Entscheidungsschwierigkeit beim Notenkauf - dank Notenbildverschlimmbesserung

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Ist euch auch schon aufgefallen, dass die Qualität des Notenbilds irgendwie in letzter Zeit bei Neuerscheinungen im Vergleich zu älteren Notendrucken abnimmt?

Irgendwie kamen mir immer wieder kleine Nuancen an neueren Notenbildern in letzter Zeit irgendwie etwas seltsam und unästhetisch vor. Wirklich bewusst wurde mir das ganze aber erst so richtig vor ein paar Tagen. Da war ich beim Stöbern in den Notenregalen im Musikhaus, als ich mich spontan entschlossen habe, Bachs WTK, Band II zu kaufen. (Hatte bisher nur den Band I und auf Dauer ist der Band I allein zuhause irgendwie nur eine halbe Sache ohne den Band II). Mit dem Notenbild meines Band I war ich sehr zufrieden, und darum hab ich mich ziemlich schnell wieder für eine Ausgabe des selben Notenverlags entschieden, nachdem ich auch zum Vergleich alle anderen Ausgaben kurz durchgeblättert hatte (die mich persönlichvom Notenbild her im Vergleich zu den Noten ebendieses Verlags irgendwie überhaupt nicht überzeugt haben).

Eigentlich wäre ja so weit alles schön und gut, bis ich stutzig wurde, weil die zwei auf den ersten Blick von außen identischen (ich hatte nur in ein Buch reingeschaut) Notenbücher im Regal genau desselben Verlags irgendwie unterschiedlich dick ausschauten. Also hab ich mir die beiden - vermeintlich identischen - Bücher nochmal angeschaut, und siehe da - die Taktverteilung sämtlicher Stücke über alle Zeilen und Seiten des Hefts waren tatsächlich gleich. Allerdings hatte eines der Hefte hinten einen zusätlichen Anhang von fast 30 Seiten, in denen auf Deutsch und Englisch recht ausführlich alle verschiedenen möglichen Urtextquellen gegeneinander abgewogen wurden und etwaige Änderungen und Differenzen zwischen verschiedenen Quellen erwähnt und erläutert wurden. Im anderen Heft war dieser Anhang nicht drin. Dennoch kosteten beide Hefte gleich viel.

Dafür war im Heft ohne diesen Anhang das Notenbild selbst irgendwie wesentlich ästhetischer, logischer, einladender und übersichtlicher - obwohl die Zeilen- und Seitenumbrücher beider Bücher ja identisch waren (z.B. folgten hier bei tonleiterartigen Motiven in Sechzehnteln auch die Balken der Sechzehntel annähernd dem Tonleiterverlauf auf- bzw. abwärts und gingen so "fließend" in die Lage der folgenen Notenhälse/-balken über, während sie bei der anderen Ausgabe ganz waagerecht verliefen und nach der Tonleiter direkt in die neue Lage der Folgenoten "sprangen" - was ich beim Lesen der Noten irgendwie als unlogisch empfinde.). Die "unästhetische" Ausgabe zeigte irgendwie viele kleine solcher minimalen Dinge, die in der Summe das ganze Notenbild für mich irgendwie unangenehmer zu lesen machten.

Jedenfalls stand ich nun vor der Qual der Wahl, ob ich das (in meinen Augen) schlechtere Notenbild nehme, oder ob ich auf den Anhang mit Quellendiskussion verzichte. An beidem lag mir eigentlich recht viel, und so konnte ich zwangsweise nur eine teilweise schlechte Wahl treffen. Im Endeffekt entschied ich mich dann aber für das angenehmere Notenbild und gegen die Quellendiskussion.

Das angenehme Notenbild ist ein Copyright von 1950/1978, das unangenehmere Notenbild (welches aber trotzdem in meinen Augen immer noch wesentlich besser ist, als die anderen im Musikgeschäft verfügbaren Noten des WTK II) ist ein Copyright von 2007.

Das ganze hier nur einmal als Denkanstoß, den ich loswerden wollte, weil ich mich über den ästhetischen (und im Endeffekt beim Vom-Blatt-Spielen und Üben auch praktischen) Qualitätsverlust neuer Notenbilder allgemein irgendwie einfach ärgere.

Schade, dass anstatt der Qualitätssteigerung in den letzten Jahrzehnten beim Notenbild anscheinend eine Qualitätsminderung stattfindet.

Oder empfinde nur ich das so und bin einfach zu sehr kleinkarierter Ästhet um so Kleinkram im Notenbild überhaupt erst als störend zu sehen?

(Wow, was für ein Mammuttext für so eine Kleinigkeit. Ich hoffe wenigstens ein paar Leute haben bis ganz zum Schluss beim Lesen durchgehalten:D)
 
Hey,

hängt wohl am Computersatz der Noten, früher wurden die Noten noch in Handarbeit mühevoll (und nach langer Ausbildungszeit) gestochen/gesetzt und es wurde wohlh noch viel mehr aufmerksamkeit auf bestimmte SAchen gelegt die Noten um einiges lesbarer machen. Ich fand die Texte des Lilypond Notensatzprojektes da ganz interessant (lilypond.org).

Auch wenn Lilypond für Klaviernoten praktisch ungeeignet ist.
 
Oder empfinde nur ich das so und bin einfach zu sehr kleinkarierter Ästhet um so Kleinkram im Notenbild überhaupt erst als störend zu sehen?

Nee, biste nicht. Was Du beschreibst, haben wir im normalen Leben bei normalen Buchstaben längst durchlitten. Alte, gut gesetzte Bücher kannst Du bis zu 30% schneller lesen als den Murks von heute...:mad:

Mir war das bislang nicht klar, aber beim Notensatz sind die Folgen ja noch viel verheerender -schließlich wird nur selten laut vorgelesen. Und vielleicht erklärt das auch, weshalb ich meine kleinen Barockstückchen schneller intus habe (gute Noten von der KL), als die eigentlich leichteren selbstgefundenen Sachen.

Die Zeiten ändern sich.... dafür ist die Schrift am Computer aber viel besser lesbar als vor 10 Jahren ...:rolleyes:
 
Stimmt, gebe dir recht, DonBos. Finde es auch ärgerlich, wenn man auf einen Blick erkennen kann, ob es noch gute alte Handarbeit ist oder ob es ein Computerprogramm gesetzt hat. Im Zweifelsfall hätte ich mich genauso wie du für die Ausgabe mit dem schöneren Notenbild entschieden. Vielleicht kannst du den kritischen Bericht im Internet runterladen - das funktioniert bei manchen Verlagen!

Im übrigen, wenn ich an den Preis denke, den ich für das nachträgliche Binden meines WTK1-Bandes denke, würde ich beim Kauf solcher Noten (von denen ich ausgehe, sie mehrere Jahrzehnte zu nutzen) wahrscheinlich gleich eine gebundene Ausgabe nehmen.

Mich wundert auch, warum ein so teures Programm wie Finale in der Vollversion einen dermaßen verkorksten Notensatz produziert, dass man nicht umhin kommt, "von Hand" die schlimmsten Stellen zu verbessern - z.B. 8-tel zusammenhängende Noten in gleichen Abstand statt völlig stochastischem Abstand hinzubekommen.
 
Zitat von Mindenblues:
Vielleicht kannst du den kritischen Bericht im Internet runterladen - das funktioniert bei manchen Verlagen!
Danke für den Tipp - das gabs bei dem Verlag tatsächlich kostenlos zum runterladen. Damit hatte ich nicht gerechnet! Schön!

Auch schön, dass das mit den Notenbildern nicht nur mir auffällt und auch andere nervt.

Lilypond ist tatsächlich interessant, aber die Mühe, dass ich mir schlechte Notenbilder in Lilypond reintippen würde, wär mir dann doch etwas zu viel. Aber falls ich mal selbst wieder was schreiben will, schau ich mir Lilypond vielleicht doch mal genauer an.
 
Lilypond ist tatsächlich interessant, aber die Mühe, dass ich mir schlechte Notenbilder in Lilypond reintippen würde, wär mir dann doch etwas zu viel. Aber falls ich mal selbst wieder was schreiben will, schau ich mir Lilypond vielleicht doch mal genauer an.

Ich habe mal mit Lilypond etwas rumgespielt und für Klaviernoten ist es nicht so geschickt. Insbesondere wenn irgendwas über die Notenzeilen Spingen soll (Legatobogen, Notenhälse und Balken bei 8teln, etc).
 
DonBos, bin neugierig, welche Ausgabe du denn nun genommen hast für WTK2 (ich denke, dass wird man ja äußern dürfen...)? War das Henle Urtext? Der dortigen Homepage ist zu entnehmen, dass man ab dem Jahr 2000 auf Computerdruck umgestiegen ist...
 
Gut geraten, es ist Henle Urtext. Mit dem Notenbild von Henle komm ich eigentlich meist am besten klar, und auch die Quellenbesprechung am Ende der Bücher ist immer relativ interessant.

War nur beim ersten Post etwas vorsichtig mit dem Nennen von Namen, aber im Nachhinein betrachtet hab ich ja nix schlimmes über den Henle-Verlag geschrieben.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich kann generelle Vorbehalte gegenüber Computerdrucken nicht nachvollziehen. Ich finde die Drucke der billigen Könemann-Ausgaben - die völlig offensichtlich aus dem Computer stammen - besser lesbar als alles andere, was ich an Noten habe. Vielleicht ist das auch Gewohnheitssache, aber Computernoten sollten ja als solches (!) nicht schlechter lesbar sein als handgestochene. Warum auch?

Dass in neueren Ausgaben die kritischen Berichte immer öfter fehlen, ist mir auch schon aufgefallen. Ist natürlich schade, aber wenn ich ehrlich bin, schaue ich mir den ja auch bei den wenigsten Stücken genau an. Ob ich immer bereit wäre, einen Aufpreis dafür zu zahlen? Ich weiß nicht.
 
Das interessante war ja, dass da gar kein Aufpreis war. Das Buch ohne kritische Berichte hat genau dasselbe gekostet wie das Buch ohne die Berichte.
 
Der dortigen Homepage ist zu entnehmen, dass man ab dem Jahr 2000 auf Computerdruck umgestiegen ist...

Ich finde die Drucke der billigen Könemann-Ausgaben - die völlig offensichtlich aus dem Computer stammen - besser lesbar als alles andere, was ich an Noten habe.

Handgestochen per se ist kein Vorteil, lediglich ein etwas höherer Garant dafür, dass die Qualität stimmt. Computersatz ist (von Feinheiten auf Connoiseur-Ebene abgesehen) nicht schlechter als Handarbeit. Die Qualität liegt ausschließlich am Wissen und an der Ausbildung des Setzers (wozu auch die Wahl des geeigneten Werkzeugs = Programms) gehört.

Da liegt der Hase im Pfeffer. Gut ausgebildete Leute kosten mehr.
 

Das interessante war ja, dass da gar kein Aufpreis war. Das Buch ohne kritische Berichte hat genau dasselbe gekostet wie das Buch ohne die Berichte.
Ja, aber es war ja eine alte Auflage und eine neue. Das eine war also ein Restbestand und wird nicht mehr produziert. Die Preise sind also nicht so zu vergleichen wie, als wenn es zwei gleich alte Ausgaben von zwei verschiedenen Verlagen gewesen wären.

Ich sehe das aus der Sicht des Verlages: machen die eine neue Auflage, werden die die auch wohl neu kalkulieren. Und da fällt dann die Entscheidung, ob sie den Preis anheben oder ob sie die Seitenzahlen und damit die Produktionskosten reduzieren. Und da sich generell nicht so wahnsinnig viele Leute für die kritischen Anmerkungen interessieren, dürfte die Entscheidung bei Henle nicht allzu schwer gefallen sein.

Handgestochen per se ist kein Vorteil, lediglich ein etwas höherer Garant dafür, dass die Qualität stimmt. Computersatz ist (von Feinheiten auf Connoiseur-Ebene abgesehen) nicht schlechter als Handarbeit. Die Qualität liegt ausschließlich am Wissen und an der Ausbildung des Setzers (wozu auch die Wahl des geeigneten Werkzeugs = Programms) gehört.

Da liegt der Hase im Pfeffer. Gut ausgebildete Leute kosten mehr.

Da hast du natürlich Recht. Bei einer Umstellung von Hand auf Computer und den damit verbundenen "Umstrukturierungsmaßnahmen" wird man in einem Unternehmen auch schnell mal darüber nachdenken, ob man nicht auch anderweitig Kosten einsparen kann. Dann leidet u.U. tatsächlich die Qualität, was aber ja wie gesagt nicht des Computers Schuld ist.

P.S.: Hier mal ein kleines Filmchen zum klassischen Notensetzerhandwerk. Gibt es für die Connoisseure auch in französischer Übersetzung. ;)
 
Ich finde die Drucke der billigen Könemann-Ausgaben - die völlig offensichtlich aus dem Computer stammen - besser lesbar als alles andere, was ich an Noten habe.

Ich mag Könemann vom Notenbild her auch sehr.
Positiver Nebeneffekt: keine Fingersätze.

Denn: besser keine Fingersätze als schlechte!

Ich nenn jetzt hier keine Namen*, aber es gibt Herausgeber, die haben mE die Stücke noch nie im Tempo gespielt, dass die auf so Fingersätze kommen. Was langsam geht, muss schnell noch lange nicht funktionieren...

* Einer beginnt mit T und einer mit L ;)
 
Ich sehe das aus der Sicht des Verlages: machen die eine neue Auflage, werden die die auch wohl neu kalkulieren. Und da fällt dann die Entscheidung, ob sie den Preis anheben oder ob sie die Seitenzahlen und damit die Produktionskosten reduzieren. Und da sich generell nicht so wahnsinnig viele Leute für die kritischen Anmerkungen interessieren, dürfte die Entscheidung bei Henle nicht allzu schwer gefallen sein.
Klingt an sich sehr logisch, wenn da nicht der Haken wäre. Die neue Auflage hat den Anhang, und somit 30 Seiten mehr als die alte Auflage, die 30 Seiten weniger hat. Und trotzdem kostet das Auslaufmodell noch genau gleichviel wie das neue Modell. (Oder *IRONIE ON* hat der Verlag gemerkt, dass der handgestochene Satz auch ohne Anhang seine 19 Euro wert ist, während der Computersatz zum gerechtfertigten Erhalt des Preisniveaus den "Textbonus" im Anhang nötig hat *IRONIE OFF*)
 
(Oder *IRONIE ON* hat der Verlag gemerkt, dass der handgestochene Satz auch ohne Anhang seine 19 Euro wert ist, während der Computersatz zum gerechtfertigten Erhalt des Preisniveaus den "Textbonus" im Anhang nötig hat *IRONIE OFF*)

Wieso Ironie? So könnte es doch wirklich gewesen sein. Wenn die Computerisierung es ermöglicht, mehr Inhalt zum gleichen Preis zu bekommen, ist doch alles in Butter, oder nicht? ;)

Edit: @ pianist

Mit den Fingersätzen gebe ich dir Recht. Wenn ich ein Stück wirklich lernen und nicht nur nebenbei "klimpern" will, habe ich auch lieber gar keine Fingersätze. In den allermeisten Fällen kommt selbst auf den für einen persönlich besten Fingersatz.
 

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