frei das tun lässt, was er vielleicht ... ohne Druck besser kann: frei zu schwingen, wer weiß, was dann an Klang kommt?

DAS ist - neben der nicht vorhandenen Bassüberkrezung - für etliche französische Pianisten und Klavierlehrer - DER Grund, dass sie noch einen alten Pleyel oder Erard in hohen Ehren halten. Und Grund auch für neuere Leute wie den Amerikaner-Franzosen Stephen Paulello, der im Nordburgund nun auch wieder neue Flügel bis zu drei Metern Länge wahlweise ohne Bassüberkreuzung baut.

So doll das ist, was Vater Heinrich Steinweg und Sohn Henry jr. in den 1860er Jahren in Sachen Klangstärke schafften - der Ingenieur wendet sich in leichtem Grausen, vor dem mehrfach überbestimmten Spannungszustand, den der Resonanzboden eines hoch belasteten Steinway-Konzertflügels unter dem Druck des Rims hat...

Das entzieht sich auch der kundigsten Berechnerei mittels Schwingungsfunktionen genau an dem Punkt, wo du die Kontaktierungen des Resonanzbodens mit einem wie auch immer different ausgefallenen Rims in seiner variablen Konturierung nicht wirklich korrekt vorausberechnen kannst. Auch Steinway, die den Resonanzboden CNC-fräsen, macht es seit Jahren nun so, dass sie erst den Rim bauen, ihn einlagern, dann das Möbel erstellen, das Möbel dann ausmessen..., und passgenau zum variant geratenen Möbel dann den mit leichten Übermaßen gefertigten Resonanzboden individuell !!! CNC-befräsen und anschließend einleimen. D.h. der Resonanzboden ist in dieser Fertigungstechnologie ist immer ein Unikat. Wie der Rim.

Andy Horbachevsky, der langjährige Möbelbau-Boss in New York und Serienfertigungsspezialist, nannte es "Anti-Manufacturing"...

All diese Verhältnisse müssen einen Ingenieur sowohl grausen wie auch faszinieren. Als Ingenieur strebt man Standardisierung, Normierung und Austauschbau an. Es sieht so aus, als wäre ein Flügel wie der andere - ist er aber nicht, nicht bei Steinway. Velleicht bei Yamaha, vielleicht bei Grotrian.

Spannend, das.

Jedenfalls kein Grund, den Steinway-Mannen irgendwie nasehoch zu kommen, oder in einer Attitüde a la "versteh ich nicht, erkläre man mir das mal..." den ungläubigen Thomas zu mimen, in der Haltung, "alles Blödsinn, braucht doch keiner"...

Es hat schon seinen Sinn - großen Klang in begrenzt großen Flügeln zu machen.

Eine andere Frage wiederum ist, ob man das zuhause braucht ... ... ...

Kurzum, Rim ist nicht gleich Rim. Weder sprachlich, in der Verwendung, noch in der Fertigungstechnik. Jeder hat da so seine Herangehensweise, und es gibt nicht nur einen herrlichen Flügelhersteller (Steinway & Sons), und auch nicht nur zwei (Bechstein, Bösendorfer).
;-)
 
Wieso „ohne Rim“? Jeder Flügel hat doch diese Zarge und der Ausdruck „Rim“ stammt aus dem Hause S&S. Was unterscheidet denn den breiten Steinway-Rim von den dampfgebogenen S-Planken (abgesehen davon, dass sie dünner sind als der S&S-Rim)?
Der Rim ist durchgängig, beim Bösendorfer 225 und auch 290 besteht das Gehäuse aus Einzelteilen, was an den scharf abgegrenzten Kanten erkennbar ist.

Edit: @Wiedereinaussteiger war schneller und hat es viel ausführlicher erklärt.
 
Eher auf die Aussage von Bösendorfer, die das Gehäuse mit zum Klangapparat zählen (wenn ich es richtig in Erinnerung habe).

Hast Du.
:-) :super:

Zitat von Bösendorfer:
Obwohl das Klavier meist zur Familie der Perkussionsinstrumente gezählt wird ist Bösendorfer seit jeher davon überzeugt, dass es mehr Gemeinsamkeiten mit der Familie der Streicher aufweist. Das Bösendorfer eigene Resonanzkastenprinzip unterstützt ähnlich wie bei einer Violine den Klangbildungsprozess und ist damit Garant für schier grenzenlosen Klangfarbenreichtum und das legendäre, singende und brillante Bösendorfer Timbre. Im Unterschied zu anderen Herstellern verwenden wir keine starre, in Schichten verleimte Hartholzraste, sondern Massivholzteile aus Fichtenresonanzholz. Raste und Kastenwand werden dann miteinander verbunden. Die Kastenwand besteht bei Bösendorfer ebenfalls aus massivem Fichtenklangholz. Dieses komplexe und aufwendige Konstruktionsprinzip ist nicht nur Ausdruck der Wiener Klavierbautradition, sondern klangvolles Kalkül. Der gesamte Klangkörper – nicht nur der Resonanzboden – unterstützt den Klangbildungsprozess und die Schallprojektion, analog zum Prinzip einer Geige.

Quelle
 
Wenn man mit Stöckelschuhen auf dem Flügel tanzen will, sollte man Bernsteinlack bevorzugen - der ist trittfest.
Nee. Anders.

Die Playboy-Bunny-Clubs des Mister Hugh Hefner wurden weltweit mit Steinway-Flügeln mit Spezialdecke ausgerüstet - auf dem Deckel eine Stahlauflage.

Why that? Punkt Mitternacht (oder war's ein Uhr?) stiegen die Bunnys mit den Puschelohren und Stöckelschuhen auf den Flügel und tanzten Offenbachs Cancan. Eventuell anwesende weibliche Gäste waren stets herzlich eingeladen, mitzutanzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber eigentlich hoffe ich, dass ich bei positivem Verlauf dieser Angelegenheit standhaft sein werde und die Vernunft walten lasse. Zwei Flügel reichen doch fürs pianistische Glück.

Also wenn Du meinst ...
Du hast Bechstein und Bösendorfer. Blüthner würde à la merveille in Dein Portfolio passen.

Für manche Literatur ist Blüthner wie geschaffen, die würde ich, falls Blüthner vorhanden, nie auf Steinway spielen. :herz:
 
Ich würde bei der Raumakustik keine Kompromisse eingehen und erst den Zweitwohnsitz erbauen.
 

Einen Ostflügel für den Blüthner, einen Westflügel für den Ibach, einen Nordflügel für den Steinway und den Südflügel für den Bösendorfer.
Ach ja, da ist ja noch der Keller für den Schimmel.:021:
FREUNDSCHAFT!! :027:
 
...und im Süden des Grundstücks noch einen Pavillon für den Fazioli
 
Einen Ostflügel für den Blüthner, einen Westflügel für den Ibach, einen Nordflügel für den Steinway und den Südflügel für den Bösendorfer.
Ach ja, da ist ja noch der Keller für den Schimmel.:021:
FREUNDSCHAFT!! :027:
Ach so geht das. Ich habe schon als gebürtiger Hamburger mein Steinway verkauft und dafür einen Ibach aufgestellt. Der passt hier im Westen bestens hin.:blöd:
 

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