Fingersatz mit (Akte) X?

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"Grade mal eben ein "ganz einfaches Lied" , (zweistimmig, weites gehend parallel geführte Terzen) transkribieren, und jetzt knoble ich daran schon den ganzen Abend.

Dass Fingersätze kein Dogma sondern lediglich ein Hinweis sind, weiß ich.
Sicherlich gibt es ein paar Bewegungsmuster, die sich als am praktischsten erweisen und gemeinhin üblich sind.

Aber wahrscheinlich hat jeder ganz unterschiedliche Vorlieben und andere präferierte Finger als der nächste.

Jetzt wollte ich mit diesem Stück auf der einen Seite gängige Standards eben als "die sinnvollsten Bewegungsabläufe" aufzeigen, auf der anderen Seite es aber nicht zu sehr verklausulieren um den Zugang nicht zu verstellen, sondern universeller zu gestalten.
(Ich finde eine Mischung aus eigener Erfahrung und Vorgabe wichtig.)

Das Stück ist in sehr enger Lage ( terzversetzt ) und somit kommt hinzu, dass die Hände sich überlappen, was ich zwar als durchaus förderlich für die Körperbewusstheit empfinde, ich aber andererseits (auch an mir) feststelle, dass die Fingersätze diesen "nahen Abstand" zu regulieren suchen, sprich: ich modifizierte die Fingersätze dahingehend, dass ich den "komplizierteren Weg" als angenehmer empfinde, da somit eine zu starke Überlappung vermieden wird.

Vielleicht ist das ein bisschen komplizierter formuliert als es sein müsste. Ein Beispiel:

Die Tonfolge c - d - e - f - g, würde ich "prinzipiell" 1 - 2 - 3- 4 - 5 spielen. Kommt die linke Hand Terz-versetzt hinzu würde ich nicht 5 - 4 - 3 - 2 - 1 spielen sondern 3 - 2 - 1 - 3 - 2, und rechts die Bewegung (simultan) imitieren indem ich 1 - 2 - 3- 1 - 2 spiele.

Nun sehe ich folgendes Problem. Ich gehe davon aus, dass der Laie froh ist eine Tonfolge als 1-2-3-4-5 spielbar zu erkennen. Das sollte das Stück ja auch bewerkstelligen. Muster erkennen und in praktische Fingersätze übersetzen.

Ich darf nicht von mir aus gehen, da ich das komplette Stück vor Über- und Untersätzen und stummen Wechseln strotzen lasse, allein schon, weil der Fingersatz den gesanglichen Charakter und den langsamem Grundschlag unterstreicht. (Im Grunde sogar mehr.)

Kurz: Ich stecke in dem Dilemma "was geb ich vor", und wenn ich das tue, was davon ist schlichtweg meine persönliche Vorliebe, und was lasse ich aus damit ein anderer selbst "zu gehen lernt", ohne dass ich ihm jeden Schritt vorgebe, beurteile, korrigiere etc..

Mir ist bewusst, dass man i.d.R. nur "nicht geläufige" Stellen mittels Fingern kommentiert. Ich habe aber spaßeshalber mal alle notiert und kam zu keinem einheitlichen Urteil und zig Versionen die allesamt Vor- und Nachteile hatten.


Oft kam es mir vor, dass ich für einen Vorteil hier, ein Übel da in kauf nehmen musste:

"markiere ich beide Stimmen mit einer 2, ist der Anfang "intuitiver" (nicht ganz der richtige Begriff, aber ich hoffe man versteht was ich meine), dafür "fühlt sich der Durchgang 2 Noten später sehr befremdlich an, als ob er einen Finger versetzt gespielt würde".

Auch die Gliederung musikalischer Sinnzusammenhänge wird durch die Applikatur umstrukturiert. Kann, soll, darf ich das und in wieweit ergibt das einen Sinn?
Ist es von Nutzen, produktiv oder ist es vielleicht sogar unpraktisch und irreführend?
(Was ist überhaupt das Ziel? Was will ich? Was will der Andere erreichen und wo treffen wir uns? Irgendwo in der Mitte?)

Wie viele Umwege sollte man (anbieten) gehen zu dürfen, damit sich der praktischste (sicherste) Weg als solcher, langsam aber stetig, herauskristallisiert?


Letztlich kam ich zu folgenden Erkenntnissen:

- Ich muss, kann und darf nicht "DEN Fingersatz" vorgeben.

- Der Schwierigkeitsgrad eines Stückes letztlich durch seine geforderten/angestrebten Bewegungsabäufe definiert.

- Je nach Kenntnisstand sollten nicht zu viele "neue Abläufe" gefordert werden, dafür aber bereits erlernte weiter verinnerlicht. (Bspw. ein größerer Tonsprung im Stück.)

- Applikaturen sollten, nach wie vor, (in einem sinvollen Rahmen) individualisierbar sein, sprich eigne Notizen machen. Diese Enscheidung ist ein Prozess und somit nicht unumstößlich, sollte aber dazu streben die einzige persönliche Präferenz, (für die spezifische Stelle/Stück) zu sein.

- Da ich nur in eingeschränktem Umfang Maß sein kann und "Übel" aus meiner Sicht nicht die des Anderen sein müssen, sie vielleicht sogar dessen Nutzen sind, muss ich einen Spielraum für "unorthodoxen", mir befremdlichen und unintuitiven Fingersatz lassen und darf nicht unbelehrbar sein.

(Ich lasse mir auch immer "die viel praktischeren und kreativeren, spontan eingefallenen Fingersätze der Schüler" vorführen. Oft erweist er sich nach wenigen Wiederholungen als suboptimal und wird lediglich als Vorwand benutz um "Zeit zu schinden", "Machtgefüge zu verhandeln" um somit das 4- 10 malige Verinnerlichen eines gewöhnlichen Fingersatzes zu umgehen. Aber auch hier: es ist ein Prozess und ich muss, kann und darf nicht an jedem Stück alles kurz und klein sezieren.)

- All das widerspricht dem heimlichen Anspruch, dass "der Fingersatz" eine Standardisierung (und wenn nur eine persönliche) anzustreben versucht. Nur weil ich sage: "ein neuer motorischer Ablauf pro Stück genügt" enthebt es eine imitierende Stelle nicht davon ihn erneut zu benutzen.
(Ich weiß, es ist der Brauch einer Übung, dass es Bewegungen dezidiert wiederholt und einfordert.)

Aber was, wenn die zweite Stelle nur "halb ähnlich" ist, oder nur der Anfang, aber nicht das Ende? Was kann ich übernehmen und "als gegeben voraussetzen" , was ist Transfer und wie viel davon ist angemessen?

(Ich weiß, es ist der Brauch einer Übung, dass es Bewegungen dezidiert wiederholt und einfordert.)



Was bleibt mir für das Liedchen?

Ich entziehe mich ein Stück weit der Verantwortung. Ich möchte mich nicht zwischen Maßlosigkeit und Anmaßung verstricken und stemple die Transkription als "für pädagogische Zwecke unzulänglich (zumindest auf elementarem Niveau)" ab.


Dennoch, und sonst wär das Thema auch umsonst, sind Fingersätze bis zu einem gewissen Grad einzig eine Frage des Geschmacks und somit persönliche Präferenz. Woher der wiederum soziohistorisch rührt klingt auf einer anderen Saite.


Es wäre allerdings spannend zu sehen, wer welche Finger in das Stück eintragen würde.
Ich denke es käme zu den unterschiedlichsten Ergebnissen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, es ist nicht "Frage des persönlichen Geschmacks".

Es ist zwar auch abhängig vom Körperbau des Spielers (Handgröße / Fingerlänge, Armlängen, ist der Schüler dünn oder sehr dick etc.), aber vor allem ist entscheidend, ob der Schüler eine grundsätzlich zweckmäßige Technik hat.

Hat er diese, weiß er nämlich, dass der Fingersatz, der als "am besten" empfunden wird, ganz zentral davon abhängt, wie die Arme bewegt werden. Sind die Arme, wie es zweckmäßig ist, die eigentlichen "Motoren" der Spielbewegung, und die Finger nur untergeordnete "Ausmaler der Details der Melodiekurve", wird man feststellen, dass es überhaupt kein Problem ist, so eine Figur mit links 54321 und rechts 12345 zu spielen, und zwar in beliebig schneller Geschwindigkeit, auch als noch nicht so weiter Schüler. Man wird auch feststellen, dass beispielsweise im Verlauf dieser Spielfigur der linke Arm seine Hand in Richtung Klavierdeckel "schiebt" und der rechte Arm seine Hand in Richtung Spieler "zieht". Hält man hingegen die Arme still, wird es sich "eng", "krampfig", "fummlig" anfühlen, und die Finger werden einander im Weg sein.

Leider lernt man so was nur bei einem der seltenen Ahnung habenden Klavierlehrer.
 
@hasenbein

Eine Frage:
Wie stark dürfen sich die Arme als Motoren bewegen, um nicht die "atmende" Handgelenks- Horizontal- u- Vertikal-arbeit zu behindern?
 
Es gibt keine "Handgelenksarbeit".

Es gibt nur Armarbeit, bei der alle Gelenke, also auch die Handgelenke, frei und durchlässig sein sollen. Aus der Art des Tastenkontakts der Finger (an Punkt verweilend oder über die Tasten gleitend, außerdem: Wie stark bewegen sich die Finger "in sich", wie stark wechseln sie also zwischen Beugung und Streckung), kombiniert mit den zusammenfassend-rhythmischen Bewegungen der Arme, resultieren dann natürlich zwangsläufig Bewegungen der Handgelenke. Niemals ist man aber auf die Handgelenke fokussiert oder begreift diese als "Akteure". Egal was schlechte KL auch erzählen mögen.
 
@hasenbein
Danke, ehrlich, ich glaub dir das, du hast Ahnung wovon du sprichst!

Nun, was will man denn gegen die vielen Lehrmeister machen, alle sagen etwas anderes...? Und den Dschungel einigermaßen spielklar/-bar durchdringen, ist eben sehr schlimm, was alles so erzählt wird.

Bloß wie "messe" ich die zutreffendste Erfolgsmethode in der Instrumentalmethodik? Viele sagen: ja, ich bin in der und der Schule großgeworden, habe daraus eigene Methode Xn entwickelt und seht her, die und die erfolgreichen Schüler/ Lehrbücher/ Hefte/Konzerte usw. hervorgebracht, wie soll man da noch den Durchblick behalten und nichts falsch machen?
 
Nein, es ist nicht "Frage des persönlichen Geschmacks".

Es ist zwar auch abhängig vom Körperbau des Spielers (Handgröße / Fingerlänge, Armlängen, ist der Schüler dünn oder sehr dick etc.), aber vor allem ist entscheidend, ob der Schüler eine grundsätzlich zweckmäßige Technik hat.

Hat er diese, weiß er nämlich, dass der Fingersatz, der als "am besten" empfunden wird, ganz zentral davon abhängt, wie die Arme bewegt werden. Sind die Arme, wie es zweckmäßig ist, die eigentlichen "Motoren" der Spielbewegung, und die Finger nur untergeordnete "Ausmaler der Details der Melodiekurve", wird man feststellen, dass es überhaupt kein Problem ist, so eine Figur mit links 54321 und rechts 12345 zu spielen, und zwar in beliebig schneller Geschwindigkeit, auch als noch nicht so weiter Schüler. Man wird auch feststellen, dass beispielsweise im Verlauf dieser Spielfigur der linke Arm seine Hand in Richtung Klavierdeckel "schiebt" und der rechte Arm seine Hand in Richtung Spieler "zieht". Hält man hingegen die Arme still, wird es sich "eng", "krampfig", "fummlig" anfühlen, und die Finger werden einander im Weg sein.

Leider lernt man so was nur bei einem der seltenen Ahnung habenden Klavierlehrer.


Ricochet! Das triftt die Sache ebenso wenig, wie ich die Bewegung der Arme erwähne.

Statt einer pauschalen Vorabverteilung aller "Feld- Wald und Wiesen Klavierlehrer" , die hier generell in quasi jedem Kommentar erfolgt, könnte man auch mal den konkreten Sachverhalt, wenn er schon unklar formuliert scheint, erfragend präzisieren. Das würde die Treffsicherheit eines Kommentares selbst bei vagem Ziel stark erhöhen. Dann müsste man nicht den Ersteller des Themas mit "am Thema vorbei, setzen Sechs!" bekommentieren und selbst schlichtweg nicht checken um was es dem Autor ging.

Es ist ja toll, dass hier die Expertise in zum platzen gefüllte Pusteln nur darauf wartet zu explodieren.

Nun gut: Brechen wir es weiter runter. c d e (links), e f g (rechts), Viertel, Adagio whatever, so man Fingersätze vorschlagen wöllte, welcher wäre der (Hasenbein´sche) ideale?

Es ging mir lediglich darum aufzuzeigen, dass ich es schwierig und bedenklich finde (was ich so nicht erwartet hätte) hier mich für einen einzigen Fingersatz entscheiden zu müssen.


Und was ist an "persönlichem Geschmack" so verwerflich? Es hat nichts mit Willkür oder Anarchie zu tun. Natürlich hat jeder einen Fingersatz, den er in bestimmten Situationen seinen Standard nennt. Von diesem Standard kann und muss er ab und an abweichen. Er ist anpassungsfähig aber tendiert dazu in "für seine Voraussetzungen" angenehmste Form immer wieder zurück zu kehren.

Der letzte Fingersatz der mir einfallen würde zu c d e (links) wäre 4 - 3 - 2 .... da würde ich lieber 1 1 1 spielen so "selten spiele ich eine solche Stelle initial mit 4 3 2."


Welchen Fingersatz nähme ich nun? Ich bin doch noch weit vor dem Stadium zu wissen "welche Finger Knoten bilden, welche krampfen, fummeln etc." und auch noch weit davor zu wissen welche es nicht tun.

Meine Frage zielte darauf ab, ob es "den idealen Fingersatz" für eben die beschriebene Situation gibt, oder ob man keinen Schnittmenge zwischen ""intuitivem Zugang"" und allgemeingültiger Lehre vor den Hintergrund des "Austarierens der eigenen Möglichkeit" , was ich eben persönliche Präferenz nannte, gibt. Hier wurde aber die körperliche Voraussetzung, die mir zu implizit schien nicht eigens erwähnt.

Ach was will ich hier erwarten. Der einzige mit Expertise und Format, der nicht wild rummarodierte, liegt unter der Erde.

Aber, denkt nur weiter, dass ich ich steife Arme und "atmende Handgelenke" habe und meine Finger die treibende Kraft meines Spiels sind.
 
Hier hat niemand gesagt, dass Du einen bestimmten Fingersatz nehmen sollst.

Auch hat niemand eine Ferndiagnose bezüglich dessen, was bei Dir bewegungsmäßig unzweckmäßig sei, gestellt.

Ich habe NUR geschrieben, dass, wenn man es richtig angeht, ein bestimmter Fingersatz, den Du verworfen hast, problemlos möglich ist und, je nachdem was "drumherum" in dem Stück passiert, sehr gut einsetzbar ist.

Und ja, impliziert ist darin, dass Du vielleicht genau dieses zweckmäßige Bewegungsverhalten - Einsteiger der Du bist - noch nicht herausgefunden hast.

Als Einsteiger musst Du immer standardmäßig erstmal davon ausgehen: "Wenn es bei mir mit einem Fingersatz, den ein Fachmann empfiehlt, Schwierigkeiten gibt, muss ich annehmen, dass ich ein Technik-/Bewegungsprinzip nicht beachte (oder noch gar nicht gelernt habe)."
 
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Nun gut: Brechen wir es weiter runter. c d e (links), e f g (rechts), Viertel, Adagio whatever, so man Fingersätze vorschlagen wöllte, welcher wäre der (Hasenbein´sche) ideale?

Wenn es um drei langsam angeschlagene Viertel geht - die kann man mit jedem Fingersatz spielen. Man kann das sogar mit nur einer Hand spielen oder von mir aus auch unter Zuhilfenahme der Nase.

Für mich ist immer entscheidend, was man musikalisch will - das ist aus deiner Beschreibung aber gar nicht zu erkennen. Je nachdem, ob das forte oder piano, legato oder staccato, crescendo oder decrescendo zu spielen ist, würde ich jedesmal einen anderen Fingersatz nehmen. Wenn du wirklich hilfreiche Vorschläge willst, dann stell ein Notenbeispiel ein, bei dem man auch sieht, was vorher und nachher passiert.
 

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