Seit wann hat Steinway die Flügel im Programm, wie er sie heute hat? Ich meine baugleich. Nen D-Flügel hat er schon ewig, aber ich meine jetzt den D-Flügel (oder C etc) so wie er JETZT gebaut wird
600 Prototypen Konzertflügel bei Schimmel? Im Leben nicht.. Wenn man die Herstellkosten eines KF für ca. 40.000 – 50.000 Euro ansetzt, hätten die hierfür mindestens 24 Mio. Euro in die Hand zu nehmen gehabt.. Mag sein, 600 Testobjekte verschiedener Teile-Varianten, aber niemals 400 oder 600 ganze Konzertflügel.
Seit wann gibt es die aktuellen Modelle Steinway?
Das Steinway-Konzept der noch heute gebauten Flügel entstammt der Phase 1865-1869. Es wurde erstmals 1869 gebaut: Der so genannte „monitor grand“, ein neues Flügelmodell unterhalb der Größen der B-Vorläufer, Urahn des A-Flügels. Theo Steinweg baute den, nachdem er seiner Familie zu hilfe in New York angelandet war und hierzu zuvor an Grotrian, Helferich und Schulz seine Anteile des Braunschweiger Klavierbaubetriebs verkauft hatte. Er machte die Entwicklung „Monitor“, weil er die Absicht hatte, die Konstruktionen seines Vaters und des verstorbenen Brüder Henry jr. und Charles preiswerter herstellen zu können, ohne Abstriche an der instrumentalen Qualität machen zu müssen.
Wesentliche Merkmale des Monitor Grand: 180 lang. Bassüberkreuzung. Einzeltastenmechanik. Zu jener Zeit noch gebundene Hebeglieder; die Pilotenschraube kam erst März 1875. Agraffen. Der erste Flügel mit abgedecktem Stimmstock. Noch ohne Duplex Scale, die kam 1872.
Die heutige Serie wurde mit dem A-Modell erstmals 1878 gebaut, mit „Rim“, Gehäusekontur aus verleimten Furnierstreifen. Zugleich erschien der B-Flügel, schon damals in der Länge 211, aber beide noch mit 85 Tasten. 88 Tasten kamen 1892. Am A-Flügel waren noch erhebliche Veränderungen, u.a. wurde mehrmals die Ausführung der Stege geändert. Der D-Konzertflügel heutiger Konstruktion (mit danach nur noch winzigen Modifikationen) stammt von 1884. Er löste den vorigen D-Konzerter, den berühmten „Centennial D Concert Grand“ ab, für den es bei der Weltausstellung Philadelphia 1876 die Goldmedaille gegeben hatte. Theo Steinweg hatte den D um einiges leichter gemacht. Ein Centennial wiegt über 650 Kilo, ein heutiger D nur noch 480; er ist der leichteste aller Konzertflügel. Leichtbau ist auch eine Kunst.
Letztes Steinway-Neumodell Serie A-D war dann 1886 der C-Flügel C-227, als Verkürzung des neuen D-Layouts und gleicher Mechanik, auch als Konzertflügel gebaut, d.h. mit fünf Saitenfeldern. Mit ihm hatte Theo seinen brüderlichen Techniker-Wettstreit gewonnen – so, wie Chingis Khan gewann: es gab bei Steinway-Klavieren nur noch welche nach Theos Design. Der letzte Superflügel seines verstorbenen Bruders Henry, der Siebenfüßer „Parlor Grand Style II“, eine hoch interessante Bauserie, entschwand in den Klavierhimmel – neue gab es nicht mehr. (Wenn einer auftaucht, 220-225 lang, bitte Bescheid sagen.)
Dann gab es 1900 etwas Neues, das so genannte „miniature design“; der O-Flügel O-180. Der A war mittlerweile etwas längen-gewachsen, von 182 auf 185 und später als A-II auf 188 cm, dann gab es auch aus New York noch den A-III mit 192 cm, aber der war so gut, dass er zu viele Kunden davon abhielt, sich einen B zu kaufen, also stellte Steinway den A-III wieder ein..
Aus dem O machten sie um 10 cm gekürzt den M-170, der um 1915 herauskam, und 1935 noch den S-155, den Steinway-Babygrand. Der, wie alle Stutzflügel, im Klang nicht recht taugt, aber unter denen, die wenig taugen, doch wieder der beste ist.
Ca. um 1923 entschwanden um die Gussöffnungen die Krönchen, und zu ähnlicher Zeit veränderte sich auch das Klangholz: irgendwann in den 1920ern gab es nicht mehr genügend gute Bestände der Appalachen-Weißfichte, und Steinway begann, Sitka Spruce zu kaufen, sowie später den Kunden zu erzählen, dass ein Resonanzboden alle ca. 40-50 Jahre erneuert gehöre.. Aber bitte nur in den Steinway-Werken.. Sonst sei die Qualität "kompromittiert..
Paul Bilhuber erfand noch 1936 das „diaphragmated soundboard“, der i.w. schon weitenteils bekannte Trick, den Resonanzboden am Rand wieder dünner zu machen. Ein Knowhow, das jeder Brückenbauer kennt, der die Bauchträger in der Mitte dick und zum Rand der Brücke dünner macht.
Und das war’s dann.. …
..nein, sie „erfanden“ noch den Boston-Flügel, und den Essex. Aber zu sowas schweige ich.
Also, das Konzept heutiger Steinways ist nun fast 150 Jahre alt. Seit 1886 ist nichts Entscheidendes mehr geschehen. Letze Arbeiten von Theo Steinweg - dann war es das. 88 Tasten baute man schon an den großen Tafelklavieren ab einem Jahr nach der Gründung, und an alle Konzertflügel ab 1863. Den einteiligen Gussrahmen fand man auch in den allerersten Tafelklavieren bereits. Den Rahmen einteilig zu machen auch bei Flügeln, das war von einer scharfen, hoch experimentativen Entwicklung der Gussstechnik abhängig, an der Theo sich eine seiner vielen Lorbeeren verdiente – er fand das spannend, in Queens sich eine eigene Gießerei hinstellen gekonnt zu haben. Das hätte in Braunschweig niemals dringesessen.
Wenn man Boston, Essex und Kleinklein wie Diaphragma weglässt, dann ist seit 1892 (88 Tasten bei A- und B-Flügel) nichts richtig neues mehr gekommen.
Als Theo in die Erde kam, 1889, seither trauten sie sich fast nichts mehr neu zu machen oder zu verändern, und verkauften i.w. nur noch die Alte Gloria. Dass Steinway heute innovativ sei, glauben vielleicht ca. sieben Menschen auf dieser Erde, min. fünf davon arbeiten im Steinway Marketing.
Aber was soll’s – warum noch neue Flügel entwickeln.. Der Centennial D Concert Grand ist bereits das beste Klavier der Erde. Innovation braucht es doch gar nicht… <duck weit weg flitz>
Wer schöne Flügel haben will, kaufe sich einen Bösendorfer 225, einen Steinway B-211, einen Fazioli, einen Shigeru Kawai, einen Steingräber, einen Blüthner, einen Bechstein, wer etwas für den Standort Deutschland tun will, kaufe einen Feurich, August Förster, Schimmel Concert, etc.
Wer den „Alten Klang“ (TM) haben will, gehe zu Eric Maene in Belgien oder zu Paul McNulty in Böhmen, oder kaufe sich einen restaurationsbedürftigen Erard- oder Pleyel-Konzertflügel um 1835-1850 - und sehe dann zu, wie er neunlagige Hammerköpfe mit einzelnen Filzstreifen aus Schafswolle, Hasenhaar und ausgesuchtestem Hirschleder nach Patenten von Henri Pape herstelle.. .. Viel Spaß.. das ist nicht leicht, ist das nicht.. Nur damit, und per Verzicht auf die maximale Power, kommt der reiche Klang der Chopin-Klaviere um 1840. Duplex ist hierzu mist, Hammerköpfe mit Zapon-Lack vollkleben schonmal ganz großer Mist, egal ob man vorher die Filzspannung kaputtgestochen hat oder nicht. Lange Saiten sind immer gut. Dicke Saiten sind weniger gut, sie erhöhen die „Inharmonizität“. Dicke Hämmer sind auch ungut, machen den Flügel lahmer. Aber das sage man mal den Mannen in New York. Die wollen Brillanz! Power! Durchschlagende Wirkung! ... 3.500 Konzertkarten will der Weltklasse-Pianist in der Carnege Hall verkaufen - und Steinway will das Klavier dafür stellen.
Klaviere/Flügel abseits des Steinway-Klangbildes gibt es nahezu gar nicht mehr. Die einzigen, die sich trauen, ein abweichendes Firmen-Klangideal zu benennen, sind die Blüthners. Die Welt ist insofern leider arm. Auch wenn man reich an einem Klavier ist.. Und keiner baut den E-Flügel. Nur Fazioli, die bauen einen F-Flügel..
Steinway braucht keine Innovation, keine Versuchs- und Konstruktionsabteilung. Sie brauchen nur Theos alte Zeichnungen und Modelle aus dem Schrank zu holen. Bisschen teuer nach heutiger Fertigungstechnik, aber es sind ohne Frage sehr gute Flügel. Was die anderen alle versuchen, ist das Steinway-Klangideal zu erreichen, und hierzu wesentlich weniger Geld auszugeben, um im Wettbewerb punkten zu können. Dass sich später Schlaue die „Aldi-Flügel Non-Steinway“ kaufen gingen, und sagen können, ätsch, bin ein schlauer, habe einen Flügel, der ist genauso gut wie ein Steinway, kostete aber nur die Hälfte.. Die wahren Liebhaber guten Klanges, die Aficionados, ödet so eine Schnäppchenjäger-Mentalität an. Geldschielerei ist bei edlen Klavieren per se verboten, verfehlt.
Woran es mangelt, sind sehr gute Flügel mit einem spezifisch anderen Klang – die aber traut sich keiner zu bauen, weil sie extrem aufwendig zu entwickeln sind zum einen, und zum anderen der Markt hierfür absolut nicht eingeschätzt werden kann. Vor allem fürchtet man wohl, dass institutionelle Käufer (Musikschulen, Bühnen, Opernhäuser, Konzerthäuser, Profi-Pianisten) weiterhin stockkonservativ kaufen. Also Steinway. Also rennt jeder den Sachen hinterher, die Theo Steinweg vor 130 Jahren zuende entwickelte. Also ist keiner echt innovativ: Die ganzen Entwicklungsarbeiten rennen immer nur dem Popanz und dem Goldenen Kalb hinterher: einen Flügel zu finden, der so klingt wie ein Steinway, aber nicht so teuer ist. Sie versuchen das Geizgeile: zum selben Klang zu kommen, aber weniger Kosten zu machen. Das hilft dem Kunden nicht wirklich, das hilft nur dem Flügelhersteller. Also habe ich nichts davon, wenn Schimmel von 600 Prototypen spricht: das nützt eventuell Schimmel, mir aber nicht. Der Kunde hat nichts davon – außer einem uU billigeren Einkaufspreis. Dann nichts, wenn er sich auch einen Steinway kaufen kann.
Wenn ein Steinway auch ein tolles Instrument ist: Es ist eine (varianten-)arme Klavierklangwelt. Nur noch Steinway-Sound. Schade.